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WIEN/ Konzerthaus/ „Resonanzen“ – Festival alter Musik/ „unterwelten“: VERKEHRTE WELT

26.01.2023 | Konzert/Liederabende

Konzerthaus: RESONANZEN – Festival alter Musik – „Unterwelten“

Mozartsaal – 25.1.2023  „Verkehrte Welt“

Dass das Konzert vom Vortag mehr oder weniger willkürlich geographisch mit einem kleinen Ort in den Abruzzen in Verbindung gebracht wurde, ergibt sich dadurch eine unerwartete Möglichkeit, eine Brücke zum heutigen Programm zu schlagen. Es sind nur knapp über 60 Kilometer von den Gole di San Venanzio in die Stadt Teramo. Diese ist der Geburtsort von Antonio di Teramo, der als Zacara di Teramo bekannt ist. Ziemlich genau 100 Jahre früher als Antoine Brumel war das, irgendwann zwischen 1350 und 1360. Er lernte in seiner Heimat die Kunst der Buchmalerei und war spätestens ab 1390 in päpstlichen Diensten als „Scriptor“ und war auch mit der Gestaltung eines leider verschollenen, mit Miniaturen ausgestatteten Antiphonars beauftragt. Es gibt ein Bild von ihm, das seine körperlichen Beeinträchtigungen (er hatte angeblich nur insgesamt zehn Zehen und Finger) zu bestätigen scheint. Vier Päpsten leistete er Dienste, deren letzter der heute als Gegenpapst gewertete Johannes XXIII. war.

Die Texte zu seinen Liedern schuf er selbst. Viele Beispiele aus der „Verkehrten Welt“, in der die Hasen ihre Jäger jagen und braten, fließen ebenso ein wie eindeutige Zweideutigkeiten und Szenen aus dem täglichen Leben auf Märkten und Strassen.

Das Ensemble La fonte musica wurde von Michele Pasotti gegründet, der sein Philosophie-Studium mit einer Dissertation über Martin Heidegger abschloss. Der Leiter spielt selbst die Laute und Federica Bianchi ist für den Bass auf Orgel oder Clavicymbalum zuständig und dazu gibt es noch die beiden Fideln, die von Teodoro Baù und Efix Puleo gespielt werden. Einer spielt sie alla braccia und einer die etwas größere alla gamba. Von den sechs Gesangssolisten hat der Tenor Gianluca Ferrarini das meiste zu singen. Er ist regelmäßigen Besuchern der Resonanzen auch aus anderen Ensembles wie Mala punica bekannt und hat zur rechten Stimme auch ein komödiantisches Talent, das er in der „Balkonszene“ „Donna poss’io spereare“ ausleben darf, wo er um die Huld des auf dem Balkon platzierten Basses (als Donna!) wirbt. Das soll aber das Verdienst der beiden Soprane Alena Dantcheva, Francesca Cassinari, der Altistin Elena Carzeniga (die ihren wunderbar pastosen Alt bei Bedarf auch richtig ordinär klingen lassen kann) und der beiden profunden Bässe Alessandro Ravasio und Matteo Belloto sicher nicht schmälern. Gerade die beschließende Caccia mit der Schilderung von Marktszenen (mit entsprechend kreischenden Stimmen im wunderbaren Durcheinander) gehörte zu den besten Nummern. Nicht umsonst war auch die letzte Draufgabe nochmals eine solche Nummer. (Übrigens versprach Michele Pasotti bei der Ankündigung der Encores hoch und heilig, bis zum nächsten Gastspiel seine Ansprache auch auf Deursch statt Englisch zu halten.)

Einen wesentlichen Anteil an der lockeren Stimmung waren die Details aus der Buchmalerei der „Verkehrten Welt“, die auf eine Leinwand projeziert wurden. (Man kann auf Goggle unter dem Stichwort Verkehrte Welt viele davon finden.)

 

Wolfgang Habermann

 

 

 

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