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WIEN / KHM: DIEGO VELÁZQUEZ

27.10.2014 | Ausstellungen

Vela Plakat Sie Tür~1
Fotos: Heiner Wesemann

WIEN / Kunsthistorisches Museum:
DIEGO VELÁZQUEZ
Vom 28. Oktober 2014 bis zum 15. Februar 2015

Der Maler der Maler…

Vela Plakat Er~1

Wer Werke von Diego Velázquez sehen wollte, konnte normalerweise in Wiens Kunsthistorischem Museum die Infantin Margarita Teresa dreimal als Kind (allerdings eher abseits der „großen“ Säle) betrachten. Velázquez in Fülle gab es immer nur im Prado. Nun hat das KHM seine guten Beziehungen zum Prado für eine Großausstellung ausgereizt, wie es sie für diesen Künstler im deutschsprachigen Raum noch nie gegeben hat. Die thematische Fülle des Gebotenen besticht ebenso wie die Ästhetik („Pure Freude!“ schwärmt KHM-Generaldirektorin Sabine Haag) und die detailliert zu überprüfende allerhöchste Könnerschaft dieses Künstlers, vor dem auch Kollegen in ultimativem Respekt verharren. „Er ist der Maler der Maler“, urteilte Eduard Manet.

Von Heiner Wesemann

Vela Selbstporträt~1 Selbstporträt

Diego Velázquez (1599–1660) Geboren am 6. Juni 1599 in Sevilla, Sohn einer noblen Familie, zeigte Velázquez schon früh seine Begabung – die ersten Werke, die in Wien gezeigt werden, stammen von dem noch nicht Zwanzigjährigen und widmeten sich religiösen Themen. Er war gerade 24, als er Hofmaler von König Philip IV. wurde. Aber er beschränkte sich nicht auf Porträts des Hofes, wenngleich diese einen großen Teil seiner Arbeit bedeuteten und eine wahre Welt von faszinierenden „Charakterköpfen“ vor dem Betrachter erstehen lassen. In den 46 Gemälden, die in Wien gezeigt werden, ist immer wieder eine Art von lebendig „atmendem“ Zugang zu seinen Objekten festzustellen – abgesehen von der Meisterschaft in Komposition und Farbgebung seiner Bilder. Er war es wohl, der in Spanien, einem Land der Dichtung, den Stellenwert der Kunstform Malerei beträchtlich erhöhte. Velázquez starb am 6. August 1660 in Madrid.

„Hofmaler“ Während einerseits vor dem KHM schon am Vormittag, zur Zeit der Pressebesichtigung, Barrieren herbeigeschafft werden, weil man großen Andrang erwartet, um „eine Königin“ zu sehen (Letizia von Spanien wurde ausgeschickt, ihr Land bei der Eröffnung zu vertreten), kann der Begriff des „Hofmalers“ heutigen Intellektuellen nur Verachtung abringen – Höfling, Schleimer, Dienstbote. Nun, immerhin haben sich vor Velázquez ein Tizian, nach ihm auch ein Goya so verstanden, auch Dürer und Holbein malten Kaiser und Könige. Zwar diente man feudaler Repräsentation, aber gerade aus den Gemälden, die Velázquez von der Familie von König Philip IV. malte, ermisst man, wie spannend, vielfältig und herausfordernd diese Aufgabe war. Auch wurde Velázquez nicht als Produzent von royaler Verherrlichung gering geschätzt, im Gegenteil: Man weiß, wie sehr sich König Philip IV. für seine Arbeit interessierte, wie oft er ins Atelier kam und wie er einen eigenen Stuhl dort besaß, um stundenlang da sitzen und dem Maler bei der Arbeit zusehen zu können…

Vela drei Infantinnen~1

Vela Margarita 1~1 Vela Margarita 2~1 Vela Margarita 3~1 Fotos: KHM

Königliche Bilder: Margarita Teresa Als die Familie Habsburg sich mit den Brüdern Karl (Kaiser Karl V., als Carlos I. König von Spanien) und Ferdinand (Kaiser Ferdinand I. in der „österreichischen“ Hälfte, um es einmal so zu nennen) getrennt hatte, blieb man einander durch oft inzestuöse Eheschließungen stark verbunden. Zwei Generationen hintereinander heirateten Nichten ihre Onkeln, die Brüder der Mütter. So auch Margarita Teresa (1651-1673), die Kaiser Leopold, elf Jahre älter als sie, zugeteilt wurde. Während er geduldig wartete, bekam er drei Kinderbildnisse von ihr zugesandt, die heute – als die dreifache Infantin – ein Stolz des KHM sind. Als sie Leopold 1666 tatsächlich heiratete, explodierte barocke Opern- und Festeskultur bekanntlich mit „Il pomo d’oro“ und dem Rosseballett. Daran, dass dieses entzückende Kind in Wien nicht sehr beliebt war – sie brachte ihren hochmütigen spanischen Hofstaat, die Inquisition und starken Antisemitismus in die neue Heimat mit – und früh starb, will man eigentlich nicht denken… Ihren Gatten hat sie übrigens immer „Onkel“ genannt.

Königliche Bilder: Die Familie König Philip IV., Urenkel von Karl V., Enkel von Philipp II., war in erster Ehe mit einer französischen Prinzessin, in zweiter mit seiner österreichischen Nichte Maria Anna verheiratet, von der Velázquez Abbilder mit geradezu furchterregendem Gesichtsausdruck hinterlassen hat – beschönigt wurde da nichts. Auch Philip IV. selbst wirkt auf uns keinesfalls sonderlich attraktiv. Er und sein Sohn Baltasar Carlos erscheinen auch in den typischen „Reiterbildnissen“, wobei bei jenem des Papa auch Velázquez’ Schwiegersohn Juan Bautista Martinez del Mazo mitgearbeitet hat, von dem es auch ein sehr schönen „privates“ Familienbild mit seinen Kindern (Velázquez’ Enkeln) in der Ausstellung gibt. Das Bildnis des kleinen Baltasar Carlos ist in seiner voranstürmenden jugendlichen Beschwingtheit und strahlenden Farbgebung so faszinierend, dass es den Besucher gleich beim Eintritt in die Ausstellung empfängt und gefangen nimmt (und als „Appetit-Macher“ erster Ordnung auch das Plakat der Ausstellung ziert).

Draufgabe: „Las Meninas“ Dass Velázquez sich selbst in seiner Eigenschaft als Hofmaler thematisiert hat, macht „Las Meninas“ zu dem in diesem Zusammenhang interessantesten Bild überhaupt. Es ist allerdings eine Ikone des Prado, darum habe man, so Sabine Haag, diesbezüglich gar nicht erst angefragt. Aber den Bildnissen von Margarita Teresa gegenüber steht eine relativ gute Fotoreproduktion in monumentaler Originalgröße, die zwar nicht vorgibt, das Bild zu sein, aber zumindest die Information liefert. Da sieht man dann Velázquez selbst ganz links am Rande vor seiner Staffelei. In der Mitte das wohl bekannte süße Kind Margarita Teresa, umgeben von ihren Hoffräulein, den titelgebenden „Meninas“, dazu zwei Hofzwerge, Hund, Nonne und Mönch als diskrete Begleiter, im Hintergrund noch der Haushofmeister. Man hat die kleine Infantin offensichtlich mit großem Gefolge zu einer Porträtsitzung bei dem Maler gebracht – und das ist die Situation, die Velázquez einfängt: Das Bild vor dem Bild, das entstehen wird. Was das Königspaar bedeutet, das im Hintergrund entweder in einem Spiegel oder einem Gemälde zu sehen ist… wer weiß es schon? Ausstellungs-Kuratorin Sylvia Ferino-Pagden, die Direktorin der Gemäldegalerie, zitierte dazu ein e-mail, in dem man ihr mitteilte, dass es derzeit rund 58.000 (!!!) Interpretationen zu diesem Gemälde gibt…

Vela Venus~1

Selbstporträts, Heilige, Alltagsszenen – und die Venus Es gibt nur ein einziges bekanntes Gemälde von Velázquez, das eine schöne Nackte zeigt: Londons National Gallery hat sich von dieser so genannten „Rokeby Venus“ (die ihren Beinamen von dem englischen Adelshaus hatte, in das sie gekauft wurde) getrennt, und sie spannt den Bogen zu Madonnen und Heiligen, zu Bettlern und Hofnarren, zu Szenen aus der Mythologie („Apoll in der Schmiede des Vulkan“) und Wirtshaus-Genres. Velázquez war durchaus der Maler ausdrucksvoller Szenen, aber den Höhepunkt seines Könnens hat er wohl doch als Porträtist erreicht. Sein einziges verbürgtes Selbstbildnis, das ihn als etwa 50jährigen mit skeptischem Blick zeigt, ist auch in dieser Ausstellung zu sehen, die keinen Wunsch offen lässt – sogar eines seiner seltenen Bilder mit Landschaft (Loggia in der Villa Medici) hat vom Prado den Weg nach Wien gefunden. Bis Mitte Februar nächsten Jahres ist nun das KHM eine Velázquez-Hochburg.

Velázquez
Kunsthistorisches Museum, bis 15. Februar 2015, täglich außer Montag 10 bis 18 Uhr, Donnerstag bis 21 Uhr

 

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