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WIEN / Musikverein, Brahms – Saal: VIVALDI mit Rubén Dubrovsky,

Das groovt und swingt!

06.05.2019 | Konzert/Liederabende


Ruben Dubrovsky, Vivica Genaux beim Signieren. Foto: Andrea Masek

WIEN / Musikverein, Brahms – Saal: VIVALDI mit Rubén Dubrovsky,

Das groovt und swingt!

5.5. 2019 – Karl Masek

Vor kurzem hat Rubén Dubrovsky mit dem aus Fairbanks (Alaska) stammenden, in Italien lebenden Mezzosopran Vivica Genaux und dem Bach Consort Wien eine über alle Maßen gelungene CD herausgebracht: Hommage Vivaldi. Sie enthält Arien, Kantaten und Concerti des „Roten Priesters“ (Il Prete Rosso) aus Venedig mit Sterbeort Wien. Ein Vivaldi-Abend mit leicht veränderter „Reise-Route“ gab es nun im Brahms – Saal zu hören.

Dubrovsky-Konzerte haben immer vergnügliche „Einmoderationen“. Darin ist er gewissermaßen ein Fortsetzer von Nikolaus Harnoncourt. Diesmal also: „Kaiser Karl VI. holt Vivaldi nach Wien, stirbt aber, kaum, dass Vivaldi in Wien eingetroffen ist, an einer Schwammerlvergiftung. Vivaldi – er wollte in Wien als Opernkomponist reüssieren – kommt nicht dazu, sich in Wien zu profilieren und Geld zu verdienen, denn es gibt ein Jahr Staatstrauer. Vivaldi verkauft alle seine Noten, stirbt selbst und hat ein Armenbegräbnis ganz ohne Musik…“

Amüsant dabei folgende Spekulation: Wie hätte Vivaldi auf den ganz jungen Haydn gewirkt, hätte er länger gelebt? Was hätte Haydn dann seinerseits an den jungen Beethoven weitergegeben? …

Dubrovsky ist Sanguiniker durch und durch – und dieses fröhliche, sonnige Naturell spiegelt sich in all seinen Musikwiedergaben. Das groovt und swingt, würde man heute sagen, wenn in den Concerti (wie in jenem für Streicher und Basso continuo g-Moll, RV 156) mit musikantischer Frische zu den Allegro-Teilen angesetzt wird. Dass Dubrovsy nicht bloß dirigiert, versteht sich bei ihm von selbst. Auch diesmal spielt er  am Colascione (einer Langhalslaute) bei den „Concerti“ mit.

Dass die Komponisten der Barockzeit genau voneinander wussten, ohne einander persönlich kennengelernt zu haben, beweist der Fall des Concerto grosso, h-Moll, RV 580 (auch: op.3/10), genannt  „L´ estro  armonico“. Johann Sebastian Bach schätzte das Werk Vivaldis  so sehr, dass er es kurzerhand für sich selbst bearbeitete. Daraus wurde ein Werk für 4 Cembali (BWV 1065, nach a-Moll transponiert).  Das Vivaldische Original verwendet vier Violinen als Soloinstrumente und reichert mit  Violoncello und Basslinie an. Ein effektvolles Werk mit allem was das Barockherz musikalisch begehrte: Soloepisoden, klangsatte Akkordfolgen, charakteristisch punktiert-rhythmische „Seufzermotive“, tänzerische Finali (diesfalls im 6/4-Takt). Die geteilten Streicher bewirken Stereo-Effekte.

Menschlich durchpulster Klang herrscht vor, niemals wird da etwas mechanisch ratternd, die Klangwirkung wie aus einem Guss. Mal ruhig schwebend, mal in elegantem, wiegenden Siciliano – Rhythmus, mal harmonische Extravaganzen subtil herausarbeitend.

Nach „Arbeit“ klingt das alles nicht, sondern nach purem Vergnügen, das da vom Podium ins Auditorium herüberstrahlt. Die „Arbeit“ fand vorher in akribischen Proben statt. Entspannte Kommunikation, wenn die Solisten, angeführt von Agnes Stradner, Miloš Valent (Violinen) und Peter Trefflinger (Violoncello) einander die musikalischen Bälle zuspielen.

Vivica Genaux, stimmlich eine wahrhafte Barock-Queen, setzte schließlich dem stürmisch bejubelten Abend die Krone auf, riss das Publikum schon im 1. Teil mit 3 Arien zu Ovationen hin. Die irrwitzigen Koloraturkaskaden beispielsweise bei „Come  in  vano  il  mare  irato“ aus der Oper „Catone in utica“ mit ihrem wilden Zorn, die brillanten Intervallsprünge, das souveräne Durchmessen der Stimmlagen von fast baritonalen Kontraalt-Tiefen bis zu Sopran-Explosionen, das alles gelang hinreißend.

Ist dies alles noch zu toppen? Ja, der Beweis gelang eindrucksvoll mit der abschließenden Kantate „In  turbato  mare  irato“, RV 627, für Sopran(!), Streicher und Basso continuo. Hier steigerte sich Vivica Genaux in eine Überform, in einen  wahren Singrausch. Dubrovskys Mitstreiter vom Bach Consort hielten bravourös mit, ließen sich zu riskanten Accelerandi mitreißen, und es entwickelte sich ein euphorisches Musizieren. Nach dem abgerissenen Schlusston des wilden „Halleluja“ (Dubrovsky in der Anmoderation: „Auch so kann Kirchenmusik gehen!“) ein kollektiver Aufschrei des Publikums, fast wie bei einem Pop-Konzert.

2 Zugaben (beseelter Händel;  Genaux mit innigem Ausdruck, plötzlich ganz zurück genommen; mündet in wundersame Einfachheit – und schließlich noch ein Koloratur-Wunder-Schmankerl von Antonio Vivaldi, dem man an diesem Abend eine furiose Hommage bereitet hat…

Karl Masek

 

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