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WIEN/ Musiktheater an der Wien: DER FREISCHÜTZ

28.03.2023 | Oper in Österreich

MusikTheater an der Wien: Der Freischütz – 27-3-2023 (Premiere am 22.3.2023).

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Copyright: William Minke

Abgesehen von einer halbszenischen Inszenierung von Olivier Fredj im Theater an der Wien vor genau vier Jahren am 22.3.2019, gab es ebendort eine interessante Produktion von Stefan Ruzowitzky, die am 19.4.2010 unter der musikalischen Leitung von Bertrand de Billy zur Aufführung gelangte. Und diese Produktion erhielt allgemeine Zustimmung. 2018 gab es dann noch eine Neuinszenierung an der Wiener Staatsoper und 2007 eine an der Volksoper.  Das Regiekonzept des Ungarn David Marton, eine „Live-Film-Oper“ dem Publikum dergestalt zu vorzuführen, dass sich das Geschehen von Anbeginn nur auf der Leinwand entrollt, ist nichts neues! In ihrer Inszenierung von Wolfgang Rihms Kammeroper „Proserpina“ an der Neuen Oper Wien im Theater Akzent 2021 verwendete Regisseurin Anna Bernreiter den Kunstgriff des „Theaters der Aufzeichnung“, indem Proserpina in die Unterwelt des Orchestergrabens verbannt wird und das Geschehen von mehreren Kameras auf eine große Leinwand, die vor dem Orchester aufgespannt wurde, übertragen wird. Mit diesem Vorwissen ausgestattet, fiel daher die Enttäuschung an diesem Abend für mich weniger stark aus. Was bei dem Sturm- und Drang-Monodrama von Johann Wolfgang von Goethe „Proserpina“ eine geradezu ideale Umsetzung war, immerhin dauerte die Aufführung lediglich 70 Minuten, war für die knapp dreistündige Aufführung des Freischützen nicht gerade die ideale Wahl. Weniger wäre hier wohl mehr gewesen, denn der Blick auf die Leinwand und die Übertitel bei den fremdsprachigen Dialogen, sowie die Suche nach den nur schemenhaft erkennbaren Sängerdarstellern hinter dem Vorhang, wirkte für einen Großteil des Publikums etwas ermüdend. Die anwesende Jugend aber veredelte diese Performance am Ende mit teilweise stehenden Applausovationen! Im digitalen Zeitalter wird also das Geschehen hinter der Leinwand kunstfertig in einen vorgefertigten Film eingefügt und auf die davor aufgespannte Leinwand gestreamt. Zu Beginn erwachte Agathe auf der Leinwand offenbar aus ihrem von unheilschwangeren Träumen geplagten Schlaf. Wie immer sind bei dieser Oper die gesprochenen Dialoge das große Problem. Dem Regisseur gelang nun ein besonderer Clou, indem er die Sänger in ihrer jeweiligen Muttersprache reden ließ. Die sieben Nationalitäten des Ensembles sprachen nun deutsch, englisch, italienisch, finnisch, ungarisch, russisch und ukrainisch, was eine wohl unbeabsichtigte Parallele zu den sieben Freikugeln, die Kaspar gießt, war. Wenn Max Agathes Cousine Ännchen hinter deren Rücken küsst, so bedeutet das nichts anderes, als dass Agathe und Ännchen bei Regisseur Marton ein- und dieselbe Person sind. Das etwas kitschige Finale mit dem Eremiten als Deus ex machina umschifft Marton dadurch, dass er die Umgebung der Staatsoper mit ihrem Würstelstand und den Straßenbahnstationen, sowie die Opernpassage mit Passanten zeigt. Wenn ich mich nicht völlig geirrt habe, treten auch einige Protagonisten als Fußgänger auf und die Agathe von Jacqueline Wagner erscheint als Betreiberin eines Würstelstandes und ist damit beschäftigt, mit einer Greifzange die Würste zu wenden, während ihr Max, Tuomas Katajala, eine solche genüsslich verzehrt… Für Regisseur Marton stellt die eigentliche Bühne hinter der Filmleinwand ein Filmstudio samt dazugehörigen Drehorten wie Wald, heimelige Stube und Labor, um die Freikugeln zu gießen, dar, die schemenhaft durch den Vorhang erkennbar sind. Das dort stattfindende Geschehen wird von drei Kameraleuten live gefilmt und in Überblendungen und Verzerrungen auf die sich davor befindliche Leinwand gespielt.

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Copyright: William Minke

Was die musikalische Seite dieses Abends betrifft, so spielten die Wiener Symphonikern unter Patrick Lange durchwachsen. Es gelangen ihnen einige spannungsgeladene Bögen, aber das Hörnerquartett produzierte leider einige verwackelte Töne. Drei Live-Kameraleute filmten das Geschehen hinter dem Vorhang, das sich zumeist auf die Mimik und Gestik der Sänger konzentrierte. Nur fallweise hatten die Sängerdarsteller die Gelegenheit, ganzheitlich und körperlich zu agieren. Die US-amerikanische Sopranistin Jacquelyn Wagner erhielt als Agathe ob ihrer gesanglichen Leistung bei perfekter Diktion und stupender Technik einige Male verdienten Szenenapplaus. Ihre Cousine Ännchen wurde von der Russin Sofia Fomina mit wunderschön geführtem Sopran dargeboten. Der italienische Bassbariton Alex Esposito verkörperte den ersten Jägerburschen, einen zynischen und skrupellosen Kaspar, während der finnische Tenor Tuomas Katajala einen gesanglich respektablen zweiten Jägerburschen Max hinter den Vorhang stellte. Der aus Siebenbürgen stammende ungarische Bass Levente Páll sang einen stimmlich geschwächten Eremiten und der in Geldern am Niederrhein geborene Guido Jentjens ergänzte mit markigem Bass als fürstlicher Erbförster Kuno. Der US-amerikanische Bariton Dean Murphy gefiel als böhmischer Fürst Ottokar und der ukrainische Bariton Viktor Rud als reicher Bauer Killian. Der von Erwin Ortner geleitete Arnold Schoenberg Chor war die meiste Zeit über nur zu hören. Am Ende der Vorstellung gab es wohlwollenden Applaus für alle Beteiligten, lediglich das Live-Kamerateam Chantal Bergemann, Mariano Margarit und Michael Würmer wurde – wohl in Ermangelung des Regisseurs – ausgebuht. Aber es gab auch zahlreiche Bravorufe, die wohl mehr den Sängern als der Regie galten…

                                                                               Harald Lacina

 

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