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WIEN/ Museumsquartier: DAS LIED VOM RAND DER WELT oder DER „ZIGEUNERBARON“. Uraufführung

28.03.2025 | Operette/Musical

Wien

DAS LIED VOM RAND DER WELT oder DER „ZIGEUNERBARON“. Uraufführung

Musiktheater nach der Operette von Johann Strauss in einer Neufassung der Musicbanda Franui
Libretto von Roland Schimmelpfennig

Museumsquartier, Halle E

Bericht über die Aufführung am 27.03.2025 aus der Aufführungsserie 25.03, 27.03.,30.03.,01.04. und 03.04.2025, 19:00-21:55
Werkeinführung jeweils um 18:15 im Foyer

zipr
(c) Liliya Namisnyk

Musikalische Leitung: Andreas Schett
Dirigat: Anna Sushon
Regie: Nuran David Calis
Video: Nuran David Calis
Bühnenbild: Anne Ehrlich
Kostümbild: Anna Sünkel
Licht: Bernd Purkrabek
Dramaturgie: Clara Bender

Barinkay: David Kerber
Saffi: Nadja Mchantaf
Czipra: Helene Schneiderman
Zsupán: Tobias Moretti
Arsena: Miriam Kutrowatz
Mirabella: Miriam Maertens
Ottokar: Paul Schweinester
Graf Homonay: Otto Katzameier
Carnero: Samouil Stoyanov

Musikgruppe: Musicbanda Franui & Strings
Chor: Arnold Schoenberg Chor
Chorleiter: Erwin Ortner

Das Strauss-Jahr 2025 beschert uns 65 Produktionen in 10 Genres an 69 Locations. Da darf auch experimentiert werden. „Der Zigeunerbaron“ (Johann Strauss und Librettist Ignaz Schnitzer) ist in einer Überschreibung von Roland Schimmelpfennig und der Musicbanda Franui zu erleben, inszeniert von Nuran David Calis. Das Libretto wurde vom Autor Roland Schimmelpfennig überschrieben, wobei er hauptsächlich die gesprochenen Zwischentexte neu geschrieben, die Liedtexte zum Großteil original belassen hat. Während die Liedtexte als Übertitel mitgelesen werden können, sind die Zwischentexte ohne Übertitelung und akustisch schwer bis kaum verständlich. Darunter leidet von Anfang an die Inszenierung, die fast genau drei Stunden mit einer Pause dauert. Wird am Ende des ersten Teiles noch freundlich geklatscht, gibt es am Schluss neben Applaus auch deutliche Buh-Rufe und einige wenige Bravo-Rufe. Einige Zuschauer und Zuschauerinnen sind schon in der Pause gegangen.

Worum geht es?

Die Geschichte wird größtenteils wie bei Strauss und Schnitzer erzählt: Ort: Sumpflandschaft, am Rand der Welt, wo eigentlich niemand leben will. Sandor Barinkay kehrt aus dem Exil in seine Heimat zurück, um das Land seiner Vorfahren in Besitz zu nehmen. Dieses Land wird mittlerweile von Nomaden bewohnt und auch vom reichen Schlachter Zsupán beansprucht, denn dort soll ein Schatz verborgen liegen. Die Nomaden erkennen Barinkay als rechtmäßigen Besitzer des Landes an und ernennen ihn zu ihrem Baron. Er heiratet die Nomadin Saffi, sie finden besagten Schatz, doch als alles perfekt scheint, bricht der Krieg aus. Graf Homonay wirbt Soldaten an. Da wird für mich Schimmelpfennigs Interesse an der Geschichte deutlich: „So ein Krieg ist ein Graus …“, „Der Krieg braucht Menschenfleisch …“ Die Nomaden sind in der Überschreibung die Verlierer des Klassenkampfs, die ausgebeutet werden, die als einfache Soldaten in den Krieg geschickt werden. So sie überleben invalid zurückkehren und wieder ausgestoßen an den Rand gedrängt werden.

Schimmelpfennig arbeitet mit bestimmten sprachlichen Mitteln, z.B. mit Loops bzw. Wiederholungen, außerdem sprechen die Figuren meist in der dritten Person über sich selbst wie bei Audiobeschreibungen für höreingeschränktes Publikum.

Zur Musik: Strauss wandte sich in der Komposition Stilistiken der komischen Oper zu. Andreas Schett und Markus Kraler von Franui haben die Partitur in ihrer ganz eigenen Tonsprache überschrieben. Dabei haben sie die Melodien der Arien aus dem Original behalten, aber die Instrumentierung sowie die musikalische Einbettung neu gestaltet, teils neue Tempi, neue Dynamiken, neue musikalische Formen gefunden. Der Chor kommt am besten mit diesen neuen Musikstrukturen zurecht, während die Protagonisten oft unnatürlich gebremst wirken, sodass wenig Sangesfreude aufkommt. Wenn eine Annäherung der Strauss-schen Musik an Kurt Weill und Bert Brecht das Ziel sein soll, dann bitte in Zukunft wieder entweder Strauss oder Kurt Weill.

Die Besetzung wird spartenübergreifend angekündigt: eine Mischung aus Opernsängern und Opernsängerinnen sowie Schauspielern und Schauspielerinnen.

Die Bühne verändert sich durch drei Akte von kleinteilig mit Rahmen und großen Überschriften wie WALD, CAFE PARADISO, FLEISCHEREI, GARAGE zu großen Raumflächen. Ab dem 2. Akt arbeitet die Regie auch mit Kamera und Videos.

Ohne die kluge Werkeinführung der Dramaturgin Clara Bender wäre ich wohl noch mehr im Ungewissen, was mit dieser Uraufführung bezweckt wird. Dass die Welt nie sicher steht, dazu genügen die täglichen Nachrichten. Zu der Erkenntnis braucht es nicht die Überschreibung des Zigeunerbarons.

Elisabeth Dietrich-Schulz

 

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