
Stefan Fleischhacker und Elena Schreiber. (Handy-)Foto: Manfred A. Schmid
WIEN / L.E.O.: I LOVE IT SHMALTZY – Jüdisches Musik- und Tanzkabarett
26. Juli 2023
Von Manfred A. Schmid
An der Wende zum 20. Jahrhundert emigrierten Zehntausende Jüdinnen und Juden aus dem Osten nach Mitteleuropa, um hier den sozialen Aufstieg zu schaffen. Vor dem Ersten Weltkrieg, vor allem aber in der Zwischenkriegszeit, wurde so Wien, neben Berlin, zum Zentrum der jüdisch geprägten Unterhaltungskultur. Kabaretts und Revuen, Operetten, Film und Literatur wurden in dieser Zeit von jüdischen Autoren dominiert, unter ihnen Fritz Grünbaum, Karl Farkas und Jura Soyfer.
L.E.O., das „Letzte Erfreuliche Operntheater“ Wiens, wie sich das in der Ungargasse etablierte Etablissement selbstironisch und augenzwinkernd nennt, hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Geist des Wiener Musikkabaretts, mit heutigen Zutaten versehen, wieder auferstehen zu lassen. Seit rund 30 Jahren ist das L.E.O. so zu einer Heimstätte des jüdischen Humors geworden, hat die einzigartige Wiener Kabarett-Tradition in Gastspielen im In- und Ausland aber auch außerhalb Wiens bekanntgemacht. Die unsterblichen Schlager aus der Feder von Autoren wie Hugo Wiener oder Hermann Leopoldi gehören ebenso zu den Fixpunkten der Darbietungen wie Fundstücke aus Recherchen in der National- und Wien-Bibliothek, die so der Vergessenheit entrissen werden konnten.
Meilensteine bei dieser Wiederentdeckung waren die zwischen 2010 und 2022 von Georg Wacks entworfenen und inszenierten historischen Kabarettprogramme in der „Hölle“ des Theaters an der Wien. In dreizehn Programmen und einem Tanzintermezzo erfüllten Elena Schreiber, Stefan Fleischhacker, Martin Thoma, Georg Wacks und Christoph Wagner-Trenkwitz, begleitet vom Ensemble Albero Verde, eine der Geburtsstätten des jüdischen Wiener Kabaretts wieder mit Leben. Das 1906 eröffnete Jugendstiltheater und Kabarett „Die Hölle“ im Souterrain des Theaters an der Wien entwickelte sich seinerzeit zu einem der führenden Cabarets im deutschsprachigen Raum. In den von Josef Urban und Heinrich Lefler entworfenen prachtvollen Jugendstilräumen der „Hölle“ wurde auch für das leibliche Wohl gesorgt. Zu den Darbietungen der Künstler und des Hausorchesters – Franz Lehár, Edmund Eysler und der junge Robert Stolz schrieben eigens dafür einaktige Varietéoperetten – wurde bis in die frühen Morgenstunden champagnisiert. Die umjubelten Diseusen Mela Mars und Josma Selim sangen frivole Lieder von Ralph Benatzky und Béla Laszky, Fritz Grünbaum trug Gedichte vor, Karl Farkas conferierte, Hans Moser brachte das Publikum nuschelnd zum Lachen und Grete Wiesenthal brillierte mit eindrucksvollen Tänzen.

Elena Schreiber. Foto: L.E.O. / Christa Fuchs
Auf der überschaubaren Bühne des L.E.O. sind es diesmal Elena Schreiber und Hausherr Stefan Fleischhacker, die in einer kunterbunten, ungemein unterhaltsamen und abwechslungsreichen Revue die Höhepunkte aus 30 Jahren jüdischen Musikkabaretts zum Besten geben. Sie singen, tanzen und spielen, dass es eine Freude ist. Am Klavier Andreas Brencic, auch ein junges, fabelhaftes Paar überzeugt mit einer schwungvoll-rasanten Tanz-Einlage, und Stefan Fleischhacker bewährt sich wieder einmal als begnadeter Kunstpfeifer. Die Lieder erzählen – ironisch bis sarkastisch – von allerleiBeziehungsproblemen, von einem Abendempfang bei den neureichen Tannenbaums, bis hin zu einer umschwärmten, exotischen Peruanerin, die sich vielleicht doch nur als Wiener Straßenbahnerin herausstellen wird.
In der Pause gibt es – wie immer im L.E.O. – Schmalzbrote und Wein statt Austern und Champagner. Das passt zum heutigen Lebensstil, wo, angesichts explodierender Preise, Sparsamkeit angesagt ist. Nicht gespart wird hingegen am Künstlerischen. Was im L.E.O. geboten wird, ist musikkabarettistische Spitzenklasse! Nächste Gelegenheit dazu: Freitag, 28.7., und Dienstag, 1.8.