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WIEN/ Schlosstheater Schönbrunn: COSÌ FAN TUTTE

Halbszenische Aufführung der Universität für Musik und darstellende Kunst

13.07.2018 | Oper


Das Schönbrunner Schlosstheater. Copyright: Martin Moravek

WIEN / Schlosstheater Schönbrunn: „COSI FAN TUTTE“, halbszenische Aufführung der Universität für Musik und darstellende Kunst

12.7. 2018 – Karl Masek

Seit März arbeitet Michael Schade als „Artist in Residence“ mit Studierenden der mdw an der Vorbereitung dieser halbszenischen Produktion. In Wien beginnt so manches mit zufälligen Gesprächen. Kammersänger Schade plauderte mit dem Vizerektor des Instituts, Dr. Christian Meyer, Ideen wurden ausgetauscht, wie jungen SängerInnen effizient weiter geholfen werden könnte. Schade wurde spontan eingeladen, für ein konkretes Produkt „Artist in Residence“ zu sein – und so kam es zu einer rundum geglückten Leistungsschau und einer ausgezeichneten Opernaufführung von Mozarts „Cosi fan tutte“, für die das Prädikat „Halbszenische Aufführung“ viel zu kurz gegriffen scheint. War es in Wirklichkeit eine großartige, springlebendige Inszenierung, die so manche Regiearbeit berühmter Institutionen in den Schatten stellte.

Michael Schade wird nicht müde zu betonen, dass ihn als ganz jungen Sänger vor allem zwei Dirigenten sein Mozart-Bild unverlierbar geprägt haben: Nikolaus Harnoncourt und Riccardo Muti. Der eine betonte im Besonderen, niemals etwas als „gelernt“ und damit abgeschlossen hinzunehmen. Somit wurde Michael Schade langjähriges und dankbares Mitglied der „Entdeckergemeinschaft“ Harnoncourts. Der andere (Muti) war wegweisend mit seiner unerbittlichen Genauigkeit und Probenstrenge. „Wie hat uns Maestro Muti zu einer perfekten Aussprache des Da Ponte-Textes gedrillt (und wehe, wenn dem nicht so war!), zu einem natürlichen, lyrischen Gesangsstil, der für Mozart erforderlich ist! Wieviel Wert legte er auf die Doppeldeutigkeiten des Librettos, auf die Spritzigkeit der Rezitative … und auf die Macht der Musik, die … die Licht- und Schattenseiten der Liebe hervorkehrt…“, so Schade im Programmheft.

Sehr viel von dieser Programmatik war zu spüren an diesem durchaus denkwürdigen Abend im prachtvollen (viel zu wenig für Aufführungen genützten) Schlosstheater Schönbrunn! Schade hatte allein in Wien etliche Aufführungen der Da Ponte-Opern „Don Giovanni“ und „Cosi“ (zumeist im Theater an der Wien) mit Riccardo Muti bestritten. Und diese wertvollen Erfahrungen gab er geradezu füllhornmäßig an den Sängernachwuchs weiter.

Wo beginnen? Bei der Ouvertüre! Die Bühne ist offen. Während Mozarts geniales Wunderwerk wirbelnd anhebt, suggerieren die 6 Protagonisten eine Art Probensituation, wie sie einem hektischen Theaterbetriebimmanent ist. Stühle werden hereingetragen, Notenständer, Noten, eine Truhe (aus der Guglielmos und Ferrandos Militärrucksäcke, das Schminkzeug für Fiordiligi und Dorabella und noch vieles andere verstaut ist),eine Leiter, 2 schwarze Würfel (sie sind z.B. die Felsen, auf denen Fiordiligi „Come scoglio“ singen wird. Links und rechts zwei Marmorquader, darauf Blumenschmuck. Aus. Das ist das Bühnenbild. Virtuos die vielen Kostümwechsel, die Verkleidungsszenen. Alles ganz einfach, aber höchst wirkungsvoll. Schade erzählt, er habe vieles „aus dem Fundus zusammengetragen“. Und es ereignet sich einen Abend lang Theatermagie!

Einer, der selbst ein Sing-Darsteller von Format ist, impft seinem jungen Ensemble (für vier Vorstellungen in Doppel- bis Dreifachbesetzung!) perfekten Ensemblegeist und große Spielfreude ein. Siehe da, „Cosi“ ist wieder eine Opera buffa samt turbulenter Komik, Lust an pointiertem Witz, mit ausgezeichneter Personenführung, spritzigen Rezitativen (auch Muti wäre vermutlich sehr zufrieden gewesen).Und es wird ausgiebig gelacht. Freilich: Komik und tiefer Ernst liegen wie immer bei Mozart musikalisch ganz nah beieinander. Die tiefen, echten Gefühle (und die Gefühlsverletzungen) und die vorgetäuschten Emotionen kommen beim größten Psychologen aller Komponisten in den Ensembles quasi gleichzeitig, wenn die handelnden Personen ihren unterschiedlichen Gedanken nachhängen. Dies alles bringt Schade wunderbar über die Rampe.

Man ist also an diesem Abend ganz nah bei Da Ponte, und noch etwas näher bei Mozart! Eine wertvolle Erfahrung für die Studierenden am Beginn einer Karriere. Das Orchester der mdw, die Webern Kammerphilharmonie, spielt höchst inspiriert und meistert auch die vielen heiklen Stellen der Partitur bemerkenswert souverän. Dirigent Vladimir Kiradjiev (seit 1989 lebt und arbeitet der gebürtige Bulgare in Wien) ist dem Orchester ein Sicherheit ausstrahlender Leiter und dem Ensemble ein aufmerksamer Begleiter, der goldrichtige Tempi anschlägt, niemals schleppt. Die Mitglieder der Chorschule der mdw hielten wacker mit. Die musikalische Einstudierungsarbeit lag in den bewährten Händen von Carlo Benedetto Cimeno, Luisella Germano und Brenda Rein, die szenische Assistenz bei Alexander Hauer. Auch ihnen gebührt wertschätzender Dank.

Der junge Nachwuchs zeigt durchwegs technisch gutes stimmliches Fundament und hat darüber hinaus von Schades eminenter Bühnenerfahrung und Stilkundigkeit zusätzlich profitiert.

Die Japanerin Momoko Nakajima bewältigt die Fiodiligi bravourös, meistert die schwierigen Arien mit den vielen vertrackten Intervallsprünge wie nichts und spielt die ernstere und auch zickigere  der beiden Schwestern mit subtiler Mimik und Körpersprache, auch sehr pointensicher im stummen Spiel. Ihr Sopran hat Potenzial, großen Stimmumfang. Ihre Laufbahn wird zu verfolgen sein.

Irena Weber, 28 Jahre alt, stammt aus Novi Sad, Serbien. Sie ist eine lebensfrohe, kokette Dorabella. Dunkler, samtiger Mezzo, der in der Höhe schön aufgeht und stimmlich mit der Bühnenschwester bestens harmoniert.

Der St. Pöltner Johannes Bamberger, Schüler von Rainer Trost und Florian Boesch, ist ab September 2018 Mitglied des „Jungen Ensembles des Theaters an der Wien“ und singt in dieser Saison alle einschlägigen Tenorrollen in der Kammeroper. Er hat einen schönen, stilsicheren Tenor, stellt den empfindsamen Ferrando auch mit komödiantischem Gusto auf die Bretter, wird kraft- und stimmkonditionsmäßig gewiss noch zulegen.

Der tschechische Bass-Bariton Lukáš Bařák singt den cholerischeren Guglielmo mit metallischer, kerniger Stimme sehr selbstbewusst. Er hat schon Bühnenerfahrung von Gastspielen in Prag (Nationaltheater) bis Dubai.

Die Zypriotin Theodora Raftis ist als Despina ein Temperamentsbündel. Sie begeistert mit quellfrischer Stimme, sprudelnden Koloraturen und einer facettenreichen Darstellung von „Despinetta“, „Kammerkätzchen“ und lebenserfahrener Haushälterin  in Sachen Liebesdingen und (Un)treue. Der sonst übliche Verkleidungsdottore mutiert bei ihr zu einer „Göttin in Weiß“ mit strenger Brille, eine Wunderdottoressa, die mit einem bohrerähnlichen Gerät aus dem Baumarkt (statt dem üblichen Magneten) die verkleideten Liebhaber vom vorgetäuschten Giftselbstmord „heilt“. Sie strahlt exzentrische Spielfreude und mediterranes Temperament   aus. Schließlich spielt das Stück ja in Neapel …

Schließlich der zynische Wettanbieter Stefan Hadžić, auch er schon mit Engagements z.B. in St. Margarethen (in „Rigoletto“) unterwegs. Da könnte ein sehr profunder Bass-Bariton heranwachsen.


Euphorie bei Michael Schade und allen Mitwirkenden und dem Produktionsteam!Copyright: Andrea Masek

Es wird mit Elan und Herzblut gearbeitet. Der Abend wurde mit ausdauernd starkem Applaus und Bravochören gefeiert, die gerecht auf alle 6 Protagonisten, den Dirigenten und das Orchester verteilt wurden. Jubel für den sichtlich euphorischen Michael Schade. Jetzt gilt es, für die Jungen, mit Elan weiter zu arbeiten, die nächsten Karrierschritte zu setzen in einer Zeit, in der der Konkurrenzdruck gewaltig ist.

Drei Aufführungen gibt es noch: Am 13./14./15.7., 1130 Wien, Schönbrunner Schlossstraße 43.  Empfehlung: Der Besuch lohnt sich und auch die Alternativbesetzungen verdienen sich ein volles Haus!

Karl Masek

 

 

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