Schlussapplaus. Foto: Andrea Masek
WIEN / MuTh: Die Kinderoper „AMAHL UND DIE NÄCHTLICHEN BESUCHER“ von Gian Carlo Menotti
15.11. 2019 (Karl Masek)
Am Ende heller Jubel im Konzertsaal der Wiener Sängerknaben am „Augartenspitz“ in der Leopoldstadt – dem 2. Wiener Bezirk, für alle Nicht-Wiener. Klar, wenn die Schülerinnen und Schüler des Oberstufenrealgymnasiums der Wiener Sängerknaben mit einem Opernprojekt hier auftreten, ist das ein Heimspiel. Im Publikum sitzen lauter wohlgesonnene Menschen. MehrheitlichVerwandte, Bekannte, Freunde, Fans – und naturgemäß viele Kinder. Aber alles ist sehr, sehr viel mehr als ein Fest mit Schulabschluss-Charakter…
Es war eine beeindruckende Leistungsschau der Mädchen und Burschen. Es war ein Musiktheater-Abend vom Allerfeinsten. Schon das Bühnenbild und die Kostüme: eine Augenweide – und dabei mit ganz einfachen Mitteln gezaubert! Dezentes orientalisches Kolorit ohne ausufernde Opulenz und bar jeder „Plüschigkeit“. Die „Hirtenhütte“, in der der kleine Amahl mit seiner Mutter(sie ist Witwe)lebt, ist hier einangedeutetes weißes Zelt. Segelbootartig drapierte Tücher machen sich immer gut, zumal wenn die Bühne in magisches Licht getaucht ist. Den berühmten „Stern von Bethlehem“ bemerkt man erst auf den „Zweiten Blick“. Er drängt sich nicht ungebührlich vor. Die Kostüme, farbig, von erlesenem Geschmack und auf wohltuende Art modern und „heutig“- und nicht wie aus einem verstaubten Fundus, in dem man die Mottenkugeln riechen kann.Man kommt mit ganz wenigen, bloß angedeuteten Requisiten aus. Der erste große Sonderapplaus also für Alena Hoffmann (Bühnenausstattung & Kostüme) sowie für Benjamin Maier (Lichtdesign)und Michel Andriessen (Tontechnik)!
Der Kurzinhalt: Die Oper spielt in Judäa zurZeit Christi Geburt. Amahl lebt mit seiner Mutter in einem Hirtendorf. Er kann sich wegen eines gelähmten Beines nur auf Krücken fortbewegen. Eines Nachts wird Amahl von einem leuchtenden Stern am Himmel geweckt. Und es klopft an der Tür: Da stehen 3 Könige aus dem Morgenland, auf dem Weg nach Bethlehem. Diese Begegnung Amahlsbringt ein „Weihnachtswunder“ mit sich ..
Große Klasse die musikalische Einstudierung durch Lisa Gonellaund Barbara Palmetzhofer!Chapeau! Die beiden sind sicher Motivations-Meisterinnen, so lustvoll, wie hier Theater gespielt und gesungen wurde! Mag sein, dass sich ein Opernwerk, das – in Jahrzehnten der absoluten Atonalität und einer sich sakrosankt dünkenden Avantgarde „aus dem elfenbeinernen Turm“ – völlig aus der Zeit gefallen scheint, sich Kindern und Jugendlichen heutzutage nicht so ohne weiteres erschließt. Es ist auch kein Kindermusical heutigen Zuschnitts. Keine hämmernden Rhythmen, keine Rap-Texte mit Maschinengewehr-artiger Geschwindigkeit. Keine Lautstärke-Exzesse. Keine Lichtorgeln. Eine gut gebaute, 50-minütige, ganz altmodische Oper für Kinder mit überschaubarem Handlungsstrang, kaum je aus tonalem Gleis ausbrechend ist dieser Mix aus „nach-puccinischem“ Melos, viel Pentatonik, farbige Akkordik und einer Instrumentationsfinesse, die sich auch in der hier gespielten „Fassung für 2 Klaviere“ wunderbar erschließt.
Verblüffung: keine Langeweile! Es gibt sehr anspruchsvolle, aber dankbare Rollen und Ensembles zu singen, vor allem für den Titelhelden, seine (anfangs sehr böse) Mutter und die nächtlichen Heiligen Drei Könige.
Der Einakter von Gian Carlo Menotti(1911 – 2007) entstand 1951 in New York. Die Uraufführung erfolgte am 24. Dezember 1951in den NBC-Studios und wurde live im amerikanischen Fernsehen ausgestrahlt, natürlich mit dem Hauch „Amerikanischer Mentalität“. Sie wurde alsbald die meist aufgeführte US-amerikanische Oper des 20. Jhts.
(Einschub mit Erinnerungsblatt: In der Wiener Staatsoper war am 15.11. 1980, in der Direktion Seefehlner, die Österreichische Erstaufführung des „Amahl“! Der Komponist führte Regie!Sie war sehr erfolgreich, brachte es dennoch nur auf 15 Aufführungen in den Weihnachtsfeiertagen der Jahre 1980 und 1981. Lange vor den Zeiten des Kinderopernzeltes. Die Direktoren Maazel und Drese hatten mit Opern für Kinder offenkundig nix am Hut! Wieder einmal spannend, in den Annalen geblättert zu haben. Die Heiligen 3 Könige waren: Waldemar Kmentt – Kaspar, Eberhard Waechter – Melchior und Oskar Czerwenka – Balthasar! Die Mutter verkörperte die Wiener Hochdramatische Helga Dernesch. Sie alle damals im Herbst ihrer Karrieren, aber im Charakterfach noch immer mit Bühnenpräsenz und Persönlichkeit. „Amahl“ war damals natürlich ein Wiener Sängerknabe. Er spielte und sang berührend, wurde schließlich stürmisch gefeiert. Sein Name: Johannes Strassl. Er blieb bei der Musik, allerdings nicht beim Singen. Heute ist er Solo-Oboist beim NÖ Tonkünstlerorchester).
Ihre Rollennachfolger, durchwegs so zwischen 15 und 18, schlugen sich allesamt prächtig. Mila Hamann war als Amahl total in der Rolle. Man litt mit diesem durch die Lähmung gehandicapten Buben, fühlte mit ihm, wenn ihn die Mutter (wie in „Hänsel & Gretel“) mit Schlägen bedroht und freute sich mit ihm über das „Weihnachtswunder“, dass Amahl wieder gehen konnte (Er wollte in „The –little -Drummerboy-Manier“ dem armen Jesuskind in der Krippe eine Freude machen und ihm „seine Krücke schenken“). Absolut glaubwürdig ihr Spiel. Und ein Mädchensopran, der aufhorchen ließ. Aloisia Wetter war mit kräftigem Jung-Mezzo die intensiv singende und spielende Mutter. Die 3 Könige waren nicht nur würdevoll (und sangen ihre Terzette klangschön und homogen), sondern auch dezent komisch, vor allem der jungtenorale Kaspar Ryusel Nakamura, der mit dem Papagei auf der Schulter. „Melchior“ (Raphael Rumberg mit noch feingliedrigem Jünglingsbariton) und Mario Ishikawa (am Anfang des Weges in die Bassregion) ergänzten musikalisch sicher, auch die Kleinstrollen machten sich positiv bemerkbar (Belén Edelmann, Page, und Valentin Hohenstatter, Diener). Das Ballett (Clarissa Mucha, Kathrin Pirgmayer, Stephanie Löblich) und der 28-köpfige Chor waren auf der Höhe ihrer Aufgaben.
Ein weiterer Sonderapplaus gebührt den beiden jungen Damen am Klavier. Nochmals genannt: Lisa Gonella und schließlich Mami Tsukio.
Die „MuTh“-Direktorin, Elke Hesse, war euphorisch. Sie hatte allen Grund dazu. Und im ORG darf man stolz sein auf das Geleistete!
Karl Masek