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WIEN/ Konzerthaus/ „Resonanzen, Festival alter Musik“: UNTERWELTEN – „Inferni: Im Herzen der Finsternis“

22.01.2023 | Konzert/Liederabende

Konzerthaus: RESONANZEN – Festival alter Musik – „Unterwelten“

Großer Saal – 21.1.2023  „Inferni: Im Herzen der Finsternis“

Das kann doch kein Zufall sein: Da wird an einem Abend das alljährliche Festival alter Musik „Resonanzen“ unter dem Motto „Unterwelten“ eröffnet und zur gleichen Zeit findet an der Volksoper die Premiere der Offenbach-Operette „Orpheus in der Unterwelt“ statt. Eines ist in Wien sicher: Geplant war diese Synchronität nicht.

Der erste Abend des Festivals wurde vom Ensemble Les Arts Florissants unter der Leitung von Paul Agnew gestaltet. Das Ensemble wurde 1974 von William Christie gegründet und zählt zu den wichtigsten Reanimateuren der Musik aus der Zeit des Sonnenkönigs. Der Name des aus Chor und Orchester bestehenden Ensembles bezieht sich auf eine Kurzoper von Marc-Antoine Charpentier. Der Schotte Paul Agnew trat zunächst als Tenor mit dem Ensemble auf, ehe ihn William Christie zum stellvertretenden Leiter machte.

Eröffnet wurde der Abend mit zwei Abschnitten aus der Symphonie „Les Elements“ von Jean-Féry Rebel. Dieser wurde 1666in Paris in eine musikalische.Familie geboren. Der Vater war gelernter Schuhmacher, aber seit 1661 Sänger in der „Chapelle royale“ und seine Schwester war eine bekannte Sängerin. Die Symphonie, die dem Prince Victor Amadé de Carignon gewidmet ist, gibt er ein musikalisches Abbild der Schöpfungsgeschichte. Das zu Beginn herrschende Chaos wird durch dissonante Akkorde in den Streichern symbolisiert, die ungeändert in verschiedenen Tempi und Lautstärken wiederholt werden und erst peu à peu durch die zwei Flöten besänftigt werden, so dass Struktur und Melodie in die Musik eindringen. (Vor allem der zweite Flötist muss schnell zwischen einzelnen Phrasen von der „normalen“ Traversflöte auf eine Piccolo und zurück wechseln.) Die Schöpfungsgeschichten der Menschheit gehen meist davon aus, dass das Chaos sich zum Besseren wandelte. Nur Zyniker teilen diese Meinung nicht.

Mit „In guilty night“ des Orpheus britannicus Henry Purcell stellen sich die Gesangssolisten des Abends vor. Die Hexe von Endor, die auf Wunsch Sauls den Geist Samuels beschwört, ist Blandine de Sansal. Die vibratoarme Stimme des Mezzosoprans ist für die alte Musik prädestiniert und  so nimmt es nicht wunder, dass sie vor allem mit Barockformationen auftritt. Der an der Royal Academy of Music ausgebildete Tenor Nicholas Scott war Saul, dem von seinem Vorgänger Samuel, welcher von dem britischen Bass Edward Grint gesungen wurde, eine nicht gerade rosigen Zukunft vorhergesagt wird.

Beschlossen wurde der erste Teil mit Ausschnitten aus der Oper „Médée“ von Marc-Antoine Charpentier. Dieses, dem König gewidmete Werk wurde 1693 im Palais Royal uraufgeführt und trotz des Erfolges verschwand sie in der Versenkung. Erst Ende des 20.Jahrhunderts war es William Christie, der sie zweimal auf Tonträger einspielte und 1984 fand in Lyon wieder eine szenische Aufführung statt. Die Geister der Unterwelt sind hier zuständig für das Gift, mit dem Medea das Gewand der Créuse zur Todesfalle werden lässt und auch für Créons Wahnsinn sind sie verantwortlich. In einigen Szenen aus dem dritten und vierten Akt sind wieder die eben genannten Solisten zu hören.

Der zweite Teil entführt zunächst auf die Zauberinsel der Alcina und bringt zunächst einige Ballettszenen aus dem dritten Akt, ehe Alcina in „Ombre palide“ die Geister beschwört, ihren Geliebten nicht entfliehen zu lassen. Den Abschluss des Konzertes bildet die Oper „Orfeo nell’inferni“ von André Campra. Diese besteht zwar nur aus fünf Szenen und dauert nicht einmal eine halbe Stunde, ist aber eigentlich Teil des dritten Aktes der opera-ballet „Le carneval de Venise“ (ähnlich wie Pergolesis „La serva padrona“ ja auch ein Interludio von „Il prigionier superbo“ ist.) Hier kommt zu den drei Solisten als Orpheus, Eurydike und Pluto noch ein Viertel des Frauenchores in Gestalt von Juliette Peret als seliger Geist zum Einsatz.

Ein kleines Zuckerl bot noch das Encore mit zwei Chorausschnitten aus dem venezianischen Carneval. Im ersten Teil singt der Chor nicht einen Ton, sondern betätigt sich nur (?) mit rhythmischen Klatschen als Perkussionisten.

Wolfgang Habermann

 

 

 

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