
Ensemble mit dem auf der Mondsichel sitzenden Leos Janácek (Ya-Chung Huang). Alle Fotos: Theater an der Wien / Monika & Karl Forster
WIEN / Museumsquartier: Janáceks DAS SCHLAUE FÜCHSLEIN
17. Oktober 2022 (Zweite Aufführung)
Von Manfred A. Schmid
Das Theater an der Wien hat schon mehrmals Opern des mährischen Komponisten Leos Janácek herausgebracht. Erst im vergangenen Februar etwa Jenufa, in der allseits gelobten Inszenierung von Lotte de Beer. Als weitaus weniger gelungen ist hingegen die erste Katja Kabanova as dem Jahr 2008 in Erinnerung geblieben, was vor allem der missglückten Inszenierung von Keith Warner geschuldet ist. Schon im Jahr davor, 2007, dirigierte Pierre Boulez das Mahler Chamber Orchestra in der legendären Aus einem Totenhaus-Inszenierung von Patrice Chéreau. Das war allerdings eine Aufführung im Rahmen der Wiener Festwochen und keine Eigenproduktion.
Nun also Janáceks Das schlaue Füchslein, die erste Inszenierung von Stefan Herheim in seinem Amt als Intendant des nunmehr Musiktheater an der Wien genannten Opernhauses. Herheim nennt im Programmheft als einen Grund dafür, wieso er seinen Einstand mit Janácek und dessen wohl originellstem Werk feiert, dass er, als Norweger, mit dem im mährischen Brno wirkenden Komponisten gemeinsam habe, aus einem europäischen Randgebiet und damit etwas abseits der Kulturzentren zu stammen. Das Stück, das die Grenzen zwischen Natur und Zivilisation, zwischen Mensch und Tier, thematisiert, sie als äußerst durchlässig erscheinen lässt und letztlich überhaupt aufhebt, inszeniert Herheim mit zahlreichen liebevoll gestalteten Episoden. Dazu zählen vor allem die erste Begegnung zwischen dem Füchslein und dem Förster sowie die Anbahnung der engen Beziehung zwischen dem Füchslein und dem Fuchs. Letztere gemahnt auch musikalisch durchaus an die erste Begegnung von Sophie und Octavian im Rosenkavalier, gipfelt hier aber darin, dass der Fuchs die sich alsbald einstellenden zahlreichen Nachkommen hintereinander in die Runde der dahinter Stehenden wirft. Tatsächlich spricht man beim Geburtsvorgang von Tieren ja oft von einem „Wurf“, aber auch der schier unersättliche Kinderwunsch von Papageno und Papagena am Ende der Zauberflöte ist hier nicht fern.

Mélissa Petit (Füchslein Schlaukopf).
Dass im letzten Bild ein riesengroßes, der Anatomie nachempfundenes Herz im Hintergrund die Bühne (von Silke Bauer) dominiert, ist wohl der Versuch, das Ganze nicht in Kitsch abgleiten zu lassen. Gebrochen wird das märchenhafte, nicht immer logisch fassbare, oftr auch spröde Geschehen aúch durch ein plötzlich auftauchendes Bühnenbild, das eine nüchterne Theaterwerkstatt zeigt. Dieser Fingerzeig an das Publikum – Achtung, alles ist ja nur Theater – wirkt eher befremdlich und überflüssig. Ebenfalls befremdlich, geradezu gruselig, ist die Einführung eines aus blutigen Fleischstücken zusammengesetzter weiblicher Leibes. Dessen Sinnhaftigkeit und Bedeutung bleibt rätselhaft. Mehr Berechtigung ist dem Umstand beizumessen, dass Herheim Janácek selbst in das Geschehen einführt: als interessierten, anteilnehmenden Beobachter, oft auf der Mondsichel sitzend und hinunterschauend. Das ist zwar längst – auch bei Herheim – keine Neuheit mehr und, wie alles Modische, inzwischen schon etwas abgegriffen, passt aber gut zur Geschichte und ist zudem biographisch belegt. Der Komponist hatte einmal tatsächlich, in einem weißen Anzug, Füchse im Wald beobachten wollen, wurde aber vom Förster heimgeschickt, um, weniger auffallend gekleidet, wiederzukommen.
In seiner Liebeserklärung an das schlaue Füchslein schwärmt der Fuchs einmal davon, dass man über seine Partnerin noch Romane und Opern schreiben werden. Herheim nimmt das zum Anlass, später jede Menge berühmter Paare aus der Opernliteratur, erkennbar an ihren aufwändigen Kostümierungen (Doris Maria Aigner), auftreten zu lassen. Nett. Doch alle diese einzelnen Episoden bleiben bruchstückhaft und wollen sich nicht zu einem Ganzen schließen. Wieder einmal zeigt sich – wie 2014 schon der opernerfahrene Otto Schenk bei seiner Inszenierung von Janáceks Spätwerk an der Staatsoper erkennen musste – dieses Füchslein ist nicht nur schlau, sondern auch ziemlich widerspenstig und lässt sich – man frage nur den Förster – nicht und nicht zähmen …

Ensemble mit einem emotional aufgewühlten Janácek (Ya-Cgung Huang).
Gesanglich stellt diese Oper, die dem Personalstil Janáceks folgend, sich musikalisch am Sprechduktus orientiert, aber auch von Tierstimmen inspiriert ist, die er auf seinen Wanderungen zu (Noten-)Papier brachte, keine allzu großen Herausforderungen an die Ausführenden. Mélissa Petit in der Titelrolle ist eine entzückende, quirlige Füchsin Schlaukopf, Jana Kurucova, wegen anhaltender Erkältung als indisponiert angesagt, lässt sich davon als spielfreudiger Fuchs wenig anmerken.
Milan Siljanov ist ein duldsamer, eindrucksvoller Förster und Ya-Chung Huang macht sowohl als (stimmloser) Janácek wie auch als (hörbarer) Schulmeister, Mücke, Dackel und Hahn seine Sache gut. Dass der Arnold Schönberg Chor als ein Garant für beste gesangliche Leistung gilt und auch darstellerisch stets engagiert in Erscheinung tritt, ist auch diesmal der Fall. Nur dem jungen Frosch, der am Schluss zum Einsatz kommt, hat es diesmal – wohl vor lauter Aufregung – die Stimme verschlagen. Die St. Florianer Sängerknaben als Ensemble aber lassen nichts zu wünschen übrig.
Giedre Slekyte am Pult der Wiener Symphoniker sorgt für eine gute, zufriedenstellende musikalische Gesamtleistung. Wie auch bei der Inszenierung. kann von einer außerordentlichen Leistung freilich nicht die Rede sein. Der Applaus im vollen Haus zeigt aber, dass es dem Publikum gefallen hat. Hingehen lohnt sich auf alle Fälle.