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WIEN/ Musikverein/ Brahms-Saal: Liederabend: GÜNTHER GROISSBÖCK und MALCOLM MARTINEAU

17.09.2023 | Konzert/Liederabende

Wiener Musikverein, Brahms-Saal, 16.9.2023  – Liederabend: GÜNTHER GROISSBÖCK und MALCOLM MARTINEAU

Ein besseres Künstlerduo ist derzeit kaum denkbar. In erster Linie ist der österreichische Bassist GÜNTHER GROISSBÖCk wohl in seiner Stimmlage derzeit führend unter den Liedsängern. Wie er seinen voluminösen Bass gleichsam spielend in allen Höhenlagen zu anscheinend mühelosem Einsatz bringt, ist ebenso beeindruckend wie sein interpretatorisches Vermögen, die Textdeutlichkeit und die stets  passende optische Unterstützung des Gesungenen, die sein Miterleben von Wort und Ton bestätigt. Und als einer der international führenden Liedbegleiter konnte der aus Edinburgh gebürtige Malcolm MARTINEAU einmal mehr seine Meisterschaft darin beweisen, quasi jeden Ton und jede Phrase mit Spannung zu erfüllen und dem Sänger eine fundierte Basis zu sichern.

Nicht unerwähnt soll vorweg das 58-seitige Programmheft mit allen Liedtexten bleiben – für dessen Inhalt der Intendant des Musikvereins: Dr. Stephan Pauly und Mag. Renate Futterknecht verantwortlich zeichnen. Da werden uns Biographisches, Entstehungszeit der einzelnen Lieder und kompositorische sowie inhaltliche Besonderheiten detailliert unterbreitet, man darf sich jedoch wundern, wenn man das Heftchen erst nach dem Konzert liest, was die beiden Interpreten uns von sich aus alles vermitteln konnten, ohne dass man über die Hintergründe Bescheid wissen musste. Besonders gute Photos aller Komponisten lassen einen über deren künstlerisches Vermögen noch extra nachdenken.
Hinzuzufügen ist aber noch, dass man dank der trefflichen Wiedergabe des zu Singenden ohne vorherige Programmlektüre alles mitbekam, was von den Schöpfern in Wort und Ton bei jedem einzelnen Lied geboten wird. Bekanntes und selten Hörbares beeindruckten in gleicher Weise: Schumann, Hans Rott, Bruckner und Hugo Wolf im 1. Teil, Richard Strauss und Mahler nach der Pause.

Dem gebürtigen Niederösterreicher Günther Groissböck machte „Blondels Lied“ (Text: Gabriel Seidl) sichtlich besonderen Spaß, des Minstrels, der mit der Zither vor dem Schloss „Dürrenstein“ auf der Suche nach seinem vermissten Herrn,  „König Richard, Held von Osten“,  erfolgreich sein Lied singt mit dem Refrain „Suche treu, so findest du!“, sodass sein ihm teurer König letzlich befreit werden kann. –  Die drei folgenden Lieder, „Die feindlichen Brüder“, „Belsazar“ und „Die beiden Grenatiere“ (Heine-Texte), ermöglichten dem Sänger, mit voller Stimme und höchst beeindruckender Bassestiefe sein Bühnentalent unter Beweis zu stellen. Wenn er da nur den Kopf senkt bei „Und der Kaiser, der Kaiser gefangen“ oder zuletzt im piano, trotzdem sehr männlich, bei  „Den Kaiser, den Kaiser zu schützen!“ den Kopf hebt und die Augen schließt, aber zuletzt doch wieder den Kopf senkt – da ist ein Bühnenmensch präsent!

Die drei Goethe-Texte,  die Hans Rott (1858 – 1884) vertont hat – „Der Sänger“, „Geistesgruß“ und „Wandrers Nachtlied“- ermöglichen dem Bassisten ebenso wie dem Pianisten bühnenreife Darbietungen („Was hör ich draußen vor der Tür…“  mit ganz starken Akkorden, sich steigernd bis zu „Lasst mir herein den Alten!“ oder den von beiden Künstlern genussreich dargebotenen Text: „Die Ritter schauten mutig drein/Und in den Schoß die Schönen“ –  sehr lang gehalten…, endend in wunderbaren Schussakkorden nach „Und danket Gott so warm, als ich/Für diesen Trunk euch danke.“ – Hingegen können Sänger und Pianist sich bei „Wandrers Nachtlied“ („Über allen Gipfeln ist Ruh …“) mit Ruhe ausstrahlenden, gleichmäßig bedächtigen Phrasen gütlich tun. -Bei „Warte nur, balde /Ruhest du auch.“ hebt der Sänger mit geschlossenen Augen den Kopf, von einem schönen Schlussakkord unterstützt.

Von den wenigen Liedern, die Anton Bruckner geschrieben hat, hörten wir drei, die bedauern ließen, dass es nicht mehr waren: „Im April“ (Emanuel Geibel; 3 kurze Strophen, von denen die letzten zwei Zeilen „Und kann den Klang nicht finden/So dunkel, mild und weich“  dreimal gesungen werden;  „Herbstkummer (Matthias Jacob Schleiden). Im „Herbststkummer“ sorgt sich der Sänger um ein Röslein, von dem er sich wünscht, dass es den Winter überlebt; und in „Mein Herz und deine Stimme“ (August von Platen-Hallermünde) hört der Sänger eine Stimme „von allzu rasscher Glut“, die ihn erbeben macht: „Mein Herz und deine Stimme/Verstehn sich gar zu gut!“ – was sangesbegeisterte  Menschen recht glaubwürdig anspricht.

Drei Lieder von Hugo Wolf nach Gedichten von Michelangelo Buonarrotti in deutscher Nachdichtung beschließen den ersten Teil des Abends:  1.„Wohl denk ich oft an mein vergangnes Leben“ – ein vormals unbeachteter Mensch erlebt erst dank seiner Liebe: „Genannt in Lob und Tadel bin ich heute,/Und, dass ich da bin, wissen alle Leute!“ – von Groissböck köstlich wichtigtuerisch gesungen. 2. „Alles endet, was entstehet“,  mit einem Rückblick auf frühere Familienmitglieder, die Erde geworden sind – ein Lied, das sehr tief beginnt und sehr still endet mit langer Pause… 3. „Fühlt meine Seele das ersehnte Licht“ – in ein Traumgesicht ist er versenkt – „Daran sind  Herrin, deine Augen Schuld“ ist die finale Feststellung.

Nach der Pause sind wir wieder in dramatischeren Gefilden. Richard Strauss: „Heimliche Aufforderung“ – „Auf, hebe die funkelnde Schale empor zum Mund“ (John Henry Mackay) erlaubt dem Sänger, mit aller Bassesfülle im fortissimo und erhobenem Haupt seine poetische Liebeserklärung zu machen. Herrlich! Ebenso die „Zueignung“ – „Ja, du weißt es, teure Seele…“ (Hermann von Gilm) mit einem fortissimo -„Dank“ endend) und der Rücklick „Wie einst im Mai“ auf „Allerseelen“ beeindrucken ebenfalls durch die so natürlich wirkende Stimmkraft.

Gustav Mahler stand am Ende des Programms und Groissböcks Wiedergabe der fünf Lieder beeindruckte tief. In „Nicht wiedersehen“ (Text aus „Des Knaben Wunderhorn“) lässt der Sänger einen jungen Knaben, ob dessen Kriegsabsenz seine Geliebte  trauernd und weinend verstorben ist, sehr lyrisch und intensiv mit verzweifeltem Gesicht  auf dem Kirchhof beklagen. In „Revelge“ begleitet ihn der Pianist sozusagen marschierend im 4/4-Takt durch alle 5 Strophen, wo der Soldat die Trommel rühren muss und wie festes Treten singt: „Sonst werd‘‘ ich mich verlieren. Die Brüder, dick gesät, Sie liegen wie gemäht.“ wobei der Bassist justament das hoch komponierte Wort „liegen“ in der 5. Strophe am verzweifeltsten singt. Die letzte, 8. Strophe, immer noch im gleichen Rhythmus, konstatiert die wie Leichensteine in Reih und Glied stehenden Gebeine, endend in ganz tiefer Basslage. Die ebenfalls aus „Des Knaben Wunderhorn“ von Mahler übernommenen Texte der letzten drei Lieder, „Zu Straßburg auf der Schanz“, „Der Tambourg’sell“ und „Urlicht“ forderte das Bühnentalent des Bassisten ebenso heraus, das seiner ausdrucksstarken Bassstimme eine noch eindringlichere Präsenz verleiht. Im letzten Lied, das mit den Worten „Ich  bin von Gott und will wieder zu Gott/ Der liebe Gott wird mir ein Lichtchen geben,/Wird leuchten mir bis an das ewig s elig‘ Leben!“ bekräft er diesen Glauben einfach mit einem Blick nach oben.

Das Sanges- und Bühnentalent „unseres“ prächtigen Bassisten wissen wir wahrlich zu schätzen.  Und man hatte Verständnis dafür, dass er als einzige Zugabe sich mit „Du holde Kunst“ verabschiedete. Schließlich hatte an den Tagen vor und nach diesem Liederabend täglich auch Staatsopernauftritte…                                                            

Sieglinde Pfabigan

 

 

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