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WIEN / Scala: ROTE NASEN

04.05.2013 | Theater

WIEN / Scala:
ROTE NASEN von Peter Barnes
Premiere: 4. Mai 2013

Peter Barnes (1931- 2004) zählte in den sechziger bis achtziger Jahren zu jenen englischen Dramatikern, die die Bühnen dieser Welt mit einer Reihe sehr guter Gebrauchsstücke versorgten, abgesehen davon, dass er später noch als Drehbuchautor sehr erfolgreich war. Im Gegensatz zu Kollegen wie Harold Pinter oder John Osborne, die sich in die Gegenwart verbissen, suchte und fand Barnes (wie auch Tom Stoppard gelegentlich) im Historiendrama die politische Parabel für die Gegenwart. „Rote Nasen“ von 1978 (Entstehung) / 1985 (Uraufführung) funktioniert als Stück auf vielen Ebenen, macht aber nun im Theater Scala nicht uneingeschränkt glücklich.

Ort der Handlung: Südfrankreich in der Mitte des 14. Jahrhunderts. Barnes hat dem „schwarzen Tod“ als (nicht historische) Idee die „roten Nasen“ entgegengesetzt (an die wir heutzutage nur in Zusammenhang mit den Klinik-Clowns denken): Dass hier Vater Flote versucht zur allgemeinen Mißbilligung, das Grauen mit dem Lachen zu bekämpfen und dazu eine Handvoll Mitstreiter gewinnt, mit denen er durch die Lande zieht, ist nur ein Element des Stücks (wobei ja auch Umberto Eco in seinem Roman „Der Name der Rose“ von 1980 die Idee vertritt, wie sehr die Idee des Lachens der Ideologie der katholischen Kirche entgegengesetzt ist). Barnes vertritt auch die oft vertretene Meinung, dass schwere Zeiten möglicherweise „bessere“ Zeiten sind, einfach weil die Menschen enger zusammen rücken – denn nach der Pest ist der von der Kirche wieder etablierte Alltag, den er schildert, um einiges schrecklicher und grausamer als die Krankheit zuvor…

Problematisch erweist sich an der Aufführung in der Scala die Überlänge des Abends mit dreieinviertel Stunden, wobei die Pause erst nach eindreiviertel Stunden stattfindet (worauf, um die Wahrheit zu sagen, danach viele Sitze leer blieben). Barnes bietet weit mehr „Milieu“ als faktische Handlung – die „roten Nasen“ finden sich zusammen, wobei der Autor die einzelnen Mitglieder sehr schön profiliert, führen ein paar Theaterstücke auf, darunter einen heiteren „Jedermann“ (wobei der Tod wie beim „Brandner Kaspar“ beim Würfelspiel gegen sein Opfer verliert, großes fröhliches Hallo darüber), und werden nach der Pest wie alle „Unruhestifter“ von der Kirche gnadenlos eliminiert.

Das trägt nicht unbedingt einen so langen Abend, den Regisseur Bruno Max (sonst ein „Zupacker“) über Gebühr zelebriert. Und wohl auch „zu brav“ spielen lässt – vielleicht könnten sowohl die Schauerszenen von Sterben und Tod wie auch der lachende „Widerstand“ schärfer, exzessiver profiliert werden.

Die stärkste Leistung des Abends kommt zweifellos von Jörg Stelling als (fiktiver) Papst Clemens VI., weil er die „politische Dimension“ der Geschichte (auch dank seiner eis-klaren Sprache) durchleuchtet und dabei (gnadenlos in gelassen „heilig“-würdiger Attitüde) den Zwiespalt zwischen kaltem Pragmatismus und Resten von Religiosität im Inneren dieses Mannes doch ahnen lässt. Eine wahre gute Seele mit überströmender Humanitas ist Leopold Selinger als Vater Flote, aber Randolf Destaller als Vater Toulon, der vom sturen Kirchenknecht zum kämpferisch-anteilnehmenden Mitmenschen wird, wirkt als Figur natürlich interessanter.

Aus der Masse der 18 Darsteller ragen noch Michael Reiter heraus, der aus einem stummen Narren immer wieder amüsante und berührende Wirkung holt, Ronald Seboth und Christian Kainradl als Variationen von Soldatencharakteren, Daniela Streubel im Gewand eines intriganten Erzbischofs (dafür werden Frauenrollen von Männern gespielt).

Das aufopfernde Ensemble erhielt vom verbliebenen Teil der Zuschauer volle Anerkennung für ihre Leistungen.

Renate Wagner

 

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