Alle Formationen auf dem Podium: Von links: Die Strottern; Streichquartett des MUK; „Faltenradio“; „MoZuluArt“ – C: Andrea Masek
WIEN/MuTh: Konzertsaal der Wiener Sängerknaben: Zyklus „Schorny in the MuTh“, 1. Konzert
Eine Schubertiade als Crossover unter dem Schubert-Motto: „Wer die Musik liebt, kann nie ganz unglücklich werden“
1.10. 2019 – Karl Masek
Wer ist „Schorny“? Ganz einfach! Mit bürgerlichem Namen heißt er Matthias Schorn, wurde 1982 in Hallein geboren – und ist Soloklarinettist der Wiener Philharmoniker. Und er hat besonders vielfältige musikalische Wurzeln, Talente und Interessen. Mit alpenländischerVolks- und Blasmusik begann es. Mit 11 Jahren Beginn des Klarinettenstudiums in Salzburg, ab 1999 Konzertfach Klarinette in Wien. Er spielte beim RSO Radiosinfonieorchester und den Münchner Philharmonikern, ehe er 2007 bei den Wiener Philharmonikern landete. Aber stete Neugier und kreative Unrast, die unbändige Freude an neuen künstlerischen Erfahrungen und Begegnungen haben vielfältige musikalische Grenzüberschreitungen zur Folge. Ethno Music, Jazz, das alles interessiert ihn ungemein. Mit den New York Gipsy All Stars und der Musikbanda Franui, mit der NDR Bigband, mit Konstantin Wecker, mit den Strottern arbeitete er zusammen. Auf der Suche nach Realisierung eines persönlichen Klangideals initiierte er das Festival „PalmKlang“ im salzburgischen Oberalm, gründete die Formation „Faltenradio“ (3 Klarinetten und Steirische Harmonika). Ein hochinteressanter, vielseitiger Musiker (und Musikant!).
Mit Schuberts berühmtem Satz: „Wer die Musik liebt, kann nie ganz unglücklich werden“ startete er seinen vierteiligen Konzertzyklus der Saison 2019/20 im „MuTh“ am Augartenspitz. Eine Schubertiade des 21. Jhts mit Schubert als Ausgangspunkt und mit multikulturellen Seitensträngen und stilistischen „Rösselsprüngen“. „Schornys“ Konzert wollte mit ausgewähltem musikalischem Freundeskreis die besondere Stimmung damaliger Schubertiaden wieder aufleben lassen. Im Falle des Quartettsatzes in c-Moll für zwei Violinen, Viola und Violoncello, op. posth. D 703 war es Schubert pur (die Studierenden der Musik & Kunst Privatuniversität der Stadt Wien – MUK – Yukari Ohno, Julia Turnovsky (Violine), Gabriel Iscuisatti (Viola) und Clemens Boigner (Violoncello) spielten das unorthodoxe, genialische Werk aus einer Zeit von Schuberts „Schaffenskrise“ von etwa 1819 bis 1820mit jugendlicher Verve).
Das „Ständchen“ aus Schuberts „Schwanengesang“ erklang in der Version der Formation Faltenradio (Alexander Maurer an der Steirischen Harmonika und den Klarinettisten (samt Gesang!) Alexander Neubauer, Stefan Promegger, Matthias Schorn) wie eine Uraufführung und nicht wie ein fast zu Tode gespieltes – weil von Wunschkonzert-Arrangements so schrecklich verunstaltetes – Stück. Verblüffend! Anton Gmachl jun. (*1989) steuerte für „Faltenradio“ eine gleichnamige Polka bei – in Originalität, Erfindungsreichtum und idealtypischer Instrumentation Lichtjahre über 08/15-mäßiger Blasmusik-Meterware stehend.
Die Formation MoZuluArt, schon längere Zeit in Österreich heimisch (mit Wurzeln in Simbabwe) bewies u.a. mit einer witzigen „Forelle-Paraphrase“ Hang zu musikalischer Ironie, unterfüttert mit gewinnendem Humor. Roland Guggenbichler, der künstlerische Gefährte des Trios, das u.a. häufig mit Erika Pluhar zusammen aufgetreten ist, war der hochsensible Klangzauberer am Klavier.Vusa Mkhaya, Futurlove Sibanda und Blessings Nkoma erfreuten das Publikum mit Temperament und Bühnenpräsenz.
Das Duo Die Strottern , Klemens Lendl (der Sänger mit der Geige) und David Müller (der Sänger mit der Gitarre) gestalteten auf ihre Art (und im Fall von Klemens Lendl mit wienerischer Naturstimme) Schuberts „Wirtshaus“ aus der „Winterreise. Das war – wenn man hier „klassische“ Liedgiganten im Ohr hat, ohrenirritierend und gewöhnungsbedürftig, muss ich ehrlich sagen. Da kam später das Schubert-Lied „Frohsinn“ (D 520), couplethaft und mit Wortwitz vorgetragen, als hätte Nestroy Pate gestanden, schon sehr viel besser an. Und das Wiener „Akustik-Duo“ zeigte mit Fortdauer des eineinhalbstündigen Abends nachdrücklich: Der Liederkomponist der Melancholie, des Weltschmerzes, der Weltflucht, hat in der zweiten Hälfte des 20.Jhts Interpreten (damals „Liedermacher“ genannt) gefunden, die hier plötzlich anzuknüpfen schienen: André Heller mit gekonntem bewusst brüchigem Stimmansatz in seinen Liedern, Konstantin Wecker, der intensive Melodiker mit den subversiv-poetischen Texten, der immer entlang dieser Texte komponiert hat – oder Ludwig Hirsch mit dunkelgrauer bis schwarzer Melancholie. Klemens Lendl machte das mit bestürzender Intensität „ohrenfällig“.
Phillipp Laabmayr steuerte Texte von und über Franz Schubert bei. Darunter Marc Chagalls Einschätzung: „Bach, Mozart und Beethoven waren Genies – Schubert aber, der war ein Wunder“.
Zwei kleine kritische Anmerkungen noch zu diesem spannenden und „lehrreichen“ Konzert: Gelegentliche Anmoderation der Nummern (früher hätte man „altmodisch“ gesagt, verbindende Worte!) hätte nicht geschadet. Es muss ja nicht gleich ein Volkshochschul-Vortrag draus werden! Und: Das eine oder andere Beispiel zu Schuberts vielgestaltiger, populärer und fröhlicher Tanzmusik (Ländler, Deutsche Tänze,…) sollte auch Platz an einem solchen Abend gehabt haben. Ob pur, ob paraphrasierend, ob mit improvisatorischer Schlagseite, interpretiert von „Faltenradio“: alles recht!
Das Publikum war vom „Crossover“ sehr angetan. „Schorny in the MuTh“ umfasst noch drei Konzerte, auf die gerne hingewiesen wird: 23.11., „Big Fat Clarinet Mob“. Jazziges mit einer Lesung von Frank Hoffmann (der legendäre „Trailer“-Präsentator); 15.2. 2020 „The Benny-Goodman-Story“ mit Studierenden des MUK und August Zirner; schließlich am 6.5. 2020 „Auf dem Wasser zu singen: Schumann und Schubert mit Annette Dasch“ …
Karl Masek