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WIEN / Raimundtheater: MAMMA MIA!

20.03.2014 | Oper

Abba MM_Plakat

WIEN / Raimundtheater:
MAMMA MIA! von Benny Andersson und Björn Ulvaeus
Premiere: 19. März 2014

Die Musical-Häuser der Vereinigten Bühnen Wien rudern nach einigen Missgriffen um ihr Überleben. Falls es im Ronacher mit der relativ neuen „Alten Dame“ nicht gelingt, so setzt man im Raimundtheater nun auf bereits weltweit Bewährtes. „Mamma Mia!“ gilt als Musical, sogar als erstrangige Erfolgsgeschichte eines solchen, obwohl es nicht viel mehr ist als eine Nummern-Revue von Hits von Abba.

Die männliche Mitglieder des Quartetts, Benny Andersson und Björn Ulvaeus, haben nach Trennung dieser weltberühmten schwedischen Gruppe, die nur von 1972 bis 1982 existierte, eingewilligt, knapp 20 Hits für das simple Buch zur Verfügung zu stellen, das Catherine Johnson schrieb. (Im Grunde derselbe Vorgang wie bei „Ich war noch niemals in New York“, als Gabriel Barylli die Udo-Jürgens-Schlager zu einer Handlung „zusammenklebte“.)

Seit der Uraufführung von „Mamma Mia“ 1999 in London gab es Premieren buchstäblich in der ganzen Welt, man drehte den hinreißenden Film mit Meryl Streep 2008 – und nun hat Wien das ganze Produkt gekauft, inklusive der Regisseurin Phyllida Lloyd, die schon Uraufführung und Film inszeniert hat, und der Choreographie von Anthony van Laast. Es ging nur darum, das Bewährte nun in Wien mit einer hier neuen Mannschaft in deutscher Sprache adäquat über die Bühne zu schicken – und da dies ohne Abstriche gelungen ist, fiel der Erfolg auch entsprechend aus. Hier sind Zweifel – wie bei der Dürrenmatt-Adaption – wohl kaum angebracht.

„Mamma Mia!“ ist an sich eine übersimple Geschichte, die sich aus der Distanz der Jahrtausendwende über eine Art Hippie-Welt und –Mentalität von einst lustig macht. Das Ambiente einer Hochzeit auf einer griechischen Insel ist nicht nur ausreichend romantisch, sondern auch in der Ausstattung (Mark Thompson) billig genug – es braucht nicht mehr als ein paar helle Wände (die schlichten Häuserfassaden), die man nach Bedarf verschiebt, und einige grelle Kostüme. Die Musik kommt, elektronisch verstärkt, jedenfalls nicht aus dem Orchestergraben (das heißt dann Sound Design: Bobby Aitken, Andrew Bruce), und so geht es nur darum, wie Regie und Choreographie das Ensemble „anheizen“. Perfekt, man kann’s nicht anders sagen.

Ob man die Abba-Songs aus der Distanz von mehr als 30 Jahren noch so toll findet, ist wohl Geschmackssache – beherrschendes Element ist die zugrunde gelegte, harte Rhythmik, darüber einigermaßen eingängige Melodien, teils mitreißend schnell, teils romantisch sentimental. Leider nimmt die deutsche Übersetzung (Michael Kunze) manchem berühmten Schlager seinen Biss. Kurz, von der Qualität des Inhalts und, ehrlich gesagt, auch der Musik hat man kein Hochleistungsprodukt vor sich.

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Copyright VBW Brinkhoff Mögenburg

Aber die Machart, Kompliment! Auch wenn es mit wenigen Ausnahmen eine Orgie der dröhnendsten Lautstärke ist (jeder brüllt, und das noch in die Kopfmikrophone, die Musik setzt noch alles drauf) und die „gespielten“ Szenen so kurz wie möglich gehalten sind, um gleich wieder in den nächsten Song überzugehen, beherrscht doch eine Besetzung die Bühne, die alles kann, was sie soll. Und das Publikum ist zur stillschweigenden Übereinkunft bereit, dass Theatergesetze nicht der Logik gehorchen müssen – eine blendend „weiße“ Tochter einer entschieden farbigen Mama? Was soll’s.

Zumal, wenn die Mama Ana Milva Gomes ist, die ja schon das „Sister Act“-Musical halbwegs erträglich gemacht hat. In der zentralen Rolle der Donna – einstiges Hippie-Mädchen mit einem lebenslangen Hang zur totalen Selbständigkeit – ist sie scharfzüngig zum Personal und zu anzüglichen Männern, liebevoll zur Tochter, zurück in kreischende Jugendjahre, wenn die gleichaltrigen Freundinnen auftauchen. Dazu hat sie die „Röhre“ für ihre Rolle und ein darstellerisches Talent, das sich in großer Genauigkeit seinen Pointen nähert.

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v.l.n.r.: Susa Meyer, Ana Milva Gomes, Jacqueline Braun
Copyright VBW Brinkhoff Mögenburg

Zusammen mit den Freundinnen bildet sie ein vergnügliches Trio, wobei allerdings nicht die mollige Rosie der Jacqueline Braun, sondern die phantastisch schlanke und ebenso phantastisch aussehende Susa Meyer den Vogel abschießt: Ihre gnadenlose Selbstironie, ihre perfekten Gesangs-, Tanz- und Darstellungskünste zeigen, dass sie in ihrem Stammhaus, dem Volkstheater, in neun von zehn Fällen unterfordert ist. Erstaunlich, was sie kann, gut, dass sie es ungehemmt zeigen darf.

Zur Hochzeit von Donnas Tochter reisen die drei Männer an, die alle ihre Väter sein könnten. Mit der Luxusbesetzung des Kinos (Pierce Brosnan, Colin Firth, Stellan Skarsgård) kommen Boris Pfeifer, Ramin Dustdar und Martin Muliar ehrlich gestanden nicht annähernd mit, aber auf der Höhe ihrer Aufgaben sind sie allemale. So wie das junge Paar, das für die Sentimentalität zuständig ist: Madeleine Lauw und Andreas Wanasek. Einige seiner Kumpel treiben ihre Tanzkünste so weit, dass sie in der Akrobatik landen, und überhaupt ist die immer vorwärts treibende Choreographie eines der Glanzstücke des immer schnellen Abends.

Dass er am Ende mit den unermüdlichen Draufgaben und dem Stakkato-Klatschen eines wie wild gewordenen Publikums an die drei Stunden gedauert hat, wurde selten als zu lang empfunden. Es ist mit Sicherheit das lauteste Spektakel, das man derzeit auf einer Wiener Bühne erleben kann. Mit Sicherheit auch jenes mit der nachdrücklichsten Power. Ein Urschrei der Begeisterung erklang aus dem Zuschauerraum – die Machart hat’s gemacht.

Renate Wagner

 

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