22.1.-30.1.2022: „RESONANZEN„
1. KONZERT am 22.1.2022 Le Poème Harmonique unter seinem Leiter Vincent Dumestre (Purcell, Charpentier, Lully)
In Feierlaune
Das diesjährige Motto bezieht sich zum einen darauf, dass im Jahr 1993 erstmals im Konzerthaus eine zehnteilige Konzertreihe stattfand, für die der Name „Resonanzen“ erfunden wurde. Sicher ist die Feierlaune auch dadurch gegeben, dass im Vorjahr die so schön geplanten Frutti di mare zunächst auf zwei Konzerte schrumpften und schließlich doch zur Gänze der Pandemie zum Opfer fielen. (Also genau genommen nicht ganz, denn im Sommer wurde ein Konzert mit amuses gueules aus dem gesamten Menu nachgeholt.)
Wie im Gründungsjahr begann das Festival mit dem Orpheus brittanicus Henry Purcell. War es damals „Dido und Aeneas“, so war es heuer die fünfte von sechs Geburtstags-Oden für Königin Mary II. Jahr Seit ihrer Thronbesteigung schuf Purcell jährlich eine Ode, um den Geburtstag der Monarchin zu feiern. Andere schenken Geburtstagstorten, aber Purcell war wohl als Kuchenbäcker nicht so erfolgreich wie als Komponist. Ausgesprochen reizvoll sind die Nummern mit der von Bruno Fernandes virtuos gespielten Solotrompete. Nach diesem Auftakt folgte ein Schauplatzwechsel nach Paris, wo vor fast auf den Tag genau vor 400 Jahren der Dichters Jean-Baptiste Poquelin geboren wurde, der unter seinem Künstlernamen Molière unsterblich wurde. Der zweite Teil des Konzertes war ein Quodlibet aus Szenen der von Molière und Lully „erfundenen“ Comedies-ballett, wobei auch eine Szene mit Musik von Marc-Antoine Charpentier dabei war. (Das ist der Barockkomponist, von dem zumindest alle europäischen Fernseher ein Stück kennen, ist doch die Eurovisionsfanfare aus seinem „Te Deum“.) Die Musik der anderen Szenen war von Jean Baptiste Lully. Erfreulicherweise boten die Solisten nicht nur Gesang, sondern eine äußerst reizvolle halbszenische Präsentation, die auch in ein wüstes Tohuwabohu mit Chor, Orchester und Solisten mündete. Das Orchester Le Poème Harmonique unter seinem Leiter Vincent Dumestre bewies bei der Draufgabe dann, dass es sich nicht nur auf Barockmusik versteht, sondern sorgte mit einem 2021 komponierten Ragtime zu Ehren Molières für den rechten Sound für einen „Rausschmeisser“. Vor allem bei Purcell und dem oben angesprochenen Tohuwabohu war der erstmals bei den Resonanzen auftretende Chœur accentus ein solides musikalisches Fundament. Die Solisten waren Ana Quintans als sehr instrumental klingender Sopran (die in einem Duett in der Purcell-Ode von Ellen Giacone verstärkt wurde), der schön klingende Countertenor Paul-Antoine Bénos-Djian und der Tenor Cyril Auvity und die drei Baritone Marc Mauillon, Virgile Ancely und Igor Bouin, die von helltimbriert bis zum Bass alles zu bieten hatten. Wenn man sich in der Staatsoper mittlerweile an schwachen Besuch gewöhnt hat, wirkt es umso erstaunlicher, dass der große Saal ausverkauft war und das Publikum wurde offenbar auch von der guten Laune angesteckt.
Wolfgang Habermann