Krypta in der Peterskirche Wien WIENER BLUT 13.6.2017 (Premiere am 10.9.2016 im KUMST Strasshof).
Hans-Jörg Gaugelhofer, Elisabeth Jahrmann. Copyright: Marcus Haimerl
Das von jungen Absolventen des Lehrgangs „Klassische Operette“ des Konservatoriums Wien gegründete Ensemble „Oper@Tee“ hat nun mit der Krypta in der Peterskirche am Petersplatz 1 im 1. Wiener Gemeindebezirk eine neue Spielstätte gefunden. Unter dem Titel „Oper in der Krypta“ bzw. „Operette in der Krypta“ werden bzw. wurden so große Werke wie I Puritani, La Bohème“, Der fliegende Holländer, „I Capuleti e i Montecchi, Tosca, Norma, Roméo et Juliette, West Side Story, Der Bettelstudent, die Fledermaus und eben auch Wiener Blut mit Klavierbegleitung szenisch gespielt. Die leicht gekürzten Werke werden ohne Chor in hautnaher Nähe zum Publikum dargeboten. Bühne und Zuschauer verschmelzen durch die Unmittelbarkeit zu einer befruchtenden Symbiose, denn man kann sich den enthusiastischen Darbietungen der noch sehr jungen Künstler und Künstlerinnen nicht entziehen und folgt ihnen bereitwillig, jede Phrase ihrer durchwegs hohen Gesangskunst und ihre schauspielerischen Fähigkeiten an diesem Abend genießend.
„Wiener Blut“ firmiert gleichsam als letztes Bühnenwerk von Johann Strauß Sohn (1825-99). Der hochbetagte Strauß war mitten in seiner Arbeit am Ballett Aschenbrödel gesundheitlich nicht mehr in der Lage, eine neue Operette zu komponieren. Dessen ungeachtet aber gab er dem Drängen seiner geschäftstüchtigen Frau Adele, den beiden Librettisten Viktor Léon (1858-1940) und Leo Stein (1861-1921) und dem Theaterdirektor Franz Ritter von Jauner (1831-1900) nach, eine Operette mit seinem Namen zu autorisieren. Der Theaterkapellmeister Adolf Müller junior (1839-1901) erhielt also den Auftrag, bereits vorhandene Walzer für das Libretto auszuwählen und zu einer Operette zusammen zu stellen. Müllers große Theaterpraxis erwies sich bei der Zusammenstellung des Librettos mit den bereits vorhandenen Melodien von Strauß Sohn von großem Vorteil, was wohl mit ein Grund für den großen Erfolg des Werkes bis in unsere Tage ist. Bei seinem musikalischen Pasticcio griff Müller auch sehr frühe biedermeierlich wirkende Tänze von Strauss auf. Die dreiaktige Operette, deren Titel von dem Konzertwalzer „Wiener Blut“, op. 354 aus dem Jahr 1873 stammt wurde schließlich am 26. Oktober 1899 im Carltheater Wien uraufgeführt.
Alice Waginger. Copyright: Marcus Haimerl
Die Handlung spielt zur Zeit des Wiener Kongresses. Im Mittelpunkt stehen die amourösen Eskapaden des Grafen Balduin Zedlau, Gesandter von Reuß-Schleiz-Greiz, der an diesem Abend souverän von Tenor Hans-Jörg Gaugelhofer dargeboten wurde. Seine lebenslustige, aber bisweilen gestresste und eifersüchtige, einem Flirt aber nicht völlig abgeneigte Gattin Gabriele war in der Kehle von Sopranistin Ellen Halikiopoulos bestens aufgehoben. Alice Waginger war mit ihrem perlendem Sopran in der Rolle der Demoiselle Franziska Cagliari, Tänzerin am Kärntnertor-Theater in Wien, eine der Affären des zu Beginn der Operette noch etwas spießigen Grafen. Darüber hinaus verantwortete sie aber auch die Bearbeitung dieser Operette, die Arrangements sowie die Kostüme. Ihr Vater, der besorgte Karussellbesitzer Kagler, wurde von Buffo-Bariton Philipp Landgraf lustvoll und spielfreudig mit erdigem Bariton interpretiert. Die Probiermamsell Peppi Pleininger, äußerst kokett von Elisabeth Jahrmann dargeboten, ist das zweite Verführungsopfer des umtriebig gewordenen Grafen. Aber dieser hat die Rechnung ohne den Wirt in Person seines quirligen Dieners Josef, köstlich blödelnd Christian Graf mit exzellent geführtem Tenor, gemacht. Beim Heurigen in Hietzing vergnügt sich Gabriele, die vom Treiben ihres Gatten informiert wurde, dann mit dem Chef ihres Gatten, dem Fürsten Ypsheim-Gindelbach, Premierminister von Reuß-Schleiz-Greiz, der mit ausgezeichnet geführtem Bariton von Michael Weiland aufwarten konnte. In den Rollen des Fürsten Bitowski, eines Kutscher und eines Kellners wirkte noch Bariton Martin Eder engagiert mit.
Hans-Jörg Gaugelhofer, Christian Graf. Copyright: Marcus Haimerl
Mit seiner zweiten Regiearbeit für das Ensemble „Oper@Tee“ konnte Max Buchleitner beweisen, dass ihm eine kurzweilige, Pointen reiche und schwungvolle Inszenierung des Genres Operette besonders gelegen ist. Man darf gespannt sein, ob er sich in den nächsten Jahren auch einmal an die große Oper heranwagen wird? Die einfachen, aber praktikablen Dekorationen wurden von Georg Weiland entworfen, die Lichtregie besorgte Dorothée Stanglmayr. Die musikalische Leitung hatte an diesem beschwingten lauen Spätfrühlingsabend der Pianist Maximilian Schamschula.
Herzlicher Applaus und einige Bravo-Rufe entließen die alle Mitwirkenden in die verdiente Abendruhe.
Harald Lacina