Großer Erfolg für die polnische Sopranistin Violetta Kowal, am Klavier Carol Morgan (Foto: Adam Nietrzebka)
Liederabend in der Krypta der Peterskirche: Violetta Kowal: „Ins Licht“ (Vorstellung: 8. 7. 2020)
Am 8. Juli 2020 gab die polnische Sopranistin Violetta Kowal in der Krypta der Wiener Peterskirche jenen Liederabend, der im Zuge der Corona-Krise am 27. Mai abgesagt werden musste. Er stand wieder unter dem Motto „Ins Licht“, wobei dieses Mal die österreichische Komponistin Maria Theresia Paradis aus der Vergessenheit ins Licht der Öffentlichkeit geholt wurde.
Maria Theresia Paradis (1759 – 1821), die mit vier Jahren erblindete, studierte in Wien unter anderem bei Koželuch und Salieri Gesang, Klavier und Kompositionslehre. Sie galt als herausragende Persönlichkeit der Wiener Musikwelt und spielte vor den Monarchen Europas. Maria Theresia gewährte ihr ein Stipendium von jährlich 200 Gulden. Von Mozart weiß man, dass er sich für ihre Kompositionen interessierte und sie zu größerem Selbstvertrauen ermunterte. Paradis, die 1808 eine Musikschule für junge Frauen gründete, komponierte auch einige Opern, die in Wien und in Prag uraufgeführt wurden. In Wien-Döbling wurde sogar eine Gasse nach ihr benannt!
Maria Theresia Paradis hatte auf ihrer Konzertreise quer durch Europa (1784 – 86) zwölf Lieder komponiert, von denen Violetta Kowal vier mit inniger, warmer Stimme zum Besten gab: Der Auferstehungsmorgen, Das Gärtnerliedchen aus dem ‚Siegwart‘, Morgenlied eines armen Mannes und Vaterlandslied.
Danach spielte die britische Pianistin Carol Morgan, die der polnischen Sopranistin eine sehr einfühlsame Begleiterin war, von Joseph Haydn (1732 – 1809) das Klavierstück Andante mit Variationen f-Moll.
Mit einer besonderen Delikatesse setzte Violetta Kowal ihr Konzert fort: Sie brachte sechs französische Chansons aus dem Jahr 1929 von Germaine Tailleferre (1892 – 1983), deren Themen sich mit romantischen oder ehelichen Problemen von Frauen befassen. Diese Melodien gelten als das feministischste Werk der französischen Komponistin. Violetta Kowal sang diese Chansons auf köstlich humorvolle Art und Weise, wobei sie sowohl in der Mimik wie in der Gestik brillant agierte: Non, la fidélité (Nein, Treue war niemals alles andere als Dummheit), Souvent un air de vérité (Oft ein Hauch von Wahrheit kann in der gröbsten Lüge gefunden werden), Mon mari m’a diffamèe (Mein Mann hat mich diffarmiert… Hey, mein Liebster! Trotz dass mein Mann mich schlägt, werde ich mich noch schlechter als zuvor benehmen.) Vrai Dieu, qui m’y confortera (Wahrer Gott, wer tröstet mich, wenn dieser eifersüchtige Mann mich allein in seinem Schlafzimmer eingesperrt hat?) On a dit mal de mon ami (Sie sprachen schlecht über meinen Geliebten und das hat mein Herz gequält… Auch wenn alle wütend werden, ich schlafe mit ihm!) Les trois présents (Drei Geschenke… ich biete dir drei Geschenke an, damit du Eines auswählen kannst. Hier sind sie: Guten Tag, guten Abend und gute Nacht…)
Nach diesen großteils sehr witzigen Chansons wurde der Liederabend mit Arnold Schönberg (1874 – 1951) „erhabener“. Er komponierte in den Jahren 1899 bis 1900 Vier Lieder für eine Singstimme und Klavier op. 2. Violetta Kowal forcierte dabei mühelos ihren Sopran: Erwartung, Schenk mir einen goldenen Kamm (Jesus bettelt), Erhebung und Waldsonne.
Es folgte von der Pianistin Carol Morgan das Klaviersolo Ballade H-Dur op. 10 /4 aus dem Jahr 1854 von Johannes Brahms (1833 – 1897), der 1863 die Singakademie in Wien übernahm, wo der Komponist auch seinen Lebensabend verbrachte.
Am Schluss des Kryptakonzerts viel Beifall für die Sopranistin Violetta Kowal (rechts) und für die Pianistin Carol Morgan (Foto: Adam Nietrzebka)
Zum Schluss des Liederabends bewies Violetta Kowal ihre große stimmliche Wandlungsfähigkeit, als sie des 150. Geburtstags von Franz Lehàr (1870 – 1948) gedachte und mehrere „Kunstlieder“ von ihm darbot, die nicht aus Operetten des Komponisten stammen: Ce soir, la chambre est vide (Heute Abend, das Zimmer ist leer), La chanson d’Angélica – Les Compagnons d’Ulysse, Geträumt, Ami elmúlt (Die Vergangenheit), Sári.
Bei all diesen Liedern gelang es der Sopranistin, mit ihrer Stimme die „Leichtigkeit“ des Operettenklangs und mit ihrer Gestik die ungarische Lebendigkeit wiederzugeben.
Der lang anhaltende Beifall des Publikums animierte die polnische Sopranistin noch zu zwei Zugaben mit Liedern von Franz Lehár: Am Bache im Gras (aus dem Zyklus Die Liebe zog vorüber) und Die Näherin. Man muss Violetta Kowal zur Vielschichtigkeit des Programms und zur hohen Qualität des Konzerts gratulieren.
Udo Pacolt
PS: Das nächste Konzert von Violetta Kowal mit der Pianistin Carol Morgan unter dem Motto „Ins Licht“ ist am 22. 9. 2020 um 19:30 Uhr in der Krypta der Wiener Peterskirche geplant.