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WIEN/ „sirene Operntheater“ im Jugendstiltheater: „ABENDSONNE“ von Kristine Tornqvist und Tomasz Skweres

11.11.2025 | Oper in Österreich

WIEN/ JUGENDSTIL THEATER/ SIRENE OPERNTHEATER/ WIEN MODERN : ABENDSONNE von Kristine Tornqvist und Tomasz Skweres

am 10.11.2025 (Premiere)

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Das Medium bei der Séance. Foto: Andreas Friess/ sirene-Operntheater

Gut geschrieben. Gut komponiert. Gut besetzt. Gut gespielt. Gut inszeniert. Theater kann doch manchmal so einfach sein…

Liebe leidgeprüfte Wiener Musikfreunde, vergessen Sie die Verkaufte Braut in der Staatsoper, vergessen Sie die Nacht in Venedig in der Volksoper und vergessen Sie auch die Eurydice der Neuen Oper Wien…Pilgern Sie stante pede ins Jugendstiltheater am Steinhof, wo derzeit (noch bis 17.11.) ABENDSONNE läuft, die seit langem beste und rundum gelungenste Opernproduktion in dieser Stadt !

Heribert Büxenstein, ein Insasse der Seniorenresidenz (vulgo Altersheim) Abendsonne, erhält eine fatale Pancreaskrebsdiagnose: nur noch einen Monat zu leben. Das Medium Stella, eine andere Insassin, steckt ihm nach einer Séance ein Büchlein zu. In diesem steht geschrieben, dass man wiedergeboren werden kann, wenn während der Todesstunde im Nebenzimmer ein Kind gezeugt wird, in das die Seele dann hineinwandern kann. Also machen sich Büxenstein und seine Kumpane Hagedorn und Sägebarth daran, die junge Pflegerin Mira und den jungen Pfleger dazu zu bringen, im Zimmer 11 miteinander zu schlafen, während sich Büxenstein in Zimmer 12 mittels einer Morphininjektion umbringt. Mehr sei an dieser Stelle nicht verraten…

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Die alten Herren. Foto: Andreas Friess/ sirene-Operntheater

Librettistin und Regisseurin Kristine Tornqvist gelingt es, aus dieser ein wenig wie eine Pension Schöller auf Esoteriktrip wirkenden Ausgangssituation ein filigranes Kunstwerk zu gestalten, das die heikle Balance zwischen Komik und Tiefsinn scheinbar mühelos aufrechterhält: ein sprechender Christbaum, eine den ganzen Abend nicht sprechende alte Dame in der Mitte der Bühne, Beschwerden über den Nudelsalat, der Pfleger und die Pflegerin, die mit riesigen Wäschehaufen auf den Armen blindlings miteinander zusammenstoßen, der Chefarzt und die Direktorin, die, total scharf aufeinander, eine heiße Sohle aufs Seniorenresidenzparkett hinlegen, die drei alten Herren, die der zur Gebärerin erkorene hübschen Pflegerin die Pillenschachtel und die Kondome entwenden und und und…

Es ist total vergnüglich, diesen grotesken Einfällen, überraschenden Wendungen und sehr witzigen Texten zu folgen.Und es ist auch äußerst vergnüglich, der Tornqvists Intentionen voll unterstützenden Musik von Tomasz Skweres zu lauschen: eine durchhörbare Mischung aus Klassik, Pop und Tango, die immer die Textverständlichkeit  bewahrt und auf keinerlei abgelutschte Standards zeitgenössischer Opern rekurriert.

Für den verdienten Erfolg bei Publikum und Kritik seien alle Beteiligten vor den Vorhang gerufen: die Choreographin Bärbel Strehlau, die Kostümbildnerin Nora Scheidl, die Dirigentin Antanina Kalechtys, das Ensemble Phace, die Darsteller und Sänger Johann Leutgeb, Horst Lamnek, Andreas Jankowitsch, Juliette Mars,Ewelina Jurga,Vladimir Cabak, Maida Karišik, Dieter Kschwendt-Michel und Christa Stracke.

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Die Senkrecht-Schlafenden. Foto: Andreas Friess/ sirene-Operntheater

Liebe Wiener Musikfreunde, matschkerts nicht über die „Großen Bühnen“ und leidets nicht an ihnen, sondern besteigts den 48A Bus und fahrts ins Jugendstiltheater am Steinhof und schaut’s euch die Abendsonne an. Nicht versäumen !

Ein Meisterwerk is born.

Robert Quitta

 

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