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WIEN / Musikverein Brahms-Saal: BACH CONSORT WIEN / Rubén Dubrovsky – Bach und Telemann: Sinnlich, mitreißend. Und ein Riesenspaß!

26.01.2018 | Konzert/Liederabende

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Bach Consort Wien. Copyright: Julia Wesely

WIEN / Musikverein Brahms-Saal: Bach Consort Wien / Rubén Dubrovsky – Bach und Telemann: Sinnlich, mitreißend. Und ein Riesenspaß!

25.1. 2018 – Karl Masek

Das Konzert im Brahms-Saal ist ausverkauft. Das Bach Consort Wien hat es seit der Gründung 1999 offensichtlich zu einer großen Fangemeinde gebracht. Diese schätzt den lustvollen Zugang des Wiener Originalklang-Ensembles zur Musik des „Gründervaters“, aber auch von Monteverdi über Porpora und Johann Joseph Fux bis hin zu Händel und Telemann. Auch als Opernorchester ist es seit 2013 (mit großen Erfolgen im Theater an der Wien und der Kammeroper) kaum mehr aus Wien wegzudenken.

Unter der Leitung des charismatischen Wahlwieners Rubén Dubrovskygelang dem Kammerorchester einmal mehr ein mitreißendes Konzert. Dubrovsky wurde in Buenos Aires in eine Musikerfamilie hineingeboren. Er hat polnisch-italienische Wurzeln, der Vater Volksmusiker, die Mutter klassische Pianistin. Sein erstes erlerntes Instrument (im Alter von fünf, sechs Jahren) war das Charango, eine Art Barockgitarre mit dem Corpus und dem Panzer eines Gürteltieres. Der vielseitige Musiker beherrscht somit alle möglichen Zupfinstrumente wie dieColascione(eine Langhalslaute), natürlich Klavier und „sein“ Hauptinstrument, das Cello, das er diesmal aber nur bei einem Werk spielte. Sonst war er mit Passion Continuospieler an Barockgitarre und eben dem Colascione. Als „Tausendsassa“ war er kein Orchesterchef, sondern ein primusinterpares, der sich als Mitmusiker begriff, nicht im üblichen Sinne „dirigierte“, sondern mit beredter Körpersprache immer wieder die nötigen Akzente setzte. Auch für die hinter ihm postierten Musiker hatte er immer ein Auge. Er moderierte die Werke an, verschob zwischen den Stücken die Sessel und hatte sogar Zeit, zwischen seinen zahlreichen Continuo-Einsätzen den konzertierenden Cellisten umzublättern(!).

Das Ensemble spielte mit klangrhetorischer Brillanz und großer Risikobereitschaft. Mitreißend, wie man sich in das effektvolle Brandenburgische Konzert Nr. 1 F-Dur, BWV 1046 von Johann Sebastian Bach mit den klanglichen Kühnheiten und veritablen Überraschungsmomenten stürzte. Hier werden zwei Hörner mit virtuosen Herausforderungen bedacht – und mit welcher Verve Wilhelm Bruns und Tilman Schärf die vielen Triller und Verzierungen, die Melismen in höchster Lage bewältigten und wie sie saftig drauflosschmetterten:  Das nötigte Bewunderung ab. Das Ensemble legte sich gehörig ins Zeug, erreichte hinreißende Wirkung in der brillanten Jagdmusik des 1. Satzes. Mittendrin aber die Klagelaute der bei der Jagd verwundeten Tiere (tief berührend Oboe und Violine!). Mitleid mit der Kreatur kommt bei Jagdmusik sonst nicht vor. Bach macht‘s möglich.

Auch die Brandenburgischen Konzerte Nr. 3 G-Dur, BWV 1048 für drei Violinen, drei Violen, drei Violoncelli – da wechselte Dubrovsky zum Stamminstrument – und Bassocontinuo und das allbekannte „5. Brandenburgische“ D-Dur, BWV 1050 mit dem Traversflötensolo und der berühmten langen Cembalokadenz waren Interpretationen vom Allerfeinsten. Höhepunkte lieferten Charles Blink an der Traversflöte mit Klangsensualtät und Jeremy Joseph mit dem fulminant gespielten Cembalozauberstück.

Riesenspaß machten den Musiker/innen wie dem Publikum die beiden Werke Georg Philipp Telemanns. Der zu Lebzeiten vermutlich erfolgreichste Komponist aller Zeiten mit dem riesigen Gesamtwerk (er erreichte das für damalige Zeiten biblische Alter von 86 Jahren und komponierte bis zum Ende seines Lebens!) bewirkte auch bei diesem Konzert das Gefühl, bei Uraufführungen teilgenommen zu haben.Wie man ihm im 19. Jahrhundert den Ruf eines “platten Vielschreibers“ anhängen konnte, ist uns heute bei Anhören seines vielschichtigen, oft verblüffend „modern“ anmutenden Gesamtwerks ein Rätsel.

Seine von absoluter Könnerschaft geprägten „Concerti“ haben Humor wie später erst die Werke eines Joseph Haydn, somit hohen Unterhaltungswert, ja Spaßfaktor. Dubrovsky erzählte launig, Telemann hätte bewiesen, dass das Vorurteil, Blockflöte und Traversflöte würden sich „nicht besonders gut vertragen“, absolut unzutreffend sei. Beim Doppelkonzert e-Moll, TWV 52:e1, bestätigten  das  Charles Brink und Andreas Helm (der Blockflötist) eindrucksvoll. Mit der abschließenden „Presto“-Stretta löste man einen Jubelschrei aus.

Wie überhaupt nach jedem der fünf Werke Jubel aufbrandete. Besonders apart das abschließende sechssätzigeConcerto grosso F-Dur TWV 54: F1 für Oboe, Blockflöte, zwei Hörner, Violine, Streicher und Basso continuo des großen Magdeburgers Telemann.

Alle 20 Musiker/innen verdienen größte Wertschätzung für einen großartigen, sinnlichen Konzertabend, der obendrein großen Spaßfaktor hatte. Dennoch hebe ich  einige solistisch hervortretende Mitglieder heraus: Dubrovskys Ehefrau Agnes Stradner(die souveräne Konzertmeisterin), David Drabek und Joanna Kaniewska-Eröd(Violine), sowie die beiden tollen Cellisten Philipp Comploi und Peter Trefflinger.

Bei der Zugabe wurde es lateinamerikanisch –  und durch die passionierte Forschungsarbeit Dubrovskys über die traditionelle südamerikanische Musik und ihre gemeinsamen Wurzeln mit der europäischen Barockmusik bekam man Lust, noch viel mehr über diese Musik zu erfahren und sie zu hören. Rubéns Spaß: „Es ist nicht allgemein bekannt, dass Georg Philipp Telemann einen Bruder hatte: Juan Carlos Telemann. Er wurde in Argentinien geboren…“ leitete ein Stück aus dem „südamerikanischen Barock“ ein. Auch dieser Schluss: Sinnlich, mitreißendes Entertainment!

Ich hätte da einen Vorschlag: Es wäre doch sicher nicht „verkehrt“, diesem Meisterensemble (das Jubiläum des 20-jährigen Bestehens 2019 böte sich dabei an!) einmal einen ganzen Zyklus (von Barock bis Tango, von „Bach tothe Roots“, mit der Vielfalt der traditionellen südamerikanischen Musik) in den Musikvereins-Abonnements anzubieten. Das Publikum wird, davon bin ich überzeugt, mitziehen!

Karl Masek

 

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