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WIEN / L.E.O.: Napoleon und seine Kastraten

Gelungener, höchst erfreulicher Mix aus Oper und leichte Muse

03.08.2022 | Operette/Musical
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Annette Fischer, Eliana Moretti und Stefan Fleischhacker. Alle Fotos (Handyaufnahmen): Manfred A. Schmid

WIEN / Letztes Erfreuliches Operntheater: NAPOLEON UND SEINE KASTRAtEN

2. August 2022

Von Manfred A. Schmid

Vor ein paar Tagen die Premiere von Kálmáns Kaiserin Josephine in der Badener Sommerarena und nun im L.E.O, so die Kurzbezeichnung für  Wiens „Letztes Erfreuliches Operntheater“, ein Abend unter dem Titel Napoleon und seine Kastraten: Da muss man einfach hingehen. Besonders wenn man weiß, dass der amerikanische Sänger und Musikforscher Robert Crowe mit im Spiel ist, der wie kein anderer seriösen Operngesang und Komik so gut miteinander zu verbinden weiß. Und man darf sich zu Recht darauf freuen, welche neuen Erkenntnisse und kühne Querverbindungen der gefragte Spezialist für Kastraten-Partien in Opern des Barock und der Vorklassik aus der Operngeschichte diesmal charmant und pointiert präsenteren wird.

Wer weiß schon, dass Napoleon das Kastratenwesen in Frankreich abgeschafft hatte, aber ein glühender, heimlicher Verehrer dieser so eigentümlichen Institution blieb, in neueroberten Ländern begierig nach solchen Aufführungen Auschau hielt und gegebenenfalls Kastratensänger mit Gewalt herbeischaffen ließ. Dazu gibt es Arien aus der Oper Giulietta e Romeo von Nicoló Antonio Zingarelli, die schon vor der Wiederentdeckung bei den Salzburger Festspielen 2016 Crowes Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte. Unterstützt wird er dabei von der famosen Sopranistin Annette Fischer und dem Buffo-Haustenor Stefan Fleischhacker, der zudem ein genialer Kunstpfeifer ist und schwierigste Koloraturen in höchster Stimmlage mit souveräner Leichtigkeit wiedergeben kann. Nicht zu vergessen Eliana Moretti, die exzellente Begleiterin am Klavier.

Dazu erfährt man Informationen zum gefeierten und von Napoleon umworbenen Kastraten Girolamo Crescenti und seiner nicht weniger berühmten Partnerin Giuseppina Grassini, hört Bravourarien von Farinelli, kriegt aber von Annette Fischer auch ein Chanson dargeboten, das der Liebe Napoleons zu Josephine gewidmet sind: „Warum hat der Napoleon“ von Franz Grothe aus dem Film Napoleon ist an allem Schuld. Der Mix aus neu entdeckten Hits und Raritäten aus dem Bereich der Oper und der leichten Muse und macht den Reiz dieses vergnüglichen Abends aus.

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Robert Crowe und Stefan Fleischhacker.

Einen Schlenker – ausgehend von Dreiecksbeziehung rund um die Diva Grassini – führt zu Eduard Künneckes Operette Lady Hamilton, deren Titelfigur sich neben ihrem Ehemann auch zu Lord Nelson hingezogen fühlte. Bevor es in die Pause geht, erfreut man sich am schmissig vorgetragenen Duett von Lady Hamilton und ihrem Geliebten

Der zweite Teil beginnt mit Rossinis Der Barbier von Sevilla im Mittel. Bei der von Eliana Moretti fulminant vorgetragenen Ouvertüre wird man wieder einmal daran erinnert, dass Rossini dabei auf die Ouvertüre zu seine Oper Aureliani in Palmira zurückgegriffen und nur die Instrumentation geändert hat. Über die berühmte Sopranistin Angelica Catalani und einer fulminanten Darbietung der Arie der Mathilde aus Rossinis Guglielmo Tell – man erfährt en passant, dass in England das Stück, um  es vor der Zensur zu retten, einmal unter dem Titel Der Tell von Tyrol aufgeführt wurde – landet das abwechslungsreiche, fesselnde und ungemeine unterhaltsame Programm bei der Posse Die falsche Catalani von Adolf Bäuerle, in der der populäre Volksschauspieler Karl Blumenfeld als Catalani große Erfolge in Wien feierte, die darin kulminierten, dass díe Diva selbst anreiste, um das Stück zu sehen, und sich voll begeistert gezeigt haben soll.

Am Schluss noch eine Rarität: Giuseppe Nicolinis Oper Carlo Magno, die fast 200 Jahre als verschollen galt, 2014 in Frankfurt erstmals wieder konzertant aufgeführt wurde. Daraus gab es ein köstliches, höchst komödiantisch vorgetragenes Terzett zu hören, in dem der als Nebenbuhler verdächtigte Widukind gegenüber Karl dem Großen seine Unschuld beweisen kann.

Mit einem zauberhaft gesungenen Mozart-Duett als Zugabe und natürlich mit Fleischhackers zarten Pfeiftönen geadelt, geht ein erfreulicher Abend zu Ende, der wieder einmal zeigt, dass Unterhaltung und (Weiter-)Bildung einander nicht ausschließen müssen.

 

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