WIEN/ Odeon: EVA DUDA DANCE COMPANY mit „FRIDA“
Die „EVA DUDA DANCE COMPANY“ der vielseitigen ungarischen Künstlerin Eva Duda, sie macht Theater, Performances, Opern, Musicals, zeitgenössischen Tanz und ist Umwelt- und Menschenrechts-Aktivistin, ist nun im Rahmen einer groß angelegten internationalen Tournee, mit der sie ihr 15-jähriges Bestehen feiert, für zwei ausverkaufte Abende im Wiener Odeon zu Gast gewesen. In ihrem bejubelten Stück „FRIDA – the muse of life“ entführen sie in Leben und Werk der bekanntesten mexikanischen Malerin Frida Kahlo.
Es sind weder die Lebensgeschichte der ikonografischen Malerin noch eine Werkschau auf der Bühne zu erleben. Die verletzungsbedingt nicht anwesende Eva Duda fokussierte sich in diesem 2022 entstandenen Tanzstück auf markante Wegstücke des wechselvollen und auch tragischen Lebens der Kahlo und deren damit einhergehende künstlerische Entwicklung. Duda komponierte wunderschöne, metaphorisch geladene, poetische, sinnliche und gefühlvolle Bilder aus Licht (József Pető), Tanz, Kostümen (Kató Huszár, Julcsi Kiss), Objekten (Bühnenbild: Eva Duda), Musik/Sound (Izsák Farkas, Tibor Molnár) und Video-Animationen (Gábor Karcis, Mátyás Fekete), verschränkt mit veränderlichen Ausschnitten von Werken der Frida Kahlo.
Eva Duda FRIDA (c) Tamas Leko
In mehreren auf der rückwärtigen Leinwand angekündigten, von Blackouts voneinander getrennten Kapiteln tauchen die elf TänzerInnen der Company tief ein in das Innere ihrer Titelheldin und ihres Lebens. In roten, individuell gestalteten Kostümen tanzt das Ensemble etwas wie die Vorstellung des sozialen und kulturellen Umfeldes der Frida Kahlo. Latino-Rhythmen, geschlechtsspezifische Rollenzuschreibungen und ein diese bedienendes intensives Leben. Doch eine, Frida, bleibt liegen.
Kinderlähmung mit sechs, sie behielt ein kürzeres Bein zurück, und ein Busunglück mit 18 Jahren, bei dem sich eine Stahlstange durch ihr Becken bohrte und sie schwer verletzte, was sie fürderhin zu einem immer wieder bettlägerigen Leben zwang, führten sie zur Malerei. „Broken Body“ beschreibt ihre physischen und psychischen Leiden in einer kalten, von weiß gekleideten Menschen um sie herum geprägten Umgebung. Entkleidet, in ein Korsett gezwängt und steif geworden wie ein Brett, unfähig zu handeln und zu eigenen Entscheidungen, wird sie im Spital herumgetragen und abgestellt. Die Musik dazu: Georg Friedrich Händels bereits 1705 komponierte, jedoch erst 1711 mit seiner Oper „Rinaldo“ uraufgeführte Arie „Lascia ch’io pianga“. Lass‘ mich beweinen mein grausames Schicksal und beseufzen die verlorene Freiheit. Hinten erste Selbstbildnisse. Mühevoll richtet sie sich auf. Selbstermächtigung.
Eva Duda FRIDA (c) Tamas Leko
Mit 22 heiratete sie den fast 21 Jahre älteren, damals schon weltweit berühmten Maler „Diego“ Rivera. Das ambivalente Verhältnis zu ihm tanzen Frida und Diego in einem Duett. Sie reißt ihn aus einer tiefen Versunkenheit, er hat seine Hand oft würgend an ihrem Hals. Liebe und Unterwerfung, Machtkämpfe und Umkehr der Dominanz, Leidenschaft und Erotik. Von Diego, der ihr häufig untreu war, ließ sie sich zehn Jahre später scheiden, um ihn ein Jahr danach wieder zu heiraten.
Vögel zwitschern. „Full of Love“. Das Ensemble tanzt in Gruppen- und Paar-Tänzen Leidenschaft, Begehren und Sehnsucht. Kahlo hatte mehrere Affären in ihrem Leben, so zu Leo Trotzki, auch Frauen waren darunter. Als hätte sie geträumt bleibt sie allein zurück. Riesige Sombreros, blaue Kostüme und Frida und Diego als Hochzeitspaar. In „Wedding“ sprüht die Lebensfreude. Diego geht am Ende fremd.
Eva Duda FRIDA (c) Tamas Leko
Ihre Verzweiflung ob ihrer durch die Verletzung verursachte Kinderlosigkeit tanzt Frida in einem weißen Nachthemd. Viele Kerzen auf einem Altar, Sehnsüchte und der würgende Schmerz. Hinten ein doppeltes Selbstbildnis. Die Spaltung der Persönlichkeit als Ausweg aus der Unerträglichkeit des Leides. Und ihr Kopf auf einem Reh im Wald. Den ihr zugeschriebenen Surrealismus lehnte sie selbst stets ab. Auf der Leinwand regnet es Haarlocken. Sie erscheint mit kurzem Haar.
„Carneval“. Zu Maurice Ravels „Boléro“ tanzt die Company ineinander fließende Soli und Duette in von Totenmasken und Schwarz dominierten Kostümen. Jeder Einzelne erhält Gelegenheit, seine/ihre tänzerische Meisterschaft und Ausdrucksstärke zu zeigen. Zwei Frauen spiegeln sich, tanzen die Lüsternheit des Todes. 18 Mal wird das immer gleiche musikalische Thema in wechselnder Instrumentierung wiederholt. Das stetige Crescendo der Musik führt schließlich in einen hoch dramatischen, aufwühlenden Ensemble-Tanz, der den unwiderstehlich nahenden Tod der Kahlo mit ständig steigendem Energieniveau inszeniert. Das emotionale Highlight dieses Stückes.
Eva Duda FRIDA (c) Tamas Leko
„Farewell“, der finale Part, ist angelegt wie der im Sterbeprozess ablaufende Lebensfilm. Frida und Diego dampfen wie Geister aus ihren schwarzen Mänteln. Ihr Duett taucht noch einmal ein in ihre so komplexe wie komplizierte Beziehung mit der ganzen Bandbreite an Emotionen. Liebe, Schmerz, Begehren, Ablehnung, Verletzung, Unverständnis, Tragik. Umgekleidet in blaue Bluse und bunten Rock, auf der Leinwand hinter ihr ein Selbstbildnis mit dem Tod, steht sie als stolze Mexikanerin im Spot.
Die EVA DUDA DANCE COMPANY zeigt in diesem Gastspiel ihre einzigartige Klasse, ebenbürtig mit den Großen der internationalen zeitgenössischen Tanz-Szene. Die Ehrlichkeit ihrer Performance ist berührend. Die Ganzheit aus dem Tanz der exzellenten und doch so bescheidenen Mitglieder der Company, der großartigen Choreografie, dem feinfühlig gesetzten Licht, der die emotionale Wirkung des Stückes wesentlich unterstützenden Musik und der Video-Installation begeistert.
Eva Duda FRIDA (c) Eva Duda Dance Company
Durch ihre Rolle als Frida herausgehoben, erhält insbesondere die gebürtige Italienerin Eleonora Accalai viel Gelegenheit, ihr tänzerisches und darstellerisches Können zu zeigen. Den Part des Diego, Frida Kahlos deutlich älteren Liebhabers, zweimaligen Ehemannes, Gönners und Seelen-Peinigers, meistert Tibor Kováts souverän. Wie aus einem Traum erwacht man am Ende. Man kehrt zurück aus einer exotischen Welt, in der doch die selben Gesetze zu wirken scheinen wie in der unseren.
Die Situation der ungarischen KünstlerInnen ist äußerst schwierig. Die Orban-Regierung stellt nur einen Bruchteil der für den Kunstbetrieb benötigten Mittel zur Verfügung, kritische Stimmen (nicht nur) aus der Kunst werden diskriminiert und verfolgt. Vor diesem Hintergrund erhält „FRIDA“ eine weitere, vielleicht die wesentlichste, aktuellste Ebene hinzu. Mit diesem Stück beschreibt Eva Duda gleichnishaft auch das Schicksal der ungarischen Kunstschaffenden in ihrem komplexen Verhältnis zu ihrem Land und seiner reichen Kultur und ihren Kampf um ihr künstlerisches und persönliches Überleben.
EVA DUDA DANCE COMPANY mit „Frida“ am 04.11.2024 im Wiener Odeon.
Rando Hannemann
Gesendet: Samstag, 9. November 2024 um 05:50
An: „‚Rando Hannemann'“ <rando.hannemann@gmx.at>
Betreff: AW: AW: 20241104 Odeon Eva Duda Frida
Wenn es nur bei Ihren Mails passiert, liegt es vermutlich nicht bei mir. Aber bitte, Sie können es sich anschauen.
Warum hat es in der Vorwoche geklappt? Warum senden Sie nicht den Text als Word und die Fotos extra? Warum muss es ein Anhang sein?
Gruß Cupak
Von: Rando Hannemann <rando.hannemann@gmx.at>