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WIEN/ Staatsoper: EDITA GRUBEROVA ALS ANNA BOLENA – EIN JAHRHUNDERTEREIGNIS

24.10.2015 | Oper

Wiener Staatsoper: EDITA GRUBEROVA ALS ANNA BOLENA – EIN JAHRHUNDERTEREIGNIS (23.Oktober 2015)

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Edita Gruberova. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Eines müssen auch Fans zugeben: Edita Gruberova ist seit ein paar Jahren dem Phänomen „Abendverfassung“ ausgeliefert, manchmal braucht sie einen Akt zum „Einsingen“, mitunter läuft sie bei einer Mini-Serie erst in der 2. oder 3.Vorstellung zur Höchstform auf. Aber wenn dann alles stimmt, dann widerlegt sie die Gesetze der Natur. Wie etwa bei der 4. und vorläufig letzten Gruberova-Reprise von „Anna Bolena“ von Gaetano Donizetti, in dem der Wechsel der Frauen von Heinrich VIII. genauer der Wechsel von Anna Bolena zu Jane Seymour dargestellt wird. Bei dieser insgesamt 17.Reprise der stimmungsvollen historisierenden Inszenierung von Eric Genovèse (Ausstattung Jaques Gabel und Claire Sternberg, Kostüme Luisa Spinatelli) übertraf die „Primadonna assoluta“ sich selbst. So lyrisch und zugleich beseelt, so dramatisch und gefühlsüberschwänglich hat man die in Bratislava geborene Koloratur-Diva noch selten gehört. Stolz zu Beginn kippt ihre Empörung im großen Duett. Um sich dann im Finale zu einem überirdischen „Engel“ zu verwandeln.

Ein Jahrhundert-Ereignis und vielleicht sogar der Bühnenabschied im Haus am Ring. „Denn Dominique Meyer hat noch keine Termine für mich gefunden, berichtet mir mein Agent“, antwortet Edita Gruberova auf die Frage nach ihren zukünftigen Staatsopernplänen.“Wenigsten ein Solistenkonzert wird es aber geben“ lacht die Slowakin mit Wohnsitz in Zürich. „Also endgültiger Abschied in Wien war das noch nicht!“ meint die zuletzt mit Blumen überschüttete Sopranistin, die vor 39 Jahren als Zerbinetta in die erste Reihe der Sängerinnen katapultiert wurde. Auf den Spuren von Joan Sutherland landete sie endgültig im Jahr 1978 als Lucia di Lammermoor – wieder in Wien, erst dann folgten Puritani, Maria Stuarda, Roberto Devereux oder Norma. Nun nähert sie sich ihrem unglaublichen 50-Jahr-Bühnenjubiläum, tritt seltener auf und lernt immer noch neue Rollen. Zuletzt La Straniera von Vinzenco Bellini im Theater an der Wien.

Doch rekapitulieren wir nochmals die Anna Bolena vom 23.Oktober. Einen guten Abend hatten sowohl der Dirigent des Staatsopernorchesters Evelino Pido sowie die meisten Partner. Eine bedrohliche Heiterkeit lässt musikalisch sehr früh die Tragödie ahnen! Und auch der Chor der Wiener Staatsoper (Leitung Thomas Lang) singt engagiert und ohne Makel. Einen besonders guten Abend hat der Percy, Celso Albedo. Der aus Teneriffa stammende Tenor forciert zwar die Höhen, erzielt aber damit höchsten Effekt. Auch Sona Ganassi ist als Giovanna Seymour eine hochkarätige Partnerin. Sie ist offenbar die Lieblings-Mezzo-Sopranistin von Edita Gruberova. Sie überzeugte vor allem im großen Duett.

Der Schwachpunkt des Abends: Marco Vinco als Enrico VIII.. Die Stimme ist für die Staatsoper zu klein, er sieht besser aus als er singt. Ein Glücksfall hingegen die junge Russin Margarita Gritskova als Smeton. Ein wunderschönes Timbre, ein erfrischendes Spiel – hier wächst ein Super-Talent heran . Bleibt noch Carlos Osuna zu nennen – er fällt als Hervey positiv auf.

Zuletzt Jubel, Trubel, Heiterkeit. Die Fans hoffen auf neue Aufgaben für Edita Gruberova. Aber falls nicht: den Mitschnitt vom 23.Oktober 2015 werden Sammler noch lange aufbewahren.

Peter Dusek

 

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