Liederabend Benjamin Bernheim; Konzerthaus Wien, 14. November 2024
Nicht eine sondern zwei Sternstunden mit einem Ausnahmetenor
Benjamin Bernheim. Foto: Lukas Link
Vor wenigen Tagen noch gab er einen umjubelten Liederabend in Los Angeles, am Donnerstag abend war Benjamin Bernheim zurück in Europa und stand auf der Bühne des Großen Saales im Wiener Konzerthaus. Und es lag schon vor seinem Auftritt ein gewisser Zauber in der Luft. Er ist einfach DER Tenor der Gegenwart, jüngst abermals bei den International Opera Awards mit dem Preis Sänger des Jahres ausgezeichnet, und dementsprechend aufgeregt und gespannt gleichermaßen war das Publikum. Das konnte man hören und spüren.
Sein letzter Liederabend in Wien – im Frühling an der Wiener Staatsoper – war schon ein wunderbares Konzerterlebnis. Doch nun dieser Auftritt Bernheims im Konzerthaus war schlichtweg sensationell.
Benjamin Bernheim ist ein Künstler der es sich wahrlich nicht leicht macht. Er hätte auch mit einem weniger anspruchsvollen Liedprogramm reüssieren können. Doch Bernheim ist ein Sänger der sich selbst gerne Herausforderungen stellt. So ist es nicht überraschend, dass er sein Recital mit dem in jeder Hinsicht anspruchsvollen L’heure Exquise von Reynaldo Hahn beginnt. Wunderschön intonierend, mit klarer Diktion und elegischer, leichter Stimmführung besingt er die verträumte Mondnacht und bewältigt dabei die Spitzentöne im zärtlichsten Piano mit geradezu schlafwandlerischer Sicherheit. Nach diesem stimmtechnisch beeindruckenden als auch ausdrucksintensiven Beginn hat es der französische Tenor in wenigen Minuten mühelos geschafft die Zuhörer in seinen Bann zu ziehen. Ja, man weiß nun, dass dieser Abend zu etwas ganz Besonderem werden würde.
Ähnlich subtil und zart geht es mit L’absent von Charles Gounod weiter. Dann folgen die Les nuits d’été von Hector Berlioz. Hier kann Bernheim neben seinen Liedgesangsqualitäten natürlich auch seine Stimme für die große Oper demonstrieren. In diesem Liederzyklus über einsame und traurige Sommernächte zeigte der Komponist schließlich auch sein Faible für die große Oper. Das farbenreiche Klavierspiel findet in Bernheims so in vielen Farben leuchtender Stimme natürlich sein ideales Pendant. Während es bei einem Liederzyklus praktisch verpönt ist, vor dem Ende des Zyklus‘ zu applaudieren, ist das Publikum inzwischen aber so hingerissen, dass es auf diesen Umstand verzichtet und praktisch nach jedem einzelnen Lied Applaus spendet.
Jetzt wird es hier auch Zeit auf den Pianisten des Abends hinzuweisen. Am Klavier begleitet wird der Tenor vom Brasilianer Hélio Vida, der – wie Bernheim dem Publikum erklärt – mit dieser Vorstellung sein Debüt in Wien gibt. Vida erweist sich als sensibler Begleiter, der sich in seinem Vortrag sehr an Bernheim orientiert und mit ihm jede Phrase auszukosten weiß.
Hélio Vida, Benjamin Bernheim. Foto: Lukas Link
Nach der Pause widmet sich Bernheim mit Liedern von Giacomo Puccini jenem Komponisten dem dieser Tage aus Anlass seines 100. Todestages besonders gedacht wird. Und dass der Franzose auch eine Stimme für die italienische Oper hat ist hinlänglich bekannt. Mit dem Bohème-Rodolfo hat er eine seiner Lieblingsrollen gefunden und mit dem Rondine-Ruggero hat er zuletzt eindringlich hören lassen, wie gut ihm Puccini in der Kehle liegt. Kein Wunder. Denn neben der traumhaft schönen Stimme besitzt Bernheim noch das was man Schmelz in der Stimme nennt. Und diesen bekommt man, nebst einem makellosen Legato, dann auch zu hören. Zunächst in Menta l’avviso – mit einer Melodie die man auch aus Manon Lescaut kennt – und dann bei Terra e mare und schließlich bei Solo e amore – hier mit einer Melodie die jeder Opernliebhaber bestens aus La bohème kennt.
Völlig andere Töne schlägt Bernheim dann mit Liedern von Clara Schumann an. Liebst du um Schönheit, Warum willst du and’re fragen, Sie liebten sich beide und Ich stand in dunklen Träumen demonstrieren zweifellos auch das Gefühl das der Tenor für die deutsche Sprache hat.
Für den letzten Teil des Programms kehrt der überaus sympathische Tenor, der besonders mit seinem charmanten, bubenhaften Lächeln immer wieder Kontakt zu seinem Publikum aufnimmt, dann wieder auch zum französischen Repertoire zurück. Doch zuvor erklärt er dem Publikum, wie sehr er sich freut wieder in Wien zu sein, und dass es im letzten Teil zu einer Programmänderung kommt. Eine Besucherin zeigt sich wohl besonders enttäuscht darüber, doch Bernheim kann sie und das Publikum schnell beruhigen. Von den letzten drei im Programm angekündigten Liedern von Henri Duparc wurde nur das zweite Extase durch Chanson Triste ersetzt. Sowohl mit L’invitation au voyage als auch mit Phidylé kann Bernheim mit seiner farbenreichen, prachtvollen Stimme abermals große Begeisterung auslösen.
Es kommt einem an diesem Abend zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon lange fast unheimlich vor, dass da ein Sänger auf der Bühne steht, der, egal was er singt, dies so mühelos und in einer solchen Perfektion macht.
Natürlich ist das Publikum dann am Ende nicht bereit ihn so einfach gehen zu lassen. So folgen drei Zugaben. Den Anfang macht das schwungvolle Chanson Douce France, welches auch Titelgeber seines neuesten Albums ist. Es folgt mit dem herrlich gesungenen Quand on n‘a que l’amour ein Chanson-Klassiker von Jacques Brel. Und zum Abschluss singt der fesche Tenor – sozusagen als Geschenk für das Wiener Publikum – ein leidenschaftliches und mitreißendes Dein ist mein ganzes Herz. Und das letzte was man an diesem Abend von Bernheim hört, ist dieser prachtvolle, im Forte gesungene Spitzenton den er in den großen Saal entlässt und der die Lehár-Nummer beendet. Das Publikum jubelt. Und will eigentlich gar nicht mehr aufhören.
Müsste man diesen Abend mit Begriffen umschreiben, fällt einem ein: Leichtigkeit, Eleganz, Farbenreichtum, vokale Perfektion. Der Begriff Sternstunde wird heute gerne allzu inflationär verwendet. Aber das war eine. Nein, es waren genau genommen zwei Sternstunden eines Ausnahmetenors.
Lukas Link