WIEN / Kunsthistorisches Museum / Antikensammlung:
BUNTE GÖTTER. Die Farbigkeit antiker Skulptur
Vom 13. November 2012 bis zum 17. März 2013
Bunte Anmut, schrille Größe
Und es war alles ganz anders. Unser Bewusstsein der Antike wird von jenen großen Steinen bestimmt, die über die Jahrtausende Bestand hatten. Sie erscheinen uns in Idealfall strahlend weiß, oder auch hellgrau oder auch in sanften Sandsteintönen. Nichts beeinträchtigt die Eleganz, die wir seit der „edlen Anmut“ und „stillen Größe“ verbinden, mit der einst der deutsche Archäologe und Klassizismus-Erfinder Johann Joachim Winckelmann (der noch von „edler Einfalt“ sprach, die man später in die „Anmut“ Schillers verwandelte) unser Verständnis der Antike prägte. Dass die Welt damals bunt, grellbunt war, hat man gehört, will man aber nicht wahrhaben. Im Kunsthistorischen Museum kann man es nun erleben.
Von Renate Wagner
Von der Eingangshalle rechts Bekanntlich verfügt das Kunsthistorische Museum über eine der größten, wertvollsten und schönsten Gemäldegalerien der Welt. Demzufolge eilen auch die meisten Besucher die Treppe hoch, um hier zwischen Breughel und Tizian (und vielen mehr) zu schwelgen. Mit den neuesten Präsentationen soll man die Sammlungen fokusieren, die man sonst „rechts“ liegen lässt – rechts vom Foyer die Treppe hoch. Dort sind zuerst die Ägypter zu sehen und dann die sensationelle Antiken-Sammlung, die auch in ihrer Aufstellung ein Genuss ist.
Bunter Blickfang Zwischen den edlen Werke der Antike, so gut wie alle in naturfarbenem Stein, prangen nun plötzlich grellfarbige Figuren, Friese, Fragmente: Man hat die Wanderausstellung „Bunte Götter“ nach Wien geholt, die jedes Publikum auf Anhieb schockt, weil sie mit der Vorstellung der klassisch-eleganten, „weißen“ Antike aufräumt. Dabei hat man die Exponate, die nach strengsten wissenschaftlichen Erkenntnissen gestaltet wurden, nicht konzentriert in einem Raum zusammengestellt (der Overkill wäre vermutlich schwer zu ertragen gewesen). Nein, die 14 Objekte finden sich klug „verstreut“, wenn man durch die weitläufigen Anlagen der Antikensammlung wandert. Hier konfrontiert sich unser klassisches Antike-Verständnis nun mit dem alternativen Blick – und das ist wirklich spannend.
In München begann’s In der Münchner Glyptothek wurde offenbar die Idee geboren, die minimalen Farbreste, die sich auf antiken Statuen und Gebäuderesten zu finden, genau zu analysieren. Nach jahrelangen Forschungen gab es dann 2003 erstmals das Ergebnis – Abgüssen von untersuchten Originalen in Gips bzw. Kunst- oder Gussmarmor, wobei deren einstige Farbigkeit aufgrund der erhaltenen Hinweise rekonstruiert wurden. Und man verwendete auch jene Farbpigmente, die in der Antike zur Verfügung standen. Mit vielfach erstaunlichem Ergebnis. Vor allem: so bunt! In unseren Augen: schlechtweg schrill.
Voran schöne Damen Frauenstatuen sind es, die (auch als Blickfang auf Plakat und Katalog) besonders ins Auge springen. Die so genannte „Chioskore“, die von der Akropolis in Athen stammt, prunkt nun mit geschminkten Lippen, blonden Locken, blau gemustertem Kopfschmuck, farbigem Gewand, und die Grabfigur der Phrasikleia prunkt nicht nur mit rotem Gewand, sondern auch farblich ausgeführtem Schmuck.
Ein Fries, der Sarkophag…. Weitere Höhepunkte sind der Giebel des Aphaia-Tempels von Ägina, wo die Figur eines trojanischen Bogenschützen auf sich aufmerksam macht (man nennt ihn jenen „Paris“, der durch seinen Raub der Helena den ganzen Trojanischen Krieg anzettelte): Hosen und Arme sind von einem so frappierenden bunten Muster – wie übrigens auch das eine rekonstruierte Bein des „Perserreiters“ -, dass es geradezu clown-artig, aber auch enorm heutig anmutet: Solche Strumpfhosen tragen modisch unternehmungslustige Damen jederzeit… Der berühmteste aller Sarkophage, der Alexander-Sarkophag (man kennt das heute unbemalt erscheinende Original aus dem Museum in Istanbul und weiß auch, dass Alexander selbst nicht darin begraben wurde, dass nur seine Schlachtenszenen darauf zu sehen sind), ist hier an einer Seite „voll bunt“ zu sehen – gelbe Schilde, rot-gelbe oder blau-weiße Uniformen, fleischfarbene „Nacktheit“ in der Szene aus dem Perser-Kampf.
Bunte Menschen Nicht nur die Götter waren bunt, sondern, wie man gesehen hat, auch die Menschen, und ein Porträtkopf des berüchtigten Kaisers Caligula zeigt hier ganz deutlich den Unterschied in der Wirkung: Bietet der reine Stein ja doch Verfremdung und Überhöhung eines Antlitzes, so erzielt die Farbigkeit erstaunliche Lebendigkeit. Und dass die Antike durchaus nicht leblos, sondern höchst lebendig war – das hat uns die Geschichte ja überliefert. Wenn die Forschungen weitergetrieben werden und uns eines Tages so etwas wie einen Farbkodex der Antike liefern könnten, würden wir über diese Epoche vermutlich noch ein wenig mehr wissen.
Bis 17. März 2013,
Di – So, 10 – 18 Uhr Do, 10 – 21 Uhr