Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

WIEN/ Neue Oper: DAS GESICHT IM SPIEGEL von Jörg Widmann. Premiere

12.09.2022 | Oper in Österreich

Neue Oper Wien: „Das Gesicht im Spiegel“ von Jörg Widmann (Premiere: 12. 9. 2022)

neu6
Von den Sängern wurden akrobatische Leistungen verlangt. Copyright: Armin Bardel

Die Spielzeit 2022 / 23 eröffnete die Neue Oper Wien mit der Österreichischen Erstaufführung der Oper Das Gesicht im Spiegel des deutschen Komponisten Jörg Widmann, deren Uraufführung im Jahr 2003 in München im Rahmen der Opern-Festspiele  war. Die etwa 110 Minuten dauernde Vorstellung fand ohne Pause in der fast ausverkauften Halle E des Museumsquartiers in Wien statt. Es handelt sich um eine Koproduktion mit dem Liszt Fest International Cultural Festival, MÜPA Budapest.

Der Komponist und Klarinettist Jörg Widmann (geb.1973 in München) begann im Jahr 2000 mit dem deutschen Dramatiker Roland Schimmelpfennig an dem Stoff für die Oper Das Gesicht im Spiegel zu arbeiten. Es war für beide die erste Musiktheaterarbeit und sie war sehr erfolgreich und vielbeachtet. Von der Zeitschrift Opernwelt wurde sie als die wichtigste Premiere der Saison bezeichnet.

Der Inhalt der Oper kurz zusammengefasst: Das Ehepaar Patrizia und Bruno hoffen für ihren gemeinsamen Biotech-Konzern auf den Durchbruch am desolaten Aktienmarkt. Ihr herausragender Ingenieur Milton hat es geschafft, eine lebendige Kopie Patrizias herzustellen, die sie Justine nennen. Sie lernt von Milton zu sprechen und sich mit der Umwelt vertraut zu machen. Es muss allerdings verhindert werden, dass Justine sich in den Spiegel schaut, denn sie soll nicht erfahren, dass sie eine Kopie von Patrizia ist. – Sowohl Bruno wie Milton verlieben sich in Justine. Bruno, dessen Beziehung zu Patrizia längst erkaltet ist, will mit Justine ein neues Leben beginnen und flüchtet mit Miltons Produktionsplänen. So verfügt er theoretisch die Möglichkeit, Justine immer und überall reproduzieren zu können. Doch dazu kommt es nicht. Bruno stürzt mit einem Flugzeug ab, es gibt keine Überlebenden. – Als Justine von Brunos Tod erfährt, verzweifelt sie und will ihrem Leben ein Ende setzen. Ihr letzter Satz: „Wenn ich kein Mensch bin, will ich sterben.“ Milton sieht sein Experiment gescheitert und will mit Patrizia weiterforschen, um einen neuen Prototyp von künstlichem Menschen ohne geschäftsgefährdende Fehler zu entwickeln.

neu4
Georg Klimbacher in der Rolle des Milton vor seiner künstlichen Schöpfung. Copyright: Armin Bardel

Die Inszenierung des venezolanischen Regisseurs Carlos Wagner zeichnet sich vor allem durch seine exzellente Personenführung aus, die auch dem künstlichen Menschen immer wieder zugute kommt. Die Bühnengestaltung, die sehr kantig ist, und die originellen  Kostümentwürfe stammen von Christof Cremer, das Lichtdesign von Norbert Chmel. Die ausgezeichneten Videoprojektionen, die für das Publikum oft eine anschauliche und plastische Bereicherung der 16 Szenen darstellen, schufen Jovan Sentic und Davide Porta.

Das amadeus ensemble-wien leitete wie immer Walter Kobéra, der Intendant der Neuen Oper Wien. Es gelang ihm, die oft äußerst schrille Musik, die dennoch des Öfteren ein subtiles Klangvolumen aufwies, in allen Nuancen wiederzugeben. Mit Sicherheit keine leichte Aufgabe, die der Dirigent zu meistern hatte. (Klangregie: Christina Bauer

Von hoher Qualität zeigte sich auch das Sängerensemble. Die junge französische Sopranistin Roxane Choux, die in der Schweiz studierte, sang die Rolle der Patrizia exzellent, wobei sie auch schauspielerisch zu glänzen wusste.  Ihre „Widersacherin“ Justine wurde von der portugiesischen Sopranistin Ana Caterina Caseiro gesungen, die in Brüssel und in Graz studierte, wo sie auch am Opernhaus gastierte. Als künstliche Schöpfung Justine war die ungarische Tänzerin Eszter Petrány zu sehen, die oft auf artistische Weise über die Bühne wirbelte. Sie studierte von 2012 bis 2016 in Linz an der Anton Bruckner-Privatuniversität Zeitgenössischen Tanz und Tanzpädagogik und war wohl eine Idealbesetzung für diese schwierige Rolle!

Patrizias Ehemann Bruno wurde vom Tiroler Bariton Wolfgang Resch gespielt. Dieser vielseitige Sänger blickt bereits auf eine langjährige internationale Karriere zurück und konnte auch in dieser Produktion ausgezeichnet gefallen. Ebenso wie der wandlungsfähige österreichische Bariton Georg Klimbacher, der in der Rolle des Wissenschaftlers Milton sowohl gesanglich wie darstellerisch überzeugte.

Eine besondere Rolle in dieser Aufführung oblag den zwölf Damen des Wiener Kammerchors, die nicht nur stimmlich, sondern vor allem durch Akrobatik auf der Bühne gefordert waren (Chorleitung: Bernhard Jaretz).

Am Schluss der Vorstellung gab es minutenlang Applaus des Publikums für das Sängerensemble und für die Damen des Wiener Kammerchors, für das Orchester und seinen Dirigenten Walter Kobéra sowie für das gesamte Regie-Team.

Udo Pacolt

 PS: Die zweite Produktion der Neuen Oper Wien wird die Oper „Kapitän Nemos Bibliothek“ von Johannes Kalitzke sein, die ihre Uraufführung kürzlich bei den Schwetzinger Festspielen hatte. Sie wird am 11., 13., 15. und 16. April 2023 im Atelierhaus der Akademie der bildenden Künste Wien (Semperdepot) zu sehen sein. 

 

Diese Seite drucken