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WIEN/ Ronacher: BODYGUARD – DAS MUSICAL. Premiere

Mit britischer Lizenz eingekauft

28.09.2018 | Operette/Musical

Bildergebnis für ronacher bodyguard
Copyright: Vereinigte Bühnen

Wiener Ronacher, 27.9.2018: „BODYGUARD – DAS MUSICAL“ – mit britischer Lizenz eingekauft

Das Musical-Business in Europa hat es zur Zeit schwer, schwer, schwer: Es fehlt an neuen guten Stücken, es fehlt an aktuellen Hits (anders gesagt: an qualitätsvoller neuer Unterhaltungsmusik). Der breite Publikumsgeschmack ist so in Richtung Helene Fischer gedriftet. Und um eine größere Publikumsschicht anzusprechen setzen sich die Geschäftsleute der Branche hin, um an Storys herum zu basteln, mit denen sie eventuell ihren Markt bedienen können.

Die Vereinigten Bühnen der Stadt Wien haben nun am Londoner West End eingekauft, um das Ronacher für diese Saison mit Besuchern zu füllen. Britischer Lizenzgeber: die BB Group GMBH. Und so nennt sich unser nach Österreich importiertes Produkt für diese Saison modegerecht „Bodyguard – das Musical“. Kein wirklich so echtes Musical, sondern eine einigermaßen skurril zusammengesetzte Show mit den unterschiedlichsten Ingredienzien aus den verschiedensten Baujahren. Und da jetzt in der Gastronomie alle kulinarische Zutaten deklariert werden müssen, versuchen wir dies auch hier im Business.

Also, die älteste der Musiknummern, das Kirchenlied „Jesus Loves Me“, stammt aus dem Jahr 1860. Der neueste der Songs wurde 2009 komponiert: „Million Dollar Bill“. Garantie: alle anderen der hier vorgetragenen Hits – „I Will Always Love You“, „So Emotional“ oder „One Moment In Time“ oder wie auch immer – sind Qualitätsprodukte. Die Klammer für dieses Potpourri ist die 2012 früh verstorbene Poplegende Whitney Houston. Sie hatte diese Songs in ihrem Repertoire. Und mit der 29jährigen in der Hauptrolle (Partner: Kevin Costner) und ihrem Soundtrack-Gesang wurde 1992 der Film „Bodyguard“ gedreht. 

Weiter, aus jüngeren Tagen: Englische Produktionsfirmen haben nun aus dieser Story eine wohl sehr unterschiedlich geglückte Show geformt. Und sie können diese auch international verkaufen. Damit sind wir nach kurzem Überflug im Wiener Ronacher gelandet. Der Titel „Bodyguard“ verrät: Das muss doch ein Krimi sein! Beworben als ‚Romantic Thriller‘. Im zweiten Teil, wenn der psychopathische Stalker, der als Phantom den Gesangsstar Rachel Marron verfolgt, auch tödlich zuschlägt, kommt schon auch ein kleines Schaudern und bisschen Spannung in der zerrissenen Erzählung auf. Vor der Pause aber, so eine Mischung aus Schlagerrevue und belanglosem Geplapper, wird das Publikum nicht so richtig warm. Aber doch, wie die Berlinerin Patricia Meeden in der Hauptrolle die Whitney Houston-Songs so überzeugend mit Leib und Seele herausbrüllt, das hat schon Klasse. Und die Nummer zwei im Schlagerreigen, Ana Milva Gomes aus Holland, ist auch nicht schlecht mit ihrer kehligen wie hingebungsvollen Ausdrucksstärke. Zwar nett, doch blass bleibt dagegen Jo Weil in der farblosen Rolle des Bodyguard, der die Lady und deren munteres Kind beschützen soll – und, claro, der Liebe ausgesetzt ist. Immerhin, alles Sentimentale wird hier unsentimental abgehandelt.

„Bodyguard“ ist eine artifizielle, von den Londoner Musical-Profis (deren Namen: hier wohl unerheblich) optisch perfekt gemachte Show. Lautstark dröhnend, in keinster Weise tiefsinnig, durchsetzt mit wirbeligen Tanznummern, in denen die überwiegend aus England engagierten Tänzer von der Choreographin Karen Bruce gleichsam in ein Perpetuum mobile hineingeworfen scheinen und in famoser ungemein dynamischer Mode-Manier herumhüpfen und posieren. Somit: Das Publikum darf nach dem schließlich doch fulminanten Schlagerfolge-Finish (am Premierenabend jedenfalls) jubeln. Und wer nach anspruchsvollerer Kultur Ausschau hält ….

Meinhard Rüdenauer

 

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