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WIEN/ Museumsquartier/ImPulsTanz: ’naked‘ – und wie das funktioniert !

08.07.2023 | Ballett/Performance

Impulstanz: ’naked‘ – und wie das funktioniert !

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Foto: Bernhard Müller

Dies ist nun bereits die vierzigste Wiener IMPULSTANZ-Ausgabe! Gratulation! Groß aufgezogen, bestens organisiert sind diese alljährlichen sommerlichen vier Performances-Wochen für ihr spezielles Publikum. Sie dürften der Stadt auch mehr Impulse als die zuletzt so dahinsiechenden Wiener Festwochen geben. Jedoch, das heutige Wiener Kulturleben beruht auf einer Einkaufskultur … und das Impulstanz-Festival hat dabei in seiner Sparte schon eine besondere Meisterschaft erworben.

Allerdings, im so dichten Programm zum Auftakt sind zwei heimische Kreative, beide mit international besetzten Kompanien, im Mittelpunkt gestanden. Nackt auf der Bühne, dies scheint bestens zu funktionieren. Doris Uhlich lockte mit „more than naked  – 10th anniversary“ in das Museumsquartier. „Naked“ funktioniert: Splitternackte Frauen, Männer lassen sich willig in Uhlichs ‚Fetttanztechnik‘ fallen. Solo, Paare, lockere Gruppierungen, Ältere, Jüngere, auch Behinderte geben sich schüttelnd & turnend & sich patzig oder dezent vorführend wie auch am Boden harrend zu leicht grausigem Sound ihren Schaustellungen hin. ‚Fetttanz‘ sagt schon aus: So sexy oder künstlerisch anspruchsvoll wirkt dies alles nicht, aber als Befreiung von Konventionen, als Bemühungen zur Selbstfindung werden diese Performances sehr positiv aufgenommen.       

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Foto: Bernhard Müller

Überwiegend jugendlich, leicht ausgeflippt, bisschen queer, wohl recht lebenslustig ist die ordentlich gewachsene Schar des Impulstanz-Gefolges etwa zu charakterisieren. Es kann sicher nicht gesagt werden, dass in den meisten dieser szenischen Darbietungen zu sehr nach tiefgründiger Geistigkeit geschürft wird. Eben: Bewegung, Ausleben, einige aktuelle soziale Aspekte aufgreifend, ein gehöriges Ego – und die heute erforderliche Show. Etwa: Optisch feinst gestylt zu erleben ist das „Relative Calm“-Remake von Choreographin Lucinda Childs und Regieguru Robert Wilson, Kultfiguren der inzwischen auch bereits abmontierten Postmoderne – 1976 ist ihr erster gemeinsamer Hit „Einstein on the Beach“ zu Philip Glass‘ Wirbel- und Wühlmusik gewesen. Jetzt, diese Erinnerung an das Jahr 1981 in einer neueren Version: Wilson hat in seiner sich wiederholenden Manier eine schick eingeleuchtete leere Bühne im Volkstheater geboten, und zu Klängen von John Adams und Jon Gibson haben die eleganten TänzerInnen des römischen ‚MP3 Dance Project‘  ihre sich gleichförmig wieder und wieder wiederholenden, geometrisch konzipierten Schrittfolgen vorexerziert. Dazwischen eingebaut: Rezitierte Nijinsky-Worte zu einer Art von Minimalismus-Persiflage auf Igor Strawinskys „Pulcinella“-Ballettmusik, nicht allzu passend auf diese geniale Komposition. 

Chris Haring ist mit seiner ‚Liquid Loft‘-Company vielleicht als Kreativster in der Wiener Szene hervorzuheben. Liquide ist das Denken von Harings Sippschaft. Und wenn er schon mit „Living In Funny Eternity_ L.I.F.E.“ unerfüllbare Ansprüche stellt, eine lebendige Maskerade hat er auf eine Spielwiese mit dem Publikum direkt auf der Bühne des Burgtheaters hingezaubert. Der Zauber des Abends: Höchst originell werden in Videoprojektionen die sich in den skurrilsten Positionen wohlfühlenden oder am Boden windende Performer auf den Wänden dubliert. Es ergeben sich in kurzen Episoden ständig überraschende und überschneidende Bildwirkungen mit modisch modellierenden Fancy-Drapierungen des sich reizvoll präsentierenden und auch präziöse Emotionen vorspielenden sechsköpfigen Ensembles. Sehr gekonnt gemacht, eher funny für „entscheidende Augenblicke der existenziellen Verdichtung onstage“ beworben. Poppig dazu gelegentlich ein lärmendes Gitarren-Geklirre – auch feinere Eternity-Töne dürfte es wohl geben.

Meinhard Rüdenauer

 

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