Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

WIEN/ MusikTheater an der Wien im Museumsquartier: LULU von Alban Berg. Konzertant und eigener Tradition entfremdet

27.05.2023 | Oper in Österreich

Wiener Festwochen: Alban Bergs „Lulu“ konzertant und eigener Tradition entfremdet (27.5.2023)

02 lulu 247 becker v~1
Vera-Lotte Boecker. Foto: Monika Rittershaus

Kurioskurioskurioskurios, wie heutzutage eine nicht gerade unproblematische Musiktragödie mit einer nicht in die Ohren gehenden sondern einer innerste Emotionen ansprechenden Musik szenisch gedeutet werden kann. Alban Bergs zweite Oper „Lulu“ nach Frank Wedekind, 1937 als Torso knapp nach dem Tod des Komponisten in Zürich uraufgeführt, stammt aus der schöpferischen Endphase der großen europäischen Musiktradition. Und eine musikalisch kraftvolle, überzeugende Einstudierung hat das ORF-Symphoniorchester unter Maxime Pascal  für die Wiener Festwochen abgeliefert. Bergs sensible Expressivmusik aus der Zwischenkriegszeit bleibt nach wie vor mehr als heikel für weniger bedarfte Zuhörer und ist auch für Liebhaber anspruchsvoller Musikfreuden ein nicht gar so leichter Fall. Exzellent studiert, ausdrucksstark, hingebungsvoll überwältigte die Sängerbesetzung das Publikum: Vera-Lotte Boecker in der Titelrolle oder Bo Skovhus als Dr. Schön mit aller Eindringlichkeit, mit Anne Sofie von Otter, Kurt Rydl, Martin Summer und und … 

Und? Und? Perfekt als konzertante Wiedergabe, doch szenisch umgesetzt? Schnell wieder vergessen, unnötig den Schnickschack rundherum zu überdenken. Von den Wiener Festwochen hat Marlene Monteiro Freitas, 44jährige Tänzerin von den Kap Verdischen Inseln, erfolgreiche Choreographin für ihre Minikompanie ‚Compass‘ und gut behandelt von den derzeitigen europäischen Vernetzungsstrategen in Sache Kunstvermarktung (wie auch der sich jetzt frühzeitig wieder aus Wien verabschiedende Intendant Christophe Slagmuylder) den Auftrag bekommen, sich an ihre erste Opernregie zu wagen. Kann man zufrieden sagen: Ja, das ist so richtig heutig modern, originelle Ideen, super Zeitgeist, so total gegen den Strich der Edelästhetik von Alban Berg gebügelt? Freitas Performance-Schäfchen wandeln zackig trippelnd oder irgendwie verhalten performend zwischen den Sängern herum …. stopp! Sinnlos daran und an weiteres schon allzu simples Getue zu denken.

Zu staunen bleibt eher, wie sich das derzeitige Wiener Kulturmanagement der eigenen großen Tradition entfremdet. Und auch von den mit Alban Bergs Musiksprache vertrauten Sängern ist zu hören: „Nun, Regie hat es für uns ja keine gegeben, wir mussten uns halt so irgendwie anpassen.“ Für diese lulusche Musikabteilung ist ihre überzeugend gestaltete Darbietung zu einem großen Erfolg geworden. Bezüglich des unnötigen szenischen Aufwandes? Wohl eher nicht, dass der sympathische, stets freundlich entgegenkommende und jetzt frühzeitig ohne einprägende Erfolge erzielt zu haben schon wieder verschwindende Slagmuyder seinen Wiener Geldgebern absichtlich ein Kuckucksei hingelegt haben sollte.

Meinhard Rüdenauer  

 

Diese Seite drucken