MITREISSENDE „NORMA“ IM MERKER-KUNSTSALON (7.6.2017)
Marena Balinova-Reichl, Yuko Mitani, Anna Ryan. Copyright: Herta Haider
Wenn man die „Opernbegeisterung“ der Wiener studieren will, dann darf man nicht nur die Großen Häuser besuchen. Nein, da muss man in die Kammeroper, zur Neuen Oper Wien (oft im Museumsquartier) bzw. ins Schönbrunner Schloss-Theater oder in den Merker-Salon in den Festsaal der Bezirksvorstehung von Döbling „pilgern“. Dort gelingt es der umtriebigen Elena Habermann immer wieder, konzertante Opernvorstellungen zustande zu bringen, die den Vergleich zu den Profi-Bühnen kaum zu scheuen brauchen. Am vergangenen Mittwoch gelang ihr wieder ein solches „Kunststück“ – ausgerechnet mit „Norma“ von Vincenzo Bellini, der Parade-Rolle für Stars vom Schlag einer Maria Callas, Joan Sutherland oder Edita Gruberova. Und siehe da, die Geschichte der keltischen Priesterin, die mit dem römischen Besatzungs-Offizier Pollione zwei Söhne hat und ihre geheime Liebe an ihre jüngere Freundin Adalgisa verliert, habe ich noch selten so packend erlebt.
Marena Balinova-Reichl Copyright: Ursula Szynkariuk
Voraussetzung für die große Wirkung der 1831 in Mailand uraufgeführten Oper mit einem Libretto von Felice Romani war nicht zuletzt der Pianist James Pearson. Er brachte das Drama um Liebe, Eifersucht und Selbst-Opferung so richtig zum „Kochen“. Abgesehen von den fehlenden Chören hörte man die komplette Norma mit einem ausgewogenen wie hinreissenden Solisten-Quartett. Dabei hatte eine gute Woche vor dem Konzert die geplante Adalgisa abgesagt. Elena Habermann hatte plötzlich zwei Normas und keine „Gegenspielerin“. Doch Anna Ryan – ein Liebling des Merker Kunst-Salons – lernte in kürzester Zeit die Adalgisa und sorgte für das hohe Niveau der Bellini-Oper. Denn als „Einspringerin“ war die Bulgarin Marena Balinova-Reichl ein echter Glücksfall. Mit dunkler Mittellage und strahlenden Höhen hinauf bis zum dreigestrichenen E faszinierte sie bereits beim „Auftritt“ mit dem berühmten „Casta Diva“. Den Höhepunkt markierten aber die beiden großen Duette zwischen Norma und Adalgisa. Da kämpften zwei verletzte Frauen zunächst gegeneinander, um sich dann gegen das Objekt ihrer gemeinsamen Liebe zu verbinden. Und auch stimmlich schöpften beide aus dem Vollen. Übrigens war es früher üblich, dass Norma und Adalgisa fallweise die Partien tauschten. Ein spezielles Lob für Anna Ryan und ihr mutiges „Einspringen“. Da auch Pollione – der virile Rumäne Daniel Magdal – und Oroveso – der mit mächtigem Bass auftrumpfende Dan Paul Dumitrescu – bestens disponiert waren, stelle der Jubel ähnliche Anlässe in den Schatten. Übrigens war Yuki Mitani eine elegante Clotilde. Und deshalb: alle Protagonisten vor den fiktiven Vorhang und ein spezielles „Dankeschön“ für die Organisatorin! Und als Bitte der „nie genug habenden“ Opernnarren: nur so weiter auf diesem Niveau…
Peter Dusek