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WIEN/ Konzerthaus/ Großer Saal: GREAT VOICES – JUAN DIEGO FLOREZ & Bruckner-Orchester Linz

20.06.2023 | Konzert/Liederabende

Konzerthaus, Großer Saal:
Great Voices – Juan Diego Flórez & Bruckner-Orchester Linz am 19.6.2023

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Finaler Applaus für Juan Diego Flórez, das Bruckner Orchester Linz und den Dirigenten Christopher Franklin (c: Pfabigan)

Tenöre mit Höhenstrahlkraft dürfen sich allemal einer besonderen Publikumsgunst erfreuen. Wenn dieses vokale Sondertalent noch dazu mit entsprechender Musikalität und attraktiver Optik konform geht und sich ein paar gute Jährchen auf der Bühne und in Konzertsälen bewährt hat, verwundert einen der Publikumsandrang wahrlich nicht. Diesmal kam eine eher ungewöhnliche „Begleitung“ hinzu: das aus Linz angereiste Brucknerorchester, das zwischen den präsentierten Opernarien auch Ouvertüren spielte, um dem Sänger ein wenig Zeit zu erneutem Durchatmen zu gewähren.

Alles zusammen, unter der kundigen Leitung des weltweit in allen Branchen tätigen amerikanischen Dirigenten Christopher Franklin, bot uns die Möglichkeit, jeweils zu erwägen, was die diversen Ouvertüren („Il matrimonio segreto“, „Così fan tutte“, „Roberto Devereux“, „Carmen“, „Un giorno di regno“) wohl zur folgenden Oper zu sagen haben (könnten) … Gespielt wurde alles jedenfalls nicht nur brillant, sondern auch aussagekräftig, was auf einer Konzertbühne – im Unterschied zu der vertieften Platzung der Musiker unterhalb einer Bühne – zu doppelter Wirkung gelangt und von allen Instrumentalisten auch sichtlich genossen wurde.

Dass der Vokalsolist ganz vorne an der Rampe nebem dem Maestro steht, gibt ihm natürlich noch mehr Präsentationsmöglichkeiten als im Theater. Wäre interessant, zu vergleichen, wie diese Kooperation im Linzer Musiktheater wirkt.)

Juan Diego Flórez gelang es durchwegs, das Gesungene durch passende Mimik und Gestik, sei es in ernsten oder heiteren Stücken, zu ergänzen.

Mit Domenico Cimarosas Arie des Paolino aus „Il matrimonio segreto“: „Pria che spunti in ciel l’aurora…“ macht der Sänger mühelos glaubhaft, dass dem Liebespaar seine heimliche nächtliche Flucht zu einer guten alten Tante, die ihm Schutz gewähren werde, zur Vermählung beitragen werde. Hier versichert das exzellente Höhenregister des Tenors den gewünschten Erfolg. Als Mozarts Titus, der in der ersten Arie „Del piú sublime soglio“ beteuert, dass er sich freut, als Kaiser für sein Volk Gutes tun zu dürfen, und in der zweiten Arie „Se all’impero, amici Dei…“ die gütigen Götter anfleht, die Treue seiner Untertanen durch Liebe erwerben zu dürfen, hätte eine etwas vollere  Mittellage nicht geschadet, zumal die kraftvolle orchestrale Bestätigung des Gesungenen seitens der Bläser gleichsam dazu aufforderte.
In Donizettis Besingung der Gräber seiner Ahnen, „Tombe degli avi miei..:“ aus „Lucia di Lammermoor“ vermochte dieser Edgardo dann alles vokal und textlich zum Ausdruck zu bringen, was den armen, sich verraten fühlenden Liebenden quält. Und man wünscht sich ihn auf der Opernbühne….

Nach der Pause sang Flórez zwei französische Arien: aus Edourd Lalo’s“ „Le Roy d’Ys“: „Puisqu’on ne peut fléchir ces jalouses gardiennes…“ , wo die Wächterinnen ihm keinen Zulass zum Aufenthaltsort seiner Geliebten ermöglichen und er deklariert, dass er sterben werde, wenn sich die Geliebte nicht bald bei ihm einfände, flüchtet der verzweifelnde Liebende  in ganz weiche pianissimi und die letzte Strophe singt er in einem tief berührenden pianissimo: „…Je vis, hélas mourier.“

Harfenklänge und alternierende Streicherkommentare dominieren in Bizets „La jolie de Perth“, wo  Henri Smith sich auf bretonischem Boden mittels seiner Liebesgedanken  himmelwärts zu heben vermeint … Man glaubt es ihm, dem bewährten Lyriker!

Sodann als Donizettis Fernand in „La Favorite“:  Da beklagt er den Verlust seiner Geliebten, die zur „Maitrese du roi“ geworden ist, und flüchtet in die Liebe zu Gott.

Letzlich beweist der Peruaner, dass er mit großem Verdi nicht überfordert sein würde, zumal sowohl in der Arie des Riccardo aus „Un ballo in maschera“ („Forse la soglia attinse“…)  wie auch als Rodolfo in „Luisa Miller“ (immerhin nach Schiller) mit „Oh! Fede negar potessi agl’occhi miei!“ schlüpft er ganz in die Tenorrollen, die vom Interpreten Souveränität in allen Lagen erfordern, sein Einfühlungsvermögen auch vokal überzeugt.

Draufgaben? Natürlich.

„La donna e mobile“ –  nun in allen  Lagen sattelfest  und entsprechend bejubelt, gefolgt von „Nessun dorma!“, bezeugend, dass im Publikum niemanden nach Schlaf verlangt hatte  … Und, wie gewohnt, ergriff er zuletzt  seine Gitarre, um sich selbst einmal mehr in eine passionierte Liebesbezeugung zu werfen und noch ein neapolitanisches Lied mit so natürlichem quasi-Sprechgesang folgen zu lassen, dass man mitsingen hätte mögen …

Bis zum nächsten Mal…                                                              

 Sieglinde Pfabigan

 

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