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WIEN/ Merker-Kunstsalon im Festsaal Gatterburggasse: NORMA – in konzertanter Form

08.06.2017 | Oper

Merker Kunstsalon im Festsaal Gatterburggasse mit Bellinis Meisterwerk „NORMA“ am 7.6. 2017

Im richtigen Ton kann man alles sagen, im falschen nichts.
Das einzig Heikle daran ist, den richtigen Ton zu finden.
(G.B. Shaw)

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Marena Balinova-Reichl. © Szynkariuk

Der Opernkomponist Vincenzo Bellini hat es seinerzeit den Sängern und vor allem den Primadonnen nicht leicht gemacht – ich meine, das mit dem richtigen Ton. Denn der Schwierigkeitsgrad der melismenreichenTitelpartie mit den unwirklich schönen Koloraturparaphrasen und höchsten Spitzentönen ist wohl kaum zu überbieten und hat Kollegen und Nachfolgern Bellinis als Vorbild und Maß aller Dinge gegolten. Auf großen Opernbühnen sucht man oft vergebens nach dieser Perfektion, die der Merker Kunstsalon seinen getreuen Stammgästen geboten hat, und das nicht ohne dass Prinzipalin Elena Habermann infolge von Umstellungen und Absagen wieder einmal all‘ ihre nie versiegenden Zauberkräfte spielen lassen musste. Als rettender Engel sprang hier unsere Anna Ryan ein, die die schwierige Rolle der Adalgisa als Normas Gegenspielerin innerhalb von 5 Tagen einstudiert hat. Von Improvisation war da nichts zu spüren; alles saß wie aus einem Guss. Das ist der Selbstdisziplin und der Teamfähigkeit großer Künstlerpersönlichkeiten zu verdanken, die sich auch für den kleinen Kreis hochinteressierter Zuhörer nicht zu schade sind. 

Norma – dieser konfliktreiche Stoff aus der Zeit der römischen Eroberungskriege in Gallien, etwa  50 v. Chr., der die Liebe von zwei der Keuschheit verpflichteten Frauen, einer Priesterin und ihrer Novizin,zu ein und demselben Mann aus feindlichem Lager behandelt, wurde an diesem Abend allein durch die stimmliche Ausdrucks­kraft aller Mitwirkenden für die Zuhörer in der unterstützenden und gestaltenden Klavierbegleitung des Pianisten und Korrepetitors James Pearson, die das Orchester ersetzte, zum packenden und unmittelbaren musikalischenEreignis.

Allen voran der schillernde Charakter der Titelfigur, in der ein Stück Iphigenie, Tosca, Medea und Aida zu stecken scheint. In der grandiosen Interpretation dieser einstigen Glanzrolle der Maria Callas durch die hochkarätige Sopranistin Marena Balinova-Reichl wurden alle diese Facetten in höchstem Grade sichtbar und hörbar. Sie bewegt sich wahrhaft mit der Ausstrahlung einer Königin, und ihr Gesicht verliert auch bei den höchsten Spitzentönen und in ihrem stärksten dramatischen Ausdruck nicht seine Noblesse. Wahrlich Meisterklasse! Ihrer großen und raumgreifenden Stimme scheinen keine Grenzen gesetzt.Das zeigt sich schon zu Beginn in der Arie Casta diva, mit der dramatischen Steigerung ihres Gebets um Frieden an die Mondgöttin, indem sich nicht nur die Zerrissenheit ihrer Seele zwischen ihrem Keuschheitsgelübde als Priesterin und ihrer Beziehung zu Pollione, von dem sie immerhin schon zwei Kinder hat, widerspiegelt, sondern auch ihre große Liebesfähigkeit in ganz zarten, fein modulierten Koloraturen.

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Daniel Magdal, Anna Ryan. © Szynkariuk

Die junge Rivalin Adalgisa, die Norma zur schwesterlichen Freundin wird, in der Darstellung von Anna Ryan, ist eines der schönsten Opernbeispiele für eine Freundschaft zwischen zwei Frauen, die sich in den beiden wunderschönen DuettenOh! Rimembranza und Mira o Norma musikalisch entwickelt. Adalgisas Gebet zu Beginn (Sgombra è la sacraselva) wird unterbrochen von dem wankelmütigen Pollione, der sich von Norma abgewendet hat, weil sie ihm gefährlich zu werden droht. Bei ihm ist in charakterlicher Hinsicht zwar Vorsicht geboten, aber stimmlich ist es durchaus verständlich, dass sich die Frauen um ihn reißen. Daniel Magdal, eigens aus Berlin angereist, hat einen sinnlichenTenor mit metallischem Timbre, der  sich bis ins Heldische steigert. Staatsopernbass Dan Paul Dumitrescu mit seiner warmen edlen Tiefe ist als das priesterliche Oberhaupt Orovese ein Glanzpunkt des Abends. Und lastbut not least sei auf die präsente Rollengestaltung der Clotilde als dienender Vertrauter der Norma auch in ihrer bescheidenen Zurückhaltung durch Yuko Mitani mit ihrem schönen in die Mezzolage reichenden Sopran verwiesen. Sie, die viel in der Operette zuhause ist, könnte man sich in dieser Interpretation als eine mögliche Suzuki vorstellen.

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Dan Paul Dumitrescu. © Szynkariuk

Für die hervorragende in sich geschlossene Präsentation der Norma bedankte sich das begeisterte Publikum mit Bravi-Rufen und lebhaftem, lang anhaltendem Beifall.

Ursula Szynkariuk

 

 

 

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