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WIEN/ Musikverein: LIEDERABEND MARIA NAZAROVA/ GAIVA BANDZINAITE

Allnächtlich im Traume

21.02.2019 | Konzert/Liederabende

20.2.2019 MV: ALLNÄCHTLICH IM TRAUME –
Liederabend Maria Nazarova / Gaiva Bandzinaite


Maria Nazarova. Foto: privat

So ungewöhnlich wie diese reizende kleine Russin war auch die Programmzusammenstellung: deutsche Lieder im 1.Teil, französische und russische nach der Pause, unter obigem Übertitel. Maria Nazarova straft jene vielen prominenten Liedsänger Lügen, die behaupte(te)n, bei dieser Kunstgattung bedürfe es keiner körperlichen Aktionen, die stimmliche Darbietung müsse genügen. Bei vielen war und ist es auch so. Maria Nazarova lebt jedoch alles, was sie singt, physisch, mimisch und vokal mit, in einem nie den guten Geschmack hintan lassenden Ausmaß, vielmehr weckt sie den Eindruck, sie selbst sei die Person, die da gerade singend etwas „sagt“. Ebenso geht es einem mit dieser Stimme: ihre Sangeskunst hat so gar nichts Künstliches, Eingelerntes, sondern scheint ein natürlicher Bestandteil dieser beachtlichen Künstlerpersönlichkeit. Seit wir sie, zuerst aus dem Merker-Kunstsalon, dann als Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper kennen, ist ihr aparter Sopran ständig gewachsen, an Ausdruckfähigkeit und Volumen, füllt mühelos das große Haus, sprengt aber auch nicht den kleinen „Gläsernen“ Saal im Untergeschoß des Musikvereinsgebäudes.

Zur Liedauswahl von Fanny Mendelssohn-Hensel, Felix Mendelssohn Bartholdy, Hugo Wolf, Richard Strauss und Clara Schumann: Niemand, der es nicht eh schon wusste, wäre auch nur auf die Idee gekommen, dass Deutsch nicht die Muttersprache dieser Sängerin ist. Nicht nur war die Aussprache perfekt, sondern man spürte bei jedem Lied, dass sie auch alles erfasst hat, was dahinter steckt.

Um mit dem bekanntesten Lied zu beginnen: Das „Ständchen“ von Richard Strauss, singbar von VertreterInnen aller Stimmlagen, macht immer Effekt. Konform mit Adolf Friedrich von Schacks drei 6-zeiligen Strophen, die sich so wunderbar reimen (ab ab cc), hat Strauss den Bach und den Wind, die Büsche und Hecken, das Mädchen mit Elfentritten, Blumen, Mondschein und Garten Klang werden lassen. Die litauische Pianistin Gaiva Bandzinaite „dichtet“ munter mit. Sopran und Klavier machen die Träume zweier Liebender animierend hörbar. Über der Freude, dass eine Sängerin oder ein Tenor/Bariton/Bass alle Töne richtig erwischt, vergisst man oft die mehrschichtige Aussage – Liebessehnsucht, erträumte Liebeserfüllung, vermischt mit Humor und Ironie. Die Wonneschauer der Nacht verkünden oft Brünnhild-hafte oder heldentenorale Erfüllung. Nicht bei Maria Nazarova: Ihre Nachtigall, die von den Küssen der beiden träumen soll, ist verschmitzt und die hochglühende Rose, die Frau Nazarova neckisch am Morgen erwachen lässt, wird zu Hochtönen, die uns nicht umwerfen, sondern erleuchten: Schöner kann die Wirklichkeit nicht sein! Beschwörende Gesten helfen mit und nach Besingung der „Wonneschauer“ badet sich die Verliebte, zuletzt mit leichtem Kopfnicken, in ironischem Triumph, lächelnd in dieser imaginierten Erfüllung. Wenn das nicht Sonderapplaus verdient hat…!

Sehr nett, dass sie auch zwei nicht zu verachtende Komponistinnen, deren Bruder bzw. Ehemann Spitzenpositionen in dieser Branche einnahmen, zu Wort bzw. Tom kommen ließ: Fanny Mendelssohn-Hensel und Clara Schumann, wobei die Damenschöpfungen die lyrischeren, sozusagen seriöseren waren (Sehnsucht; Ihr Bildnis, Er ist gekommen), die mehrfach beschworenen Elfen und Hexen aber den Herren vorbehalten blieben. Spätestens beim 2. Lied, Mendelssohns „Neue Liebe“ stellte man sich auf Überraschungen ein, die von Maria Nazarova offensichtlich als solche geplant waren. Wenn in diesem Heine-Lied Elfen, die im Mondenschein reiten, Hörner blasen und Glöcklein läuten lassen, weiße Rösslein wie wilde Schwäne durch die Luft ziehen und nur die Königin im Vorübergehen nickt, erwartet man wohl kaum als Folge: „Galt das meiner neuen Liebe? Oder soll es Tod bedeuten?“ – Nach der phantasievollen Schelmerei plötzlich diese Wendung? Für uns die Zeit zum Nachsinnen….Das alles hört man, fragt man sich, nimmt es plötzlich ernst und…findet es letztlich einfach schön, weil alles so perfekt gesungen und mit Blicken und Gesten noch interessanter gemacht wird.

Die Lieder, bei denen schon der Titel besonderen Unterhaltungswert verspricht – Hugo Wolfs/Eduard Mörikes „Nixe Binsefuß“ (Des Wassermanns sein Töchterlein / Tanzt auf dem Eis im Vollmondschein…) – da wird man als erwachsener Zuhörer wieder zum Kind, das an Wunder glaubt…Wie auch bei Mörikes „Elfenlied“mit der kleinen neugierigen Protagonistin…so herrlich spitzbübisch vorgetragen, endend mit einem Schulterzucken, weil das Elflein sich den Kopf angestoßen hat. Köstlich!

Lieb und rührend auch das Strauss-Liedchen (Text von Brentano) „Ich wollt ein Sträußlein binden“, wo ein Liebender auf das Pflücken eines Blümleins verzichtet, um es nicht vor der Zeit sterben zu lassen, und damit auch der Schatz ausbleibt: „Im Lieben wohnt Betrüben / Und kann nicht anders sein.“ – Hört man das „Junghexenlied“ von Richard Strauss (…Rack, schack…Kling, ling, klingelalei….Rack, schack, schake mein Pferdchen…) vom Komponisten der „Elektra“ und“ Frau ohne Schatte“, so weiß man einmal mehr, warum man von solchen Meistern nie genug hören kann! So auch bei Mendelssohns „Hexenlied“ (Hölty) und seinem „Nachtlied“ auf einen Eichendorff-Text, der sich relativ seriös liest, dessen Schluss „Gott loben wollen wir vereint, Bis dass der lichte Morgen scheint“, entbehrt aber auch nicht der Zwielichtigkeit.
Begeisterter Applaus und animierter Gedankenaustausch schon zur Pause.

Die Titel der im 2. Teil zu hörenden Lieder: Debussys „Pierrot“ und „Apparition“, Rachmaninows „Der Traum“ und „Hier ist es schön“, Rimski-Korsakows „Eine Nachtigall singt für die Rose“, „Ins Reich der Rose und des Weines“, „Auf den Höhen Georgiens“) und als Abschluss Léo Delibes „Das Mädchen von Cadiz“ weisen bereits darauf hin, dass es sich auch da um Zwischenwelten handelt – Traum und Wirklichkeit, Natur und Mensch, Tiere und Pflanzen und ihrerer aller Gefühle und Gedanken.

Dass alles beim Publikum so gut und richtig ankam, ist natürlich auch der Dame am Flügel zu verdanken. Ausgebildet als Pianistin und Liedbegleiterin, als Coach an der Nationaloper von Vilnius im Einsatz, Meisterklassen begleitend, Studienleiterin beim Young Singers Project…..mit vielen Preisen geehrt, rund um die Welt im Einsatz, ersetzte die exzellente Litauerin Gaiva Bandzinaite mühelos ein ganzes Orchester – nicht nur in der gebotenen Tonfülle, sondern auch in seinen unendlichen Ausdrucksmöglichkeiten.
Bravissimo!

Die erste Draufgabe, aus Donizettis „La fille du régiment“, erweckte riesige Vorfreude auf alle Rollen, mit denen Maria Nazarova in den kommenden Jahren uns sicher beglücken wird. Um – angesichts der Publikumsbegeisterung – nicht im Gläsernen Saal übernachten zu müssen, entschloss sie sich für nur noch je 1 russisches Lied und ein weiteres von Debussy.

Der in Kooperation des Musikvereins mit der Wieder Staatsoper zustande gekommene beglückende Abend möge nicht der einzige dieses Teams gewesen sein….

Sieglinde Pfabigan

 

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