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WIEN / Kasino: DES KAISERS NEUE KLEIDER

11.10.2020 | Theater


Fotos: Burgtheater © Susanne Hassler-Smith

WIEN / Kasino des Burgtheaters:
DES KAISERS NEUE KLEIDER
Ein Familienstück frei nach Hans Christian Andersen
Bühnenfassung von Wolf-Dietrich Sprenger
In einer Bearbeitung von Rüdiger Pape und Sabrina Zwach
Premiere: 10. Oktober 2020

Hans Christian Andersen zum zweiten in der Jugendtheater-Schiene des Burgtheaters. Hat man vor einer Woche gesehen, wie geschickt und kindergerecht Roland Schimmelpfennig den „standhaften Zinnsoldaten“ bearbeitet hat, so fielen nun „Des Kaisers neue Kleider“ zwar üppiger, aber nicht ganz so überzeugend aus. Vielleicht, weil man auch über-inszenieren kann…

Die Vorlage ist heftig bearbeitet worden. In Andersens Märchen sind es zwei Betrüger, die den allzu eitlen Kaiser mit fiktiven (nämlich gar keinen) Gewändern ausstatten, für die sie viel Geld kassieren. So, wie die Geschichte in vielfacher Bearbeitung auf der Bühne des Burgtheater-Kasinos gelandet ist, ist der zappelig-eitle Kaiser nicht von zwei braven alten Ministern, sondern einer Ministerin für Reichtum und Geld und einem Minister für Ordnung und Ruhe umgeben, dazu von einem Lakaien, der Hauptrollen-Charakter hat. Als ihnen für den täglich wechselnden Kleiderluxus das Geld ausgeht, fangen sie an, einfach solches zu drucken…

Und da gibt es auch noch Marie und Paul, zwei junge Leute, als „Paketträger“ tätig, die Riesenkisten mit Kleidern herbeischleppen müssen, sich aber in ihrer Eigenschaft als „Volk“ vernachlässigt fühlen. Dass sie nun den Trick mit den falschen Kleidern ausführen, nicht aus betrügerischen Gründen, sondern um den Kaiser zur Einsicht zu bringen, ist nicht gänzlich logisch, aber sei’s drum. Immerhin kommt in dieser Fassung der Kaiser, der dann „nackt“ auftritt, zur Erkenntnis, dankt ab und ruft die Demokratie aus, während er bei Andersen unerschütterlich nackt seinen Weg fortsetzt…

Was dieses Märchen so berühmt gemacht hat, ist der Kinderruf „Aber er hat ja nichts an!“ – und das, was davor geschieht. Denn der Trick der Betrüger, hier jener von Marie und Paul, besteht darin, dass sie behaupten, jene Menschen die dumm wären oder für ihr Amt nicht taugten, könnten die Kleider nicht sehen… Das wird zur Nagelprobe des Anstands, die keiner besteht aus Angst um Stellung und Pfründe, und dieses Verhalten ist immer und überall auf dieser Welt zu beobachten (wenn auch am stärksten derzeit im Weißen Haus, wo immer noch Leute zu dem ganzen Trump-Wahnsinn bestätigend nicken, als spräche er die lautere Wahrheit…). So hat ein Kindermärchen, das hier durch den gereimten Text noch lustiger wird,  eine politische Botschaft von ewiger Gültigkeit – und sollte auch zur eigenen Gewissenserforschung aufrufen.

Allerdings kommt man bei der Aufführung, die der deutsche Regisseur Rüdiger Pape (bekannt für seine Kinder-Produktionen) im Kasino zur hübschen Dekoration von Flavia Schwedler hinstellt, nicht zum Denken. So komisch die Kostüme von Thomas Rump auch sind und so sehr sie mitspielen und mitspielen müssen, sie sind ein Teil der Über-Drüber-Opulenz, in welcher der Abend (Nachmittag als Kindervorstellung) ertrinkt. Unnatur überall, alle müssen zappeln, trippeln, sich verbiegen, herumrollen, weil sie ja Kunstfiguren sind, aber dauernder Slapstick macht letztendlich nur müde. Überflüssigerweise wird auch noch gesungen. Einiges ist hübsch, vieles ist zu viel.

Die Schauspieler müssen da Ungeheures leisten, vor allem Arthur Klemt als hektischer, dem Kleidungswahn verfallener Kaiser und Felix Kammerer als sein gummimenschenartig-beweglicher Lakai (mit Gesangsverpflichtug – aber das hat er ja als Kirchschlager / Kammerer-Sohn in die Wiege gelegt bekommen). Hanna Binder ist als Ministerin für Reichtum und Geld gewissermaßen eine Ganzkörper-Halskrause, während Stefan Wieland als Minister für Ordnung und Ruhe die gewaltige Krause dort trägt, wo sie hin gehört. Annina Hunziker und Lukas Haas als die normalen Menschen, das Volk eben, bekommen da weniger Möglichkeiten mit Ausnahme der Szenen, wo sie pantomimisch mit den nicht vorhandenen Stoffen agieren, die dann alle zu sehen vorgeben… Wie die Menschen nun einmal so sind.

Renate Wagner  

 

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