Andreas Brencic, Elena Schreiber, Robert Kolar. Foto: Manfred A. Schmid
WIEN / L.E.O.: Wienerliederliches & Doppelliter-atur mit Elena Schreiber und Robert Kolar
- Juli 2020
Von Manfred A. Schmid
Das Letzte Erfreuliche Operntheater, kurz L.E.O. genannt, ist ein Garant für beste, vielseitig konzipierte musikalisch-literarische Unterhaltung. In Zeiten von Corona tut das besonders gut, und der heißschwüle Sommer tut ein Übriges. Gerade jetzt erinnert man sich als Besucher aber auch an eine weitere Bedeutung des Wortes LEO: Unter einem Leo versteht man – von Kinderspielen herkommend – auch einen Zufluchtsort, ein magischer Ort, der einen vor Nachstellungen schützt, an dem man nicht „abgeschlagen“ werden darf. Und das ist beim L.E.O. in der Ungargasse durchaus der Fall.
Dass dieses einzigartige Musiktheater auch vor dem gefürchteten Covid19-Virus hundertprozentig schützt, ist leider dennoch nicht anzunehmen, auch wenn die Belegung der Sitzplätze allen Auflagen gerecht wird. Eines ist aber allemal sicher: Die heiter-besinnlichen Programme, die den aktuellen Spielplan bestimmen, sind dazu angetan, das Publikum für ein paar Stunden die Öde und Langeweile des Alltags vergessen zu machen und den Ängsten und Albträumen der herrschenden Krise für ein kurzweiliges Weilchen zu entfliehen. Freilich nicht in eine heitere Welt, die gänzlich unbeschwert und trügerisch idylisch daherkommt. Dafür sorgt bei dieser „künstlerischen Expedition“ in die Tiefen und Untiefen der Wiener Seele und in das schier untergründliche Wienerherz u.a. H.C. Artmann mit seiner legendären „schwoazzn dintn“: Wenn Robert Kollar, als Schauspieler, Kabarettist, Sänger und Texter ein Allroundkünstler, Artmanns unheimlichen ringlgschbüübsizza heraufbeschwört, eine Wasserleiche über das Ausbleichen des von seiner Mutter sorgsam gestickten Emblems auf seinem aufgeweichten Totenhemd und einen kindafazara auf der köllaschtiagn über seine dunkle Leidenschaft sinnieren lässt, ist mit wohligem Schauer und leichtem Gruseln zu rechnen. Kollar und Elena Schreiber, ausgebildete Opernsängerin wie auch begnadete Interpretin des Wienerlieds, bringen heiter bis abgründige Lieder, Duette und Gstanzln zum besten – vom alten Wienerlied „Das Glück is a Vogerl“ bis hin zu Neuschöpfungen von Roland Neuwirth, darunter sein irrwitziger Heurigenbesuch eines grünen Außerirdischen, sowie Karl Hodinas ungemein zärtliches Liebeslied „I liassat Kirschen für di wachsen ohne Kern“.
Andreas Brencic, Elena Schreiber. Foto: Manfred A. Schmid
Eingestreut in den musikalischen Reigen sind einige Sketche von Franz Grünbaum und Karl Farkas, die die Lachmuskeln arg beanspruchen. Ein Höhepunkt ist Helmut Qualtingers blendend dargebotene Dialog zwischen einer Ehefrau, die stundenlang im Bett auf ihren Mann gewartet hat, und ihrem Mann. Der, eben erst heimgekommen, tischt ihr höchst abenteuerliche Geschichten auf, was für heroische Taten ihn davon abgehalten hätten, früher zu erscheinen. Mit eisiger, unbewegter Miene hört sie ihm zu und streut nur hin und wieder die lakonisch vernichtende Bemerkung „Es ist vier Uhr, und du bist bsoffen“ ein. Bis er ihr schließlich beichtet, im Tschocherl gewesen zu sein und – wie immer – beim Spielen verloren zu haben.
In der Pause gibt`s Wein und die berühmten Schmalzbrote. Diese werden am kommenden Wochenende vermutlich nicht dabei sein. Dennoch ein heißer Tipp: Am Sonntag treten Elena Scheiber, Robert Kolar und ihr ausgezeichneter Partner am Klavier und Akkordeon, Andreas Brencic, der bei einigen Sketchen mitwirkt und auch selbst ein Lied singt, um 20 Uhr im Rahmen des Kultursommers Wien auf der Kaiserwiese auf. Mit eben diesem, etwas gekürzten Programm „Wienerliederliches & Doppelliter-atur“. Hingehen. Es lohnt sich.