WIEN / Oberes Belvedere:
LOVIS CORINTH
Das Leben, ein Fest!
Vom 18. Juni 2021 bis zum 3. Oktober 2021
Im Rausch der Farben und Formen
Alle Fotos: © Belvedere, Wien, Johannes Stoll
Seine Bilder kommen kraftvoll, herausfordernd, „expressiv“ auf den Betrachter zu, ohne dass man ihn einen „Expressionisten“ nennen könnte: Lovis Corinth ((1858 – 1925)). dem das Belvedere nun eine Großausstellung widmet, die – ebenso wie der parallele Waldmüller und der parallele Klimt – hoffentlich Besucherscharen, Einheimische und Touristen, in hoher Zahl anziehen soll. Dazu lädt auch der Titel ein: „Das Leben ein Fest“ heißt es, was sich auch auf das Leben des Künstlers bezieht und nicht in allen Werken nachvollzogen werden kann. Dennoch, betrachtet man etwa den „Tanzender Derwisch“ von 1904, da scheint schon pure Lebenslust aus dem Bild zu hüpfen. Nach Wien wird die Ausstellung in Saarbrücken zu sehen sein, die Häuser haben ihre Bestände zu einer großen Schau zusammen gelegt.
Von Renate Wagner
Lovis Corinth Er hieß eigentlich „Louis“, woher das „Lovis“ kam, kann auch Kurator Alexander Klee nicht zweifelsfrei klären. Wollte Corinth, der sich in einer reichen Künstlerszene perfekt selbst inszenierte, sich damit interessant machen? Oder schloß er sich Franz von Stuck an, der damals begann, das „U“ auf römische Art als „V“ zu schreiben? Wie dem auch sei – als Lovis Corinth wurde er berühmt. Geboren am 21. Juli 1858 in Tapiau in Ostpreußen, kam er aus einer Gerberfamilie, war also früh mit dem Töten und Häuten von Tieren vertraut. Das mag erklären, warum er zu den (wenigen) Künstlern zählt, die immer wieder „Schlachthausbilder“ malten – auch diese, nach Meinung des Kurators, in die Lebenslust einzuordnen, die Sinnlichkeit des Blutes beschwörend. Corinth wuchs in Königsberg auf, begann dort das Studium der Malerei, zog mit 22 Jahren nach München und schloß sich nach Umwegen dort der Secession an. Auch als er nach Berlin kam, bewegte er sich (auch in führenden Funktionen) in diesen Kreisen, ohne dass man ihn künstlerisch je als Secessionisten hätte bezeichnen können. Ebenso verweigert sich sein ganz individuelles Werk den anderen „-ismen“ der Kunstgeschichte. Wichtig ist, dass er sich in technischer Meisterschaft auf alte Meister (Rembrandt oder Hals, von dem er sagte: „Der malt wie ich“) bezog.
Auch mit Gattin Charlotte (sie bekamen zwei Kinder), die Schülerin in seiner Malschule gewesen war, bewegte er sich aktiv und feiernd in Künstlerkreisen. Charlotte spielte im Leben ihres Mannes eine überaus wichtige Rolle, besonders in den Jahren nach seinem Schlaganfall.
Einerseits durchaus anerkannt, andererseits doch immer mit finanziellen Problemen kämpfend, verdiente er am ehesten mit seinen Porträts Geld, obwohl sie keinesfalls von der Art waren, die dem Dargestellten geschmeichelt hätte. Vielmehr suchte Corinth nach einer Art von tiefenpsychologischem Ansatz.
Im Dezember 1911 erlitt er einen schweren Schlaganfall und war lange Zeit halbseitig gelähmt. Die danach entstandenen Bilder erklärten die Nazis, die er nicht mehr erlebte (er starb am 17. Juli 1925,´in Zandvoort in den Niederlanden) für „entartet“ – tatsächlich kann man in den Werken, die Corinth weiter wie fieberhaft malte, auch eine faszinierende Krankengeschichte sehen. In der Pressekonferenz wurde mehrfach der Begriff „Sprung in die Moderne“ zitiert. Ohne sich als Expressionist zu gerieren, galt sein Werk als Beispiel einer kontinuierlichen Fortentwicklung, im Kampf gegen Körper und Geist (er litt unter schweren Depressionen).
Rausch der Farbe, Rausch der Bewegung Die Wiener Ausstellung bietet nun von allem etwas – zu den schönsten Bildern zählt wohl die „Dame am Goldfischbassin“ von 1911, die seine Gattin Charlotte in einem gestreiften Kleid in ihrer Berliner Wohnung zeigt. Ungeachtet der vielen Einzelheiten, die er sorglich ausführte, brauchte er für das Bild nur vier Tage. Die Besitztümer des Belvederes und die Leihgaben geben einen Überblick über die thematische Vielfalt des Künstlers – er malte ebenso rücksichtslos geschlachtete Tiere wie elegante Frauenporträts, sein meisterlicher „liegender Akt“ spottet jeder Konvention der Schönheit und althergebrachter Positionen, Antikisierendes und fast schon abstrakte, geradezu bedrohliche Landschaften schließen einander nicht aus. Vielfach spricht ganz einfach Gewalt aus diesen Bildern.
Corinth und Wien Einmal war Lovis Corinth verbürgt in Wien, 1909. als drei seiner Gemälde in der großen Kunstschau gezeigt wurden. Damals ging er übrigens auch in das berühmte Atelier von Madame d’Ora und ließ sich fotografieren. Über Beziehungen zu Wiener Künstlern ist nichts bekannt, aber wenn Klaus Albrecht Schröder meinte, starken Einfluß von Corinth etwa auf Richard Gerstl festzustellen, kann man das gut nachvollziehen.
Bedeutend ist, dass man in Wien schon zu Lebzeiten von Corinth begann, seine Werke oft noch aus dem Atelier heraus zu kaufen (wodurch sich keine Provenienz-Probleme ergeben).
Als das Belvedere 2009 seine Corinth-Bestände zeigte, würdigte die damalige Direktorin Agnes Husslein ihre Vorgänger, die einen unerschütterlichen Blick für die Qualitäten der Moderne hatten. Franz Martin, bis 1938 tätig, und Bruno Grimschitz, während der Kriegsjahre im Amt, haben Corinth – damals ein moderner Zeitgenosse – nicht nur erworben /darunter das alles andere als „schöne“ Porträt von Herbert Eulenberg aus dem Jahre 1924), sondern seine Werke auch gegen alle Auflagen des Regimes geschützt, als er künstlerisch nicht mehr genehm war. Das ist als große Leistung anzusehen – abgesehen davon, dass diese Direktoren noch über Mittel zu Ankäufen verfügten, von denen das Belvedere heute wohl nicht einmal träumen könnte.
Oberes Belvedere
Lovis Corinth Das Leben, ein Fest!
18.Juni 2021 – 3. Oktober 2021
Täglich außer Montag 10 bis 18 Uhr