MUSIKVEREIN/ GOLDENER SAAL: PERSPEKTIVEN MIT ANTON ZEILINGER am 9.3.2025
Prof. Anton Zeininger. Foto: Julia Wesely
Zu den hervorragendsten Neu-Einführungen des Musikverein-Intendanten Stephan Pauly gehört zweifellos die Gesprächs/Konzert – Reihe Perspektiven, in der prominente Persönlichkeiten aus nicht-musikalischen Fachdisziplinen über ihre Beziehung zur Musik sprechen und ihre Lieblingsstücke vorstellen – was ein völlig neues Licht sowohl auf die Persönlichkeiten als auch auf die Werke wirft.
Letztes Jahr gestaltete der Schweizer Stararchitekt Peter Zumthor die Reihe, heuer war dies Nobelpreisträger Professor Anton „Mr.Bean“ Zeilinger.
Und ich darf sagen, dass das die spannendsten und erkenntnisreichsten Abende waren, denen ich im Musikverein oder auch anderswo je beigewohnt habe,
Am ersten Abend präsentierte Zeilinger zum Thema „Urknall“ Haydns Schöpfung und Stockhausens Ylem, am zweiten („Wie kommt das Neue in die Welt ?) gemeinsam mit Andrea Breth und Christoph Ransmayr Pfitzners Palestrina. Hochinteressant auch der dritte Abend: im ersten Teil vollführte Professor Bernhard Jakoby elektro-akustische Experimente, in deren Verlauf wir erkennen mussten, dass wir eigentlich gar nicht hören, was wir zu hören vermeinen.Im zweiten Teil liess Stefan Gottfried mehrere Vollendungsversuche des Mozart-Requiems erklingen. Die gebräuchlichsten von Franz Xaver Süßmayr kennt man ja, die größte Entdeckung dabei waren aber die Ergänzungen von Mozart-Schüler Joseph von Eybler (den Witwe Konstanze als Ersten mit der Vollendung beauftragt hatte). Sie wirkten weitaus moderner als die von Süssmayr, und überhaupt wäre Eybler, jahrzehntelang Leiter der Hofmusikkapelle und ein äußerst produktiver Komponist, endlich einer Renaissance würdig. Vielleicht könnte ja seine Geburtsstadt Schwechat ein Eybler-Festival ins Leben rufen. Hat ja sonst keinen Promi aufzuweisen …
Da davon die Rede war, dass es mittlerweile über 40 Ergänzungsversuche des Mozart-Requiems gibt, wollen wir an Herrn Intendanten Pauly auch die Anregung vermitteln, eine diesbezügliche Reihe zu gestalten. Wäre sicher total spannend !
Der krönende Abschluss dieser einzigartigen Perspektiven fand letzten Sonntag unter dem Titel „Das Unbeschreibbare beschreiben“ statt. Zuerst hielt Professor einen relativ leicht verständlichen Vortrag über seine Forschung, gewürzt mit vielen köstlichen Anekdoten aus der Wissenschaft. Oder wussten Sie, dass das berühmte Einstein-Zitat „Gott würfelt nicht!“ im Original eigentlich „Der Alte würfelt nicht!“ lautet (worauf ihm Max Planck antwortete: „Albert, hör endlich auf, dem Herrgott Vorschriften zu machen !)? Oder dass der an derlei Forschungen immer sehr interessierte Dalai Lama, nachdem er Zeilingers Experimente an der Universität Innsbruck beobachtet hatte, zu Protokoll gab, dass, wenn Zeilingers Erkenntnisse, dass alles nur Zufall sei ohne zuordenbare Ursachen, zuträfe, der Buddhismus seine Lehre würde ändern müssen. Mr.Bean korrigiert Gautama Buddha ! das muss man sich einmal geben…
In krassem Kontrast zu den flockig-lockeren und humorigen Erzählungen des tiefenentspannten coolen Nobelpreisträgers standen die von ihm ausgewählten Musikstücke: Toccata und Fuge von J.S.Bach, Arvo Pärts „De pacem Domine“, Anton Bruckners „Christus factus est“ und „Ave Maria“, Mikis Theodorakis‘ „Mauthausen-Kantate“, Olivier Messiaens „Apparition de l‘église éternelle“ und der Schlussgesang aus Schuberts Deutscher Messe „Herr, hast du mein Fleh‘n vernommen ?“.
Allesamt Werke, in denen keine Spur von Leichtigkeit, Heiterkeit oder gar Humor zu finden ist, sondern in denen es ausschließlich und ultimativst um die letzten, allerletzten und wirklich ganz ganz letzten Dinge geht: Leben, Mensch, Tod, Leid, Universum, Gott.
Musik, die ans Herz, an die Nieren, ans Eingemachte, in die Eingeweide geht und an den Grundfesten der menschlichen Seele rüttelt. Kaum auszuhalten, noch dazu in dieser Geballtheit.
Eigentlich unerträglich – aber überwältigend und unvergesslich.
Lieber Herr Dr.Pauly, lassen Sie doch bitte auch nächstes Jahr Herrn Professor Zeilinger unseren Horizont auf so unermessliche Weise erweitern…
Robert Quitta