WIEN/Konzerthaus: „Das klagende Lied“ von Gustav Mahler; eine Rezension in Gedichtform, so wie Heinrich Heine „Deutschland, ein Wintermärchen“ gereimt hat…
am 3.12. 2016 – Karl Masek
Wiener Singakademie. Copyright: Lukas Beck
Es webert und marschnert und wagnert und zischt:
Gustav Mahler sein Opus eins schreibet.
„Rübezahl“ will er vertonen zuerst:
Bei Bechstein und Grimm er dann bleibet.
Zwei Ritter suchen rote Blume im Wald:
Sie rittern um Ehe und Thron.
Die Königin in Erwartung der Blume ist:
Sie wartet im Königsschloss schon.
Im Balladenton Mahler den Text selbst verfasst:
Romantisch und schaurig er klinget.
Von Brudermord die Geschichte erzählt
Eine Knochenflöt‘ Klagelied singet.
Von Klagen und Leid viel die Rede da ist:
Übertönt den Hochzeitstrubel.
Der König, der den eignen Bruder erschlug
Verdient keinen Hochzeitsjubel.
Entreißt dem Spielmann die Flöte sodann:
Doch die Klage, die klingt furchtbar schaurig.
Die Königin stirbt, das Schloss stürzt zusamm‘:
Und die Ballade endet sehr traurig…
So webert’s und marschnert’s und wagnert’s und zischt:
Mit Klangfantasien er führet
Die Hörer in vergangene Märchenwelt:
Doch die Mahlersche Musiksprach‘ man spüret.
„Naturlaut“, Fanfaren, Fernorchester gar:
Schon mit zwanzig viel vorweg nehmend.
„Wunderhornsymphonien“ klingen schon an:
Kolossale Klänge verströmend.
Cornelius Meister den Klang fächert auf:
Die Hörner beschwören den Wald
Die Flöten tirilieren um die Wette sodann
Solisten und Chor singen bald.
Tanja Ariane Baumgartner singt
Ihre Soli geschmackvoll, pastos.
Ein cremiger Mezzo steht ihr zu Gebot.
Ihn setzt sie ein, gekonnt und famos.
Simone Schneider, mit großem Sopran
Intervallsprünge meistert sie kühn.
Den Schrecken der Ritter und Fraun schildert sie
Eindringlich, wenn sie dann fliehn.
Torsten Kerls Tenor, er ist „Wagner“- gestählt:
Er nimmt sich auch lyrisch zurück.
Klingt gewichtig und höhensicher zumal:
Konzentriert und mit Stil: Stück für Stück.
Oskar Stadler, Laurenz Ströbl, zwei Knaben aus Tölz
Für die Knabenrollen hat man geholt.
Sie singen mutig auch tiefe Tön‘:
Auch ihnen hat man Beifall gezollt.
Viel Beifall für die Wiener Singakademie
Heinz Ferlesch studierte sie ein.
Große Bandbreit‘ vom Flüstern bis zu machtvollen Tön‘
Bracht‘ der bewährte Chor diesmal ein.
(Ob Adrian Eröd gesungen hat
War gestern fast nicht zu benennen.
Sein Part war so winzig, unterfordernd schier.
Er war „verschwendet“. So ist es zu nennen.)
P.S. Nun in Prosa: Vor der Pause spielte das ORF Radio-Symphonieorchester Wien in gewohnter Souveränität das Konzert für Violine und Orchester, op. 29 von Ernst Krenek aus dem Jahr 1925. Solist war mit herausragendem Können und all seiner Erfahrung Ernst Kovacic. Dem österreichischen Meistergeiger (Jg. 1944) wurden etliche Werke (von Krenek, über Cerha bis Schwertsik und HK Gruber) gewidmet. Seine Interpretation des dichten, gekonnt geschriebenen und kurzweiligen Krenek-Opus, die Orchesterleistung und der Dirigent wurde jubelnd akklamiert.
Karl Masek