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WIEN / Kosmos: FRESSEN, KAUFEN, GASSI GEHEN

14.11.2013 | Theater

Fressen Orsini Bettina Frenzel~1 x Fressen SylviaHaider_(c)Augustin-KosmosTheater~1
Johanna Orsini-Rosenberg (Foto: Bettina Frenzel) / Sylvia Haider (Foto: Augustin)

WIEN / Kosmos-Theater:
FRESSEN, KAUFEN, GASSI GEHEN ODER DIE TREUE HAT EINEN HUND von Gabriele Kögl
Österreichische Erstaufführung
Premiere: 6. November 2013,
besucht wurde die Vorstellung am 14. November 2013

Eigentlich ist es eine erweiterte Doppelconference. Die meiste Zeit liefern sich zwei Frauen einen Schlagabtausch über alles und jedes, wobei sie gänzlich entgegen gesetzte Positionen vertreten. Die eine, nach ihrer Funktion im ersten Sketch von dreien benannt, heißt die „Mantelabholerin“, weil der neu gekaufte Pelzmantel Ausgangspunkt der Überlegungen ist, die Einkaufen als Lebensbeschäftigung gegen Langweile und Sinnlosigkeit nehmen.

Die andere Frau wird schlicht und einfach „Hartl“ genannt, und sie ist es, die sich im zweiten Sketch einen Hund zulegt, was (trotz der zynischen Bemerkungen der anderen) einigermaßen zu funktionieren scheint – Ersatzgefühle beim lieben Tier und auch noch Kommunikation mit anderen, ebenso einsamen Hundebesitzern.

Sktech 3 spitzt das, was schon bisher – auch sprachlich – ein Seiltanz der Ironie war, zur vollkommenen Absurdität zu. Da will die Hartl nämlich ihre Frustrationen ausleben und schießt ab, was ihr über den Weg läuft – Hunde (auch der eigene), und ein Hundebesitzer, von dem sie sich etwas Nähe erwartet hat, die er aber einer anderen schenken wollte.

Das sieht sich um einiges witziger an, als die Beschreibung möglicherweise klingt. Die Grazer Autorin Gabriele Kögl (ohne den Beitrag der Bundesländer gäbe es wohl kein breites Angebot österreichischer Dramatik) gemahnt zwar rein sprachlich an große Kollegen von Bernhard bis Schwab, ist aber auf zutiefst weibliche Art erkenntnisreich, zynisch und witzig. Lebensentwürfe werden als scheinbar ideal hingestellt und in ihrer Klischeehaftigkeit demontiert, Positionen ausgelotet. Nebenfiguren (die Verkäuferin, die Hundebesitzerin) zeigen bei aller Persiflage exakte Verhaltensmuster auf. Das Stück ist frech, böse und herrlich unterhaltend.

Und genau so wird es von Regisseurin Barbara Herold in der surrealen Ausstattung von Caro Stark auf den Punkt gebracht – mit der nötigen Schonungslosigkeit, der nötigen Selbstironie und jenem Zynismus, der dem Werk seinen besonderen Charakter gibt.

Johanna Orsini-Rosenberg spielt die Hartl, die einsame Durchschnittsfrau mit den Abgründen (sollte man schon ahnen, als man ihr bei einer schreiend komischen Masturbationsszene zusieht), die ewig Benachteiligte, die letztlich einmal explodiert. Wie sie allein mit der immer etwas steifen, schiefen, eckigen Körpersprache alle Komplexe anspielt, ist eine Köstlichkeit für sich.

Innerhalb weniger Tage ist Sylvia Haider in der Rolle der „Mantelabholerin“ für eine erkrankte Kollegin eingesprungen und spielt die Frau, die sich über nichts Illusionen macht, einfach phänomenal. Es liegt Stärke darin, wie sie keinem Bilderbuch-Klischee über das Leben auf den Leib geht – aber von der unzufriedenen Kundin im Pelzgeschäft, wo sie einen Mantel kauft, bis zum erschreckten Normalmenschen angesichts der herumballernden Freundin doch eine Wandlung durchmacht.

Besonders köstlich ist Maria Fliri in der Rolle der Verkäuferin, die es sichtlich so satt hat, den reichen Damen, die sie bedienen muss, in den Hintern zu kriechen, und die gerne alle Nachteile in Kauf nähme, wenn sie nur auch reich sein dürfte… Zwei Hundebesitzer, wie sie skurriler (und echter?) nicht sein könnten, werden von Isabella Wolf und Cristo Melingo auf die Bühne gebracht.

Das Publikum schwankte zwischen Erkenntnis und schrankenlosem Amüsement.

Renate Wagner

 

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