WIEN / Konzerthaus / Schubert-Saal:
„Mittagsmusik à la Bohemienne“
DOROTTYA LÁNG / STEPHAN MATTHIAS LADEMANN
28. Mai 2014
Es war eines der „Mittagskonzerte“ zu seltsamer Zeit und dennoch fast voll: Offenbar gibt es genügend Menschen, die nicht ins Büro oder zur Arbeit gehen müssen und gerne mittags eine Stunde Konzert einschieben. Im Schubert-Saal des Konzerthauses hat es sich diesmal überaus gelohnt, denn die junge ungarische Mezzosopranistin Dorottya Láng ließ nicht nur eine sehr schöne Stimme, sondern auch ein ebenso ambitioniertes wie abwechslungsreiches Programm hören.
Zuerst hatte Dorottya Láng aus den „Zigeunerliedern“ von Johannes Brahms acht ausgewählt, die ihr sehr gut lagen, weil der Komponist in seiner „Textur“ etwa so dunkel timbriert ist wie ihre Stimme. Dass Dorottya Láng hauptsächlich Opernsängerin ist, merkt man an dem körperlichen Überschwang, mit dem sie dem Inhalt Ausdruck verleiht, aber Liedersingen ist – jeder Sänger, der es tut, wird es bestätigen – ein lebenslanger Prozess, eine Suche nicht nur nach stimmlichem Ausdruck, sondern auch Körpersprache, alles muss geübt und erfahren werden, und es ist auch schön, einer jungen Frau am Anfang zuzusehen.
Hugo Wolf und Liszt sind nicht so einfach zu interpretieren wie der „fließende“ Brahms, aber einen wirklich geglückten Genrewechsel unternahm Dorottya Láng mit dem Sprung zu englischsprachigen Liedern, Aaron Copland, Ned Rorem und vor allem William Bolcom, dessen „Cabaret Song“ mit Titel „Amor“ zu einem Gustostückchen souverän-ironischer Interpretation wurde.
Ganz in ihrem Element war Dorottya Láng aber dann bei französischen Liedern, wobei sie mit drei Stücken von Henri Duparc spätromantischen Impressionismus geradezu hinreißend „schmelzen“ ließ und nach wunderschönen Stücken von Reynaldo Hahn und Déodat de Séverac am Ende noch mit Francis Poulenc geradezu betörend-verführerische Töne darauf setzte. Was wird das einmal – in einem Jahrzehnt? – für eine Dalila sein!
Stephan Matthias Lademann am Klavier musste sich mit ebenso vielen Stilwechseln auseinandersetzen wie die Sängerin und war immer ein wirklich sensibler Begleiter. Und nochmals: die Stimme. Dorottya Láng hat eine wunderbar satte, klangvolle Tiefe und eine Höhe, die es schafft, dennoch das Mezzo-Timbre zu behalten – das ist dann ein dunkler Goldton, der bisweilen wunderschön erklingt. Auch die Technik des fugenlosen Registerübergangs ist weit gediehen, und was man an Kleinigkeiten auszusetzen hätte (etwa eine manchmal noch flache Mittellage), wird sich im Lauf der Zeit einspielen.
Jedenfalls bewies hier ein Operntemperament auch ein echtes Talent für Lieder, und das Publikum erwärmte sich so weit, bald nach jedem Stück begeistert zu klatschen. Die Volksoper hat mit dieser Sängerin eindeutig etwas verloren, Mannheim, wo sie die nächsten zwei Jahre sein wird, zweifellos etwas gewonnen.
Renate Wagner