WIEN/ Musikverein am 11. Juni : Wiener Symphoniker, Philippe Jordan (Beethoven). Der Konzertbericht von Kurt Vlach:
Bis vor 3 Monaten freute ich mich auf die Aufführungsserie aller 9 Beethoven-Symphonien mit den Wiener Philharmonikern und Andris Nelsons – aber dann kam alles anders…
Fast forward – 11. Juni 2020
Ende Mai stand dann fest, dass unsere Regierung wieder kulturelle Veranstaltungen im intimen Rahmen zulässt, und viele Veranstalter haben darauf reagiert, so auch die Direktion des Musikvereins. Für Juni sind nun ca. 25 Konzerte geplant, einige davon im Gläsernen Saal, der Rest im großen, goldenen Saal.
Wie allgemein bekannt ist das aktuelle Zuschauerlimit 100 Personen – unabhängig ob ein Konzert jetzt in einem Kammerl stattfindet oder in großen Theatersälen wie Staatsoper oder eben im Musikvereinssaal. Macht das Sinn? Auf gut wienerisch – „Ned wirklich…“
Alle Konzerte finden ohne Pause statt, auch wenn man aus einem gemeinsamen Haushalt kommt darf man nicht zusammen sitzen (weil es ja unglaublich gefährlich ist, wenn man statt im Parkett Reihe 3 dann weiter hinten sitzt, wo im Umkreis von 10 Metern niemand anderer zugegen ist). Den Mund-/Nasenschutz muss man beim Betreten des Gebäudes tragen, dann rasch in den Saal gehen (Dauer geschätzte 5 Minuten), allerdings dort darf man sich des Mundschutzes wieder entledigen (Dauer des Aufenthaltes im Saal ca. 90 Minuten….). Damit man in punkto Zusammensitzen nicht auf dumme Ideen kommt sind alle „Zwischensitze“ verklebt und auch der Gang hin zu den hinteren (leeren) Reihen versperrt, ebenso Galerie und Balkon (nicht die VIP-Loge, wo sich dann innerhalb von 5 Metern ebenso viele Personen befanden…). Der Musikvereins-Chef Dr.Angyan war auch präsent, hielt aber den Sicherheitsabstand ein.
Dankenswerter Weise legt der Musikverein auch ein Programmheft auf – dieses umfasst Informationen zu sämtlichen Juni-Veranstaltungen, ist fast 100 Seiten dick und ist zur freien Entnahme. Naturgemäß wird auf die einzelnen Stücke nicht so im Detail wie normal eingegangen, aber ich sehe dies als nette Geste gegenüber den Besuchern.
Durch den behördlich verordneten Sicherheitsabstand zwischen den Musikern musste die Bühne vergrößert werden, sodass erst ab der 2.Parkettreihe die Stühle vorhanden waren (diese Reihe war aber gesperrt).
Musikalische und sonstige Eindrücke
Es war ein Beethoven-Programm mit der Leonoren-Ouvertüre Nr.3, gefolgt von Beethovens Symphonie Nr. 3 (Eroica), gespielt von den Wiener Symphonikern unter ihrem Chefdirigenten und zukünftigen GMD der Wiener Staatsoper, Philippe Jordan. Auf das obligatorische Händeschütteln mit den Konzertmeistern wurde verzichtet – es gab anstatt „Ellenboden an Ellenbogen“, ebenso nach dem Konzert mit allen Stimmführern und den 1.Geigern (hoffentlich hat Jordan davon nicht zu viele blaue Flecken).
Alle Ausführenden waren mit viel Einsatz und Freude am Werk, ich hatte einen sehr guten Platz und konnte wunderbar die „Arbeit“ von Jordan beobachten. Vielleicht nicht der eleganteste war er mit großen Gesten und körperlichem Einsatz (manchmal duckte er sich so sehr, dass er quasi auf 1 Meter Körpergröße zusammensackte) bei der Sache. „Sein“ Orchester fraß ihm aus der Hand, oft genügte nur ein Blick, eine kleine Geste um den Musikern zu verstehen zu geben, was er wollte. Und er lächelte extrem viel….
So knapp beim Orchester sitzen fühlte ich die Vibrationen der Musik, die mich durchdrang – und es war mir vorher nicht bewusst, wie sehr ich das vermisst hatte.
Werde ich unter solchen Umständen wieder ein Konzert besuchen? Ja, auf alle Fälle! Ich fand es extrem angenehm genügend Platz neben mir zu haben, ich konnte meine Hände auf die Sitzlehne vor mir geben und komplett entspannt der Musik lauschen. Ehrlich gesagt, war ich viel konzentrierter als sonst und hörte viele Kleinigkeiten, die mir bei beiden Werken bis dato verborgen waren (ich saß bei den 2.Geigen, meine Gattin bei den 1. Geigen).
Der Schlussapplaus war – wie heißt es so schön – nicht enden wollend, es gab Standing Ovations für die Künstler.
Fazit
- Macht die aktuelle Regelung, besonders was die Anzahl der Besucher betrifft Sinn? NJET
- Ist die aktuelle Regelung besser als wenn überhaupt keine Konzerte veranstaltet werden dürfen – DA
Kurt Vlach
Ein „ausverkauftes Haus. Foto: Kurt Vlach
Weit auseinander stehende Notenpulte. Foto: Vlach
Kurt Vlach mit seiner Ehefrau. Foto: Vlach