Wien / Musiktheater an der Wien 16.02.2025 „Norma“
Asmik Grigorian (Norma). Foto: Monika Rittershaus
Nach Salzburgs „Hoffmann“ und der misslungenen „Don Carlos“-Produktion der Staatsoper hat nun auch das Theater an der Wien zugeschlagen: Bellinis „Norma“ musste von altem Staub befreit werden. Ob das passend und/oder notwendig war, muss jeder für sich beantworten. Für uns alte Haudegen der Opernwelt, Dienstzeit mindestens 30 Jahre, gibt es nun schon eine längere Durststrecke der seltsamen Regie-Ideen zu bewältigen. Die Querelen zwischen Galliern und Römern, unerlaubten Gebotsübertretungen einer Priesterin und deren letalem Ende mussten an heutige Maßstäbe angepasst werden. Das alte Übel, dass der Text dann nicht mehr passt, wird geflissentlich übersehen. Regisseur Vasily Berkhatov bietet wenig Erhellendes, zwei politische Gruppierungen ersetzen die traditionellen Feinde, die Protagonisten irren auf der Bühne (Zinovy Margolin) relativ ziellos herum, zehn bildschöne Neonröhren zieren das Obere der Bühne und verdecken teilweise den klaren Blick vom 3. Rang. Zeitweise lässt man auch den Vorhang zur Hälfte unten, wodurch die Beobachtung der Szenerie noch schwieriger wird. Olga Shaishmelashvili steuert zeitlos hässliche Kostüme bei (Ostdeutschland der Fünfzigerjahre).
Im Normalfall kann das musikalische Erlebnis den Ideenreichtum auf der Bühne übertünchen. Das ist an diesem Abend aber nur einer Künstlerin gelungen: Asmik Grigorian in der Titelrolle. Ob wohl man zu Beginn um Nachsicht wegen einer überstandenen Erkrankung bat, hat sie als einzige eine stimmlich bravouröse Leistung geboten. Ihr kräftiger und höhensicherer Sopran überstrahlte alles. Freddie De Tommaso bemühte sich redlich, mit viel Kraft und Lautstärke die Rolle des Schuftes zu spielen. Man kann aber auch übertreiben, in der Hitze des Gefechts misslangen dann doch einige Passagen. Auch Aigul Akhmetshina legte die Rolle der Adalgisa recht heftig an, ihr an sich sehr guter Mezzo hätte ein wenig differenzierter eingesetzt werden müssen. Als Oroveso war Tareq Nazmi ein weiterer Protagonist mit Hang zur Lautstärke. Seine Rolle war in dieser Inszenierung nicht ganz sinnvoll eingebaut, man wusste nicht genau, was er statt eines Oberpriesters hier darstellen hätte sollen, vielleicht Parteisekretär der einen politischen Gruppierung?
Die Wiener Symphoniker spielten unter der nicht eben dezenten Stabführung von Francesco Lanzillotta etwas zu derb, das rächt sich in dem kleinen Haus umgehend. Der Arnold Schoenberg-Chor unter Erwin Ortner sang wie so oft vortrefflich. Ein Gedanke aus einem Interview mit dem Regisseur als eine Art von Rechtfertigung für die Zeitverschiebung: „Das antike Geschehen, ist vorbei, es geht schnell, dass einen die Zeit überholt, wenn man sich nicht laufend anpasst.“ In diesem Sinne bleibt zu hoffen, dass seine Gedanken am besten schon morgen der Vergangenheit angehören und im Dunkel des Vergessens versinken mögen.
Johannes Marksteiner