Foto: Mag. Kohki Totsuka
Donnerstag, 31. Oktober, Wiener Konzerthaus, Mozart-Saal
Österreichisch-Koreanische Philharmonie
Kun Woo Paik, Klavier
Rafael Fingerlos, Bariton
Lorenz C. Aichner, Dirigent
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Yongbom Lee: Touch (UA)
Wolfgang Amadeus Mozart: Konzert für Klavier und Orchester B-Dur KV 595 (1791)
Gustav Mahler: Lieder eines fahrenden Gesellen (1884–1885)
Francis Poulenc: Sinfonietta FP 141
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Mit Korea verbindet Österreich nicht nur eine 127-jährige diplomatische Beziehung, sondern ebenso ein von zahlreichen koreanischen Musikernund Musikstudenten in Österreich verkörperter intensiver Austausch aufmusikalischer Ebene. Bereits zum 21. Mal tritt die Österreichisch-Koreanische Philharmonie, ein besonderes Zeichen dieser transkulturellen Brücke, die 1999 von Heinrich Neisser und dem damaligen Botschafter Ban Ki Moon gegründet wurde, diesmal im Mozart-Saal des Wiener Konzerthauses, auf.
Gleich zu Beginn lässt der junge koreanische Komponist Yongbom Lee mit der Uraufführung von Touch aufhorchen. Das Werk will, wie der Komponist ankündigt, das Phänomen der Klanglichkeit einer unmittelbaren „Berührbarkeit“ zuführen. Der musikalische Raum, in dem eine ebensolche Erfahrung möglich werden soll, konstituiert sich überwiegend aus fragmentarischen Impressionen einzelner Stimmgruppen und wird von einer feinfühligen Dramaturgie zusammengehalten, die über zwei Sätze einen Bogen spannt.Yongbom Lee, in Wien bei Johannes Maria Staud und Michael Jarrellausgebildet und mehrfach preisgekrönt, demonstriert in seiner souveränen Handhabe der Instrumentalgruppen samt einer großen Palette von speziellen Spieltechniken nicht nur seine beeindruckende Orchestrierungskünste.: Ihm gelingt vor allem das, was er eben im Programmheft verspricht– die Erfahrung der „Taktilität“ des Klanges, welche den Raum zwischen Subjekt und Objekt in die Unmittelbarkeit überführen und damit aufheben will. Vielleicht mit der Ausnahme des Beginns des zweiten Satzes, der zu disparat in spontanen Einfällen zu zerfallen droht, gelingt Lee sein Anliegen meisterhaft: Man wird fast unwiderstehlich dazu eingeladen, sich von der flüchtigen Unmittelbarkeit der Klanglichkeit „berühren“ zu lassen und von Moment zu Moment darin aufzugehen. Das Orchester ist dabei bemüht, in einer ausgewogenen Balance einen überaus farbenfrohen Klangteppich auszurollen und zugleich die Spannung über das knapp 10-minütige Werk präsent zu halten. Nicht zuletzt für das im Großen Saal nebenan parallel stattfindende Festival Wien Modern wäre Yongbom Lee also ein heißer Tipp.
Vom zeitgenössischen Korea folgt nun ein Sprung in die Wiener Klassik zuWolfgang Amadeus Mozart.Beim wohl nicht überprobten Klavierkonzert Nr. 27 in B-Dur (KV 595) richtet sich die Aufmerksamkeit überwiegend auf den 73-jährigen Altmeister Kun Woo Paik aus Korea, der mit seinem gesättigt-warmen Timbre und der geschmeidigen, teilweise dramatischen Artikulationklar den Ton des Mozart‘schen Abschiedskonzerts angibt. Aus dem Steinway-Flügellässt er eine trächtigeTiefe wie ungetrübtklarenLäufe in der rechten Hand ertönen und bleibt stets transparent in der mehrdimensionalen Stimmführung. Während das Orchester durchgängig mit Präzisionsproblemen kämpft, führt Paik überzeugend durch alle Register der Ausdrucksmöglichkeiten hindurch, welche die eminent intime und wehmütige, aber passagenweise auch spielfreudige Musik des späten Mozart bietet. Die eher an die Romantik erinnernde Agogik und der tendenziell expressiven Klangkultur lassen allerdings eher auf seinen nächsten Auftritt mitrussischem Repertoire oder Beethoven hoffen.
Auf die Pause folgt die Wiedergabe von Gustav Mahlers Lieder eines fahrenden Gesellen, aus denen bekanntlich später Motive für dessen 1. Symphonie entnommen wurden. Der Bariton-Solist Rafael Fingerlos, zuletzt an der Wiener Staatsoper in der höchst erfolgreichen Premiere von Benjamin Brittens A MidsummerNight’s Dreamals Demetrius zu erleben, besticht durch seine junge Stimme mit solider Höhe und durchwegs wortdeutliche Diktion. Hier wie bei der Zugabe („Oh du mein holder Abendstern“ aus Tannhäuer) wird um eine Interaktion zwischen dem Solisten und das Orchester bemüht, wobei der Sänger zwar teils überdeckt, aber über weite Strecken organisch begleitet wird. Bei der Zugabe ragen die vier Violoncelli durch ihre klangschöne homogene Stimmführung hervor.
Den musikalischen Höhepunkt des Abends stellt aber zweifellos die viersätzige Sinfonietta (FP 141) von Francis Poulenc dar. Das einzige symphonische Werk des Franzosen, stammend aus seiner neoklassizistischen Periode, gelangt zum Abschluss des Konzerts mit all seinen geistreichen Facetten und Nuancen zur Darbietung. Zu hören ist etwa die rhythmisierte Lebensfreude der aufspielenden Streicher, ebenso die Melancholie, welche sich kantabel im ersten Satz ausbreitet, und zwischendurch markieren dissonante Einwürfe der Bläser klangliche Akzente. Besonders hervorzuheben ist das meisterhafte Trompetensolo, das nicht nur höchst virtuos die Passagen meistert, sondern auch mit seinem brillanten Klang dem einfallsreichen Werk einen charakterlichen Esprit verleiht.
Gelungen ist dem Kapellmeister der Volksoper Wien Lorenz C. Aichner neben einer überaus durchdachten Programmgestaltung, welche buchstäblich zwischen Korea und Österreich vermittelt, eine insgesamt solide Einstudierungvon vier unterschiedlichen Werken. Souverän und fürsorglich leitet er das kammermusikalisch abgestimmte Ensemble der Österreichisch-Koreanischen Philharmonie und führt es mit kapellmeisterlicher Zuverlässigkeit durch den Abend. Zu bewundern ist jedenfalls die erfolgreiche Frucht eines langjährigen und mit viel Engagement institutionalisierten Kulturaustausches, dessen jährlich veranstaltete Festkonzerte zum fixen Bestandteil des Wiener Konzertprogramms geworden ist. Nach den herzlich erheiternden Eindrücken der ingeniösen Sinfonietta können wir sicherlich gespannt sein, welche musikalischen Brücken nächstes Jahr geschlagen werden.
Mag. Kohki Totsuka