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WIEN / KHM: LUCIAN FREUD

07.10.2013 | Ausstellungen

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WIEN / Kunsthistorisches Museum:
LUCIAN FREUD
Vom 8. Oktober 2013 bis zum 6. Jänner 2014

Der selbst berühmte Enkel…

Großformatig und gewaltig hängen sie an den Wänden des Kunsthistorischen Museums, als gehörten sie den „Alten Meistern“ an. Aber die Bilder von Lucian Freud – Enkel des großen Sigmund – schielen zwar nach eigener Aussage des Künstlers immer nach der großen alten Kunst – aber so realistisch er sich gibt, so ist sein Ansatz doch ganz der des 20. Jahrhunderts. Und deren Nackte sehen nun, fern jeglicher Idealisierung, ganz anders aus als jene, die man sonst in diesem Museum sieht…

Von Heiner Wesemann

Lucian Freud Geboren 1922 in Berlin als Sohn von Ernst Ludwig Freud, einem der drei Söhne des großen Sigmund Freud. Nach einer Kindheit in Berlin emigrierte die Familie 1933 nach London, wo Jahre später auch der von den Nazis aus Wien vertriebene weltberühmte Großvater eintraf. Als Maler lehnte sich der Freud-Enkel in seinen Anfängen an die modernen Bewegungen der Epoche an (vor allem an die Neue Sachlichkeit, wie etwa die frühen Selbstporträts zeigen). In den fünfziger und vor allem sechziger Jahren fand er zu seinem charakteristischen Stil, den man als überhöhten Realismus bezeichnen kann. Skandalträchtig wurde nicht nur sein Werk durch sein Ausstellen menschlicher Nacktheit bis zum (hässlichen) Exzess, sondern auch sein Privatleben. Sexsucht sagte man dem Mann nach, der es auf ungezählte Frauen und zahlreiche Nachkommen brachte, die ihm vielfach nackt Modell saßen (was gerüchteweise oft in eine Tortur ausartete). Er gab sich mit Kriminellen auf nicht immer gesetzestreue Weise ab – und porträtierte sie auch. Dennoch avancierte er in England zu einer Ikone, durfte die Queen malen, erhielt zahlreiche Orden. Seine Werke erzielen Spitzenpreise auf dem Kunstmarkt (ein russischer Oligarch zahlte 33 Millionen Euro für eine Nackte von Lucian Freud). 2011 verstorben, ist er nach Karl Marx der vermutlich prominenteste „Bewohner“ des Londoner Highgate Cementary (Großvaters Urne ruht anderswo in London).

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Lucian Freud und Wien Lucian Freud wollte mit den ehemaligen „Nazi“-Ländern nichts zu tun haben. Sabine Haag, die Direktorin des Kunsthistorischen Museums, nahm den Weg über Freuds Freund seit Jugendtagen, den Kurator Jasper Sharp, der ihn davon überzeugen konnte, dass eine „kleine, aber feine“ Ausstellung im Wiener Kunsthistorischen Museum, in unmittelbarer Nachbarschaft der von ihm verehrten Alten Meister wie Tizian, eine besondere Idee wäre. Noch vor seinem Tod hat sich Lucian Freud damit befreundet, einmal nicht ausschließlich in modernem Umfeld (wie der Londoner Tate) zu sehen zu sein. Auch dass man eine schmale, aber signifikante Auswahl von Werken zeigen wollte, die zu sehr großen Teil aus Privatbesitz kamen (Schauspieler Steve Martin hat das „Naked Girl“ von 1966 geliehen), sagte ihm zu. Die Ausstellung sollte ursprünglich nach Wien auch in den Prado gehen, aber Spanien kann im Moment keine großen Summen für solche Projekte ausgeben. Solcherart ist die Ausstellung in Wien im wahrsten Sinn des Wortes einmalig, und man hat sich auch entschlossen, nicht nur am Donnerstag, sondern auch am Freitag bis in die Nacht offen zu halten, um dem zu erwartenden Ansturm gerecht zu werden.

Die Alten Meister Es war, wie man hört, Großvater Sigmund Freud, der dem kleinen Lucian immer, wenn er nach Berlin kam, einen Kunstdruck mitbrachte. So konnte sich der Junge an Breughel nicht sattsehen. Und entwickelte seine Liebe zu Tizian. Dessen „Diana und Aktaion“ aus der Londoner National Gallery galt als sein Lieblingswerk, und im KHM bringt man seine Bilder in unmittelbare Nähe zu Tizian. Es gibt eine schöne Geschichte zu dem Bild „After Chardin“ aus dem Jahre 1999: Damals lud die National Gallery zeitgenössische Künstler zu Paraphrasen alter Bilder ein. Freud wählte „Die junge Lehrerin“ von Jean Siméon Chardin und verbrachte monatelang Nächte vor dem Original, um im Licht von Halogenlampen an seinem Werk zu arbeiten, das auch in Wien ausgestellt ist. Bei genauer Betrachtung – auch der großartige Katalog hilft dabei – kann man „klassische“ Andeutungen in Freuds Bildern immer wieder finden, eine Handhaltung wie bei Rubens, ein Detail wie bei Velasquez, kleine Verbeugungen vor den Großen, wenn man sie entdeckt.

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Der Aktmaler Der Anteil der Akte in der Ausstellung ist relativ groß, so wie es auch Lucian Freuds Neigung entspricht. Bei aller deklarierten Vorliebe für Tizian und seine Nackten, erschien ihm doch der klassische Akt eine Idealisierung, die ihm fern war: „Er hat immer gesagt, dass er keine Akte malt, sondern ‚nackte Porträts’ – und er sagte: ‚Ich will die Leute nicht so malen, wie sie aussehen, sondern so, wie sie sind’“, erklärt Jasper Sharp. Tatsächlich sind diese Bilder radikal, auch in der Ausstellung der Genitalien, ob weiblich, ob männlich, und dabei machte Freud auch vor sich selbst nicht Halt. Wie Großvater Sigmund dies wohl analysiert hätte? Als seelischen Exhibitionismus, der sich in geradezu greifbare Körperlichkeit auf der Leinwand umsetzt?

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Porträts, Landschaften – und Ägypten Ein Schwerpunkt der Ausstellung gilt Freuds ausdrucksvollen Porträts, wobei die Selbstporträts (immerhin neun an der Zahl) einen natürlichen Schwerpunkt bilden. Man sieht den Misthaufen, den er vor trostlosen Häusern in Paddington gemalt hat, es gibt überraschende Blumen-Stillleben, oder die Waschmuschel, die den seltsamen Titel „Two Japanese Wrestlers By A Sink“ trägt, obwohl man die Ringer auf einem abgeschnittenen Foto kaum ahnt, das Waschbecken hingegen ins Auge springt. Eine besondere Vorliebe hegte Lucian Freud für Ägypten: Sein Großvater hatte ihm – in einer Vitrine zu sehen – den deutschsprachigen Wälzer von James Henry Breasted, „Geschichte Ägyptens“, geschenkt, der angeblich sein Leben lang auf dem Nachtkasten des Enkels lag. Eine Doppelseite aus dem Buch hat er dann auch gemalt.

Ergänzung Als Ergänzung zur Freud-Ausstellung im KHM zeigt das Freud-Museum in der Berggasse unter dem Titel „Lucian Freud: Privat“ die Fotos, die dessen Assistent David Dawson über die Jahre von dem Künstler gemacht hat.

Bis 6. Jänner 2014
Di – So, 10 – 18 Uhr
Sonderöffnung während der Ausstellung „Lucian Freud“: Do und Fr bis 22 Uhr

 

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