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WIEN/ Konzerthaus/Resonanzen/Mozartsaal: „Ostinati.Partimenti.Variazioni“ („Unterwelten“

23.01.2023 | Konzert/Liederabende

Konzerthaus: RESONANZEN – Festival alter Musik – „Unterwelten“

Mozartsaal – 22.1.2023  „Ostinati.Partimenti.Variazioni“

Auf den ersten Blick erscheint es verwunderlich, dass das Ensemble 1700, das von der Flötenvirtuosin Dorothee Oberlinger gegründet wurde, sich für musikalische Unterwelten in Form des Generalbasses einsetzt. Die Flöte ist ja in jeder Konstellation eine Oberstimme, aber es wird oft vergessen, dass vor allem im Barock ein Stück meist von der tiefen Stimme her konzipiert wurde und die detaillierte Gestaltung der Oberstimmen den Fähigkeiten der ausübenden Musikern überlassen wurde. Man kann sich das vorstellen wie beim Bau eines mehrstöckigen Hauses. Da gibt es normalerweise mehrere Wohnungen gleicher Größe und mit dem gleichen Grundriss. Trotzdem können sich diese nachdem sie von verschiedenen Mietern bezogen werden, in ihrem Gesamteindruck ganz wesentlich unterscheiden. Während die eine Wohnung helle Vorhänge und Blümchentapeten zieren, sind in der anderen dicke Teppiche für den ersten Eindruck entscheidend. In dieser Hinsicht war es auch erhellend, als der Lautenist Axel Wolf vor einem Partimento von Bernardo Pasquini, das sein Kollege Florian Birsak im Anschluss spielte, erläuterte: „Das was er auf seinem Notenständer aufgelegt hat, hat wenig mit dem zu tun, was sie hören werden“ und zum Beweis, die ersten Takte des Basses auf seiner Laute spielte. In der Tat war dann das Ergebnis auf dem Cembalo nur schwer wiederzuerkennen. Im zweiten Teil des Konzertes demonstrierte Frau Oberlinger aber auch, dass der Weg von vorhandenen Oberstimmen zum zugrunde liegenden Bass nicht so einfach ist. Von einer Telemann-Sonatine galt der Bass lange Zeit als verschollen und das führte zu zwei Rekonstruktionsversuchen, die kurz angespielt wurden. Die Überraschung war dann, dass in einer anderen Bibliothek die originale Bassstimme gefunden wurde und diese wenig Übereinstimmung mit den gutgemeinten Rekonstruktionen hatte.

Das Ensemble bestand auch noch aus Johanna Seitz an der Harfe und Hille Perl als Viola da gamba-Spielerin, die mit einer Follia von Marin Marais auch vom Continuo höchst erfolgreich zur Melodiestimme wechseln konnte.

hab

Dass Konzerte mit Dorothee Oberlinger meist sehr tänzerisch geprägt sind, wurde diesmal durch die Mitwirkung des chilenischen Geigers Yves Ytier unterstrichen, der überraschend mitten in einer Follia den Bogen von der Geige nahm und zu tanzen begann. Im Zuge des Konzertes wechselte er immer wieder zwischen Geige und Tanz, ehe er schließlich beides vereinte und während er seine Pirouetten drehte weiter herzhaft Geige spielte.

Ein höchst erfreulicher Abend im ausverkauften Mozartsaal, der viel Anklang fand.

Wolfgang Habermann

 

 

 

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