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WIEN / Schauspielhaus: ZUR SCHÖNEN AUSSICHT

03.09.2014 | Theater

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Helmut Berger / Elfriede Schüsseleder Fotos: theaterpunkt

WIEN / Schauspielhaus:
ZUR SCHÖNEN AUSSICHT von Ödön von Horváth
Koproduktion THEATER.punkt Sabine Mitterecker
Théâtres de la Ville de Luxembourg Kasemattentheater
Premiere in Wien: 2. September 2014

„Zur schönen Aussicht“ ist eines der ganz frühen Stücke von Ödön von Horvath, entstanden 1926, zu seinen Lebzeiten nicht gespielt, und das ist einzusehen: Zwar finden sich da schon seine später so bekannt gewordenen Figuren und Motive, aber zu mühsam ringt er noch um das Handwerk, um Dramaturgie und Aussage gleicherweise. In Wien hat man die „Aussicht“ zwar gelegentlich gesehen, das Volkstheater spielte das Stück vor 20 Jahren, aber es kann sich mit der Dichte der Aufführungen, die etwa der „Wiener Wald“ oder „Kasimir“ erzielen, nicht im entferntesten messen.

Was die hoch gelobte und preisgekrönte Regisseurin Sabine Mitterecker am Stück gereizt hat, das sie nun in Eigenproduktion ihres THEATER.punkt (in Koproduktion mit Luxembourg) im Wiener Schauspielhaus zeigt, wird nicht völlig klar. Die ziellose Zwischenkriegsgesellschaft gescheiterter Existenzen hat zwar immer wieder Aspekte von überzeitlicher Gültigkeit (wie bei Horvath stets), ist aber in ihrer aussichtslosen Schäbigkeit doch in ihrem Zeitrahmen fixiert. Immerhin schuf Anne Neuser ein Bühnenbild aus Plastik, Flaschen, alten Sesseln, Kaufhaus-Sofa, das zumindest ein abgewohntes Ostblock-Hotel darstellen könnte.

In diesem Hotel, das seinen Namen „Zur schönen Aussicht“ wie Hohn trägt, hat der abgewrackte Besitzer (Personal: zwei schräge Typen, ein Krimineller, ein Heruntergekommener) nur einen Gast: eine offensichtlich noch betuchte Dame, die es sich leisten kann, mit ihrem Geld alle nach ihrer Pfeife tanzen zu lassen, die dies aber nur nach den Gesetzen irgendwelcher Theaterklischees mit wenig Aussagewert tut: Immerhin beeindruckend, wie Elfriede Schüsseleder mit Kraft und Impetus hier verzweifelte Leere auf die Bühne stellt.

Wo sie ist, hat das Geschehen auch Drive, bei den anderen Figuren gelingt das weniger, auch wenn die Regisseurin immer wieder einiges an kunstvoller, aber immer künstlich wirkender „Überdrehung“ leistet, um die Sache zeitgemäßer erscheinen zu lassen: Im Grunde interessiert hier auch nur der völlig desolate Bruder der Freifrau, gespielt von Helmut Berger – nicht Viscontis Ludwig II., sondern der andere, jüngere Berger, der hier differenziert die Studie eines Menschen bietet, der den Boden unter den Füßen verloren hat.

Im übrigen liefern Heinz Weixelbraun, Germain Wagner, Hannes Granzer und Jon Kiriac (der noch lernen muss, besser mit der Sprache zurecht zu kommen, wenn er beruflich auf der Bühne stehen will) nichts sonderlich Interessantes, aber das liegt weit weniger an ihnen als an den Rollen selbst.

Ein ganzes Dramatikerleben hindurch sollte Horvath irgendwelche jungen, tragischen Mädchen auf die Bühne schicken, die am bösen Zeitgeist zugrunde gehen. In diesem seinem Anfängerstück gibt er der jungen Dame nicht nur ein bisschen Geld (um Geld dreht sich alles, das überrascht nicht), sondern auch etwas an Entschlossenheit: Und Sophie Hutter macht klar, dass diese Christine nicht untergehen wird. Was einen freut, aber als Fazit für einen zweistündigen Theaterabend nicht allzu viel ist.

Der nachhaltige Beifall für Regisseurin und Darsteller zeigte allerdings, dass auch ein schwächelnder Horvath immer noch ein Publikum beeindrucken kann.

Renate Wagner

 

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