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WIEN/Musikverein: MUSIKFEST 2020 Musikgymnasium Wien, Neustiftgasse mit Gustav Mahler & Anton Bruckner

Zu künstlerischen Höhenflügen bereit

25.02.2020 | Konzert/Liederabende


Manfred Honeck, Orchester & Chöre des Musikgymnasiums Wien, Neustiftgasse. Foto: Andrea Masek

WIEN/Musikverein: MUSIKFEST 2020 Musikgymnasium Wien, Neustiftgasse mit Gustav Mahler & Anton Bruckner

Zu künstlerischen Höhenflügen bereit

24.2. 2020 – Karl Masek

Fixpunkt und Highlight im Verlauf eines Schuljahres sind für das „mgw“ Neustiftgasse die traditionellen Musikfeste am Beginn des 2. Semesters, so zwischen Ende Februar und Ende März.

Die Chöre und das Orchester des Musikgymnasiums bieten nach intensiver, tiefschürfender und penibler Probenarbeit Jahr für Jahr eindrucksvolle Beweise großen Könnens – und die Bereitschaft, gemeinsam zu künstlerischen Höhenflügen abzuheben. Die harte Knochenarbeit der Einstudierung leisten da seit vielen Jahren die großartigen Pädagoginnen und Pädagogen des Hauses – denen man gar nicht genug Lob und Wertschätzung aussprechen kann. Ihre Namen: Monika Arbeiter-Salzer, Richard Böhm, Monika Feninger, Roman Hauser, Johannes Kerschner, Georg Kugi, Elisabeth Lampl, Johann Pichler, Andreas Pixner und Thomas Reuter. Dass die Paten des Musikgymnasiums Wien, die Wiener Philharmoniker, immer wieder wertvolle Tutorendienste und Probenassistenz leisten, ist seit etlichen Jahren eine besonders erfreuliche Tatsache. Auch diesmal haben wieder 14 Philharmoniker (aus verschiedensten Orchestergruppen) im Vorfeld mit dem hoffnungsvollen Nachwuchs geprobt!

Man hat sich sehr viel vorgenommen und sich couragiert herausfordernden Orchester- und Chorwerken gestellt.

Die Symphonie Nr. 1, D-Dur von Gustav Mahler macht da gleich den Anfang – ein Werk, das traditionelle Konzertveranstalter an den Schluss eines Konzertes stellen, weil es halt mit seinem finalen D-Dur-Schlussjubel ein Applaus-Reißer ist. Aber besonders heikel ist doch der Beginn des Stirnsatzes! „Langsam. Schleppend. Wie ein Naturlaut – im Anfang sehr gemächlich“. Diese 60 Takte der Einleitung mit dem Orgelpunkt auf dem Ton a – mit der abfallenden Quart als Urmotiv – und die lange Passage, bis endlich „Ging heut‘ morgen übers Feld…“ aus den Liedern eines fahrenden Gesellen zitiert wird –  das ist auch schon Spitzenorchestern und ihren Dirigenten „unter den Händen zerbröselt“.

Nicht aber, wenn ein Dirigent der Spitzenklasse wirklich weiß, wie’s geht: Manfred Honeck! Ein Erzmusiker ist dieser Bratschist (als solcher etliche Jahre bei den Wiener Philharmonikern tätig, wie übrigens aus sein Bruder Rainer, der langjährige 1. Konzertmeister bei den Wiener Philharmonikern) und international hoch geschätzte Dirigent. Der Chef des Pittsburgh Symphony Orchestra  ist zur Vorbereitung der „Fidelio“-Premiere im Theater an der Wien (16.3.)  – und arbeitete verdienstvoller Weise auch mit den jugendlichen Musiker/innen. Ein Orchester mit klarer weiblicher Überzahl!

Vorweg: Das künstlerische Resultat konnte sich hören lassen! Honeck holte ein Höchstmaß an klanglicher Vielfalt, sensitiv ausgeleuchteten Farben, schlanker, feingliedriger Struktur und dynamischer Bandbreite heraus. Alles erklang mit einer Frische und einer „Unroutiniertheit“ im positivsten Sinne, als hätte man es mit einer Uraufführung zu tun und nicht mit einem Werk, das als  Kernrepertoire in Wien hohen Wiedererkennungswert aufweist.  Neugier in jedem Moment war da herauszuhören – und die Freude, an einem musikalischen Geburtsvorgang dabei zu sein. Überraschende Rubati, aber immer organisch eingebettet in ein beglückend überzeugendes Ganzes, bei dem man eine Symphonie lang das herrliche Gefühl hatte: Ja, genau so gehört das! Und keinen Augenblick (auch nicht im „“stürmisch bewegten“ Schluss-Satz nicht!) Lärm oder „Getöse“, wie das der genuine Mahler-Dirigent Michael Gielen (der allerdings gerade die „Erste“ nicht besonders zu schätzen schien!) dem Werk im Buch „Mahler im Gespräch“ vorwarf. Besonderer Höhepunkt dieser so gelungenen Wiedergabe: der 3. Satz, der mit Pauke und Kontrabass wie aus dem Nichts beginnt. Atemberaubend, wie die Kontrabassistin und der Pauker das mit gehauchtem ppp hingekriegt haben!

Das Orchester des Musikgymnasiums spielte mit äußerster Konzentration, setzte all das minutiös um, was der Dirigent mit sachdienlicher Gestik und klarer Körpersprache ausdrückte. Mit Verve und gleichzeitiger innerer Ruhe, die man nur ausstrahlen kann, wenn man der Sache absolut sicher ist. Im Kollektiv von großer Homogenität in allen Instrumentengruppen und Tonschönheit in den vielen solistischen Aufgaben, von Flöten, Oboen, Klarinetten bis zum sicheren und kompakten Blech.

Gustav Mahler, für den ja jedes seiner neuen Werke auch eine Art Geburtsvorgang gewesen sein dürfte, wäre wohl hoch erfreut gewesen, vermute ich. Heller Jubel schon zur Pause.

Mit Anton Bruckner setzte man noch eins drauf. Mit großer Innigkeit trugen die Chöre des mgw drei Motetten vor – Ave Maria, Os iusti und Christus factus est. Klare Intonation, ausdrucksstarke Reife bekam man zu hören – und eine Piano-Qualität von milder Schönheit.

Im Te Deum  für Soli, Chor und Orchester kamen dann auch die machtvollen, von der Orgel inspirierten typisch Bruckner’schen Klangblöcke zu ihrem Recht. Hier haben die großen musikpädagogischen Könner am mgw wieder vorgeführt, welch eindrucksvolle Stimmbildner/innen sie sind und was sie immer wieder aus Stimmen herausholen. Kraftvoll der Gesamtklang – besonders herausragend die strahlenden Jubelsoprane – die können es mit Profichören locker aufnehmen. Und hier ließ es Honeck auch kräftig aufrauschen, um mit rasantem Accellerando beim …“non confundar in aeternum“ in die Zielgerade einzubiegen.  Berührend wurde das große Violinsolo von der hervorragenden Konzertmeisterin gespielt.

Kleiner Wermutstropfen: Das gastierende Solistenquartett (Gerlinde Ott, Nina Veselinova, Franz Gürtelschmied, Marcus Pelz) klang leider etwas blässlich, war allerdings  halblinks seitlich und eher hinten wohl ungünstig postiert.

Das Musikfest 2020 wurde am Schluss mit stürmischen Ovationen gefeiert. Euphorie am Podium wie im Auditorium. Glückliche Gesichter!

Karl Masek

 

 

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