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WIEN / MuTh im Augarten: „HÄNDEL WITH CARE“ (Konzert mit Mathis RÜEGG und Lia PALE)

Wanderer zwischen den Welten von Klassik & Jazz

15.10.2020 | Konzert/Liederabende

MuTh - A Winter's Journey 20201202
Matthias Ruegg, Lia Pale. Foto: Moritz Schell/MuTh

WIEN / MuTh im Augarten: „HÄNDEL WITH CARE“ (Konzert mit Mathis RÜEGG und Lia PALE)

Wanderer zwischen den Welten von Klassik & Jazz

14.10. 2020 – Karl Masek

Mathias Rüegg: Jahrgang 1952, geboren in Zürich und seit seinem 24. Lebensjahr Wahlwiener. 1977 Gründer des Vienna Art Orchestra. Er arbeitete eng mit dem legendären Theatermacher Georges Tabori zusammen und –  mit „Jazz & Lyrik“ – gab es eine erfolgreiche Kooperation mit Ernst Jandl. Kompositionen und Arrangements für Big Bands und die Wiener Symphoniker sowie die Basel Sinfonietta gehörten zu seinen Spezialitäten. Er war Gründer und langjähriger Leiter des Wiener  Jazzclubs „Porgy & Bess“. Seit 7 Jahren ist Rüegg Impulsgeber, Arrangeur und Pianist musikalischer Partner (und „Mastermind“!) von:

Lia Pale: Jahrgang 1985, geboren in Wels, vielseitige künstlerische Ausbildung am Klavier, der Flöte, dem Tanz und schließlich Gesang (in Wien und Göteborg). Ihr bürgerlicher Name: Julia Palanch. Der Künstlername setzt sich also aus den letzten 3 Buchstaben des Vornamens und den ersten 2 Buchstaben des Nachnamens zusammen. In der Klassik wie im Jazz „zu Hause“, gibt sie als ihre großen Vorbilder „Heroes“ wie Billie Holiday & Miles Davies sowie Maria Callas an…

Eine „Repertoire-Entdeckungsreise“ nennt Lia Pale ihr jüngstes gemeinsames Projekt, das die Musik von Georg Friedrich Händel zum Thema hat. Eine Kunstlied-Trilogie, die sich mit Franz Schubert, Robert Schumann und Johannes Brahms befasste, wurde 2019 abgeschlossen – man hatte das Kunstlied-Crossover-Projekt schon „losgelassen“. Doch da kam für die Händel-Festspiele in Halle 2020 das verlockende Angebot, ein Händelprogramm zusammenzustellen. Mathias Rüegg konnte überredet werden, als Arrangeur für die Besetzung Gesang-Flöte-Percussions-Gitarre-Trompete-Flügelhorn -Kontrabass  „an Bord“ zu bleiben. Die Covid 19-Pandemie verhinderte im Juni 2020 die geplante Uraufführung in Halle.


Dominik Fuss, Lia Pale, Tobias Faulhaber, Gregor Aufmesser. Foto: Andrea Masek

Im MuTh fand nun die erste öffentliche Aufführung von „Händel With Care“ vor Publikum statt. Und es war eine Uraufführung! Sie machte dem Titel alle Ehre, wurde doch überaus sorgsam, verantwortungsvoll  mit den Kleinodien des großen Hallensers umgegangen.

Der Schweizer Jazzmusiker und die österreichische Sängerin geben dem klassischen Kunstliedrepertoire neue, quirlige Facetten und reich schattierte Crossover-Farbigkeit. Auch wenn der wunderbare Altmeister Mathis Rüegg an diesem Abend nicht selbst am Podium war und mitspielte: Seine mirakulösen, behutsamen, sensitiven, pfiffigen, nachdenklichen, insgesamt genialischen Arrangements waren von der Sorte, dass man getrost sagen konnte: Die Saalatmosphäre war 2 Stunden erfüllt von seiner ganz speziellen musikalischen Aura. Und Händel, so hatte man das Gefühl, wäre sehr einverstanden gewesen.

15 Arien aus Opern, Oratorien und Kantaten, Lieder und Instrumentalstücke standen auf dem Programm, charmant und launig moderiert von der Sängerin, Flötistin (Sopran- und Bassflöte, auch an den Instrumenten exzellent) und Percussionistin. Lia Pale. Dass eine Melodica (!) sich ebenso selbstverständlich in den Instrumentenkanon einreihte, war dabei ein verblüffendes Erlebnis für einen, der dieses Instrument immer als irgendwie „vulgäre Notlösung“ geringgeschätzt hat. Was für ein Vorurteil, was für ein Fehlurteil!

Mit „Almira“, HVW 1,  wurde gestartet. Mit „Eternal Source Of Light Divin“, wurde fortgesetzt. Eine Ode an Queen Anne zum Geburtstag.  Dieser Song allein brachte dem Superstar Händel angeblich eine „lebenslängliche Rente“ von 200 Pfund monatlich ein. Beneidenswert! Ein paar besondere Höhepunkte in 80 Minuten Abwechslungsreichtum und Kurzweil: Aus den 24 English Songs  HWV 228: The Forsaken Maid’s Complaint, und, besonders akklamiert, Poor Sheppard. Die Interpretationen von Arien aus Giulio Cesare in Egitto HWV 17 (‚Piangerò la sorte mia‘), Acis and Galatea HWV 49,‘ O Ruddier Than The Cherry‘ und Rinaldo HWV 7, der Ohrwurm ‚Lascia ch’io pianga‘. Und auch der „Baumumarmer-Song“ des „Serse“  ‚Ombra mai fu‘  durfte nicht fehlen.

Mit unglaublichem Nuancenreichtum, untrüglichem Stilgefühl und purer Natürlichkeit in der Tongebung holte Lia Pale Händel locker und mit sanfter Zielstrebigkeit schnurgerade ins 21. Jahrhundert. Die Originale wurden nicht denunziert, nicht parodiert, nicht verkitscht. Kunstvoll wurde der schmale Grat zwischen barocker Stiltreue und jazziger Improvisationskunst durchschritten.

Kongenial das junge Team der Erzmusikanten, den „Wanderern zwischen den Welten von Klassik & Jazz“:

Dominik Fuss, die „Singende Trompete“ und das wundersame Flügelhorn, lotete alle Facetten und Grenzen zwischen Klassik, Jazz und Improvisation aus. Wie er mit schier unendlichem Atem seinen Instrumenten Kantilenen Töne und Klänge entlockte, wie er mit den Dämpfern hantierte: Ein großer Meister seiner Instrumente!

Tobias Faulhaber, Gitarre, auch er Komponist, Arrangeur, erwies sich als in den Welten zwischen Jazz und Klassik gleichermaßen als „zu Hause“. Mit delikater, weicher Tongebung und locker-virtuosen Soli nahm er für sich ein.

Gregor Aufmesser war der Kontrabassist und klassische wie jazzige Grundpuls. Bei ihm schienen die Fäden wie von Zauberhand zusammenzulaufen.

Prächtige Stimmung im gut besuchten  Konzertsaal des MuTh und auf dem Podium. Es schwingt neuerdings ganz große Dankbarkeit mit, endlich wieder spielen zu dürfen. Diese Dankbarkeit pflanzt sich im Publikum fort, das die tollen Musiker und Rüegg, der aufs Podium gerufen wurde, feierte.

Zwei bejubelte Zugaben.

Der Zyklus „Mathias Rüegg – als Pianist –  & Lia Pale“  wird mit den 3 Great European Songbooks fortgesetzt. Am 2.12. folgt die Fortsetzung der Reise  zwischen Klassik & Jazz mit Franz Schubert.

Karl Masek

 

 

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