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WIEN / Kammerspiele: ZIEMLICH BESTE FREUNDE

20.03.2014 | Theater

ZiemlichbesteFreunde_Teaser

WIEN / Kammerspiele der Josefstadt:
ZIEMLICH BESTE FREUNDE
Nach dem gleichnamigen Film von Oliver Nakache und Eric Toledano.
Bühnenfassung: Gunnar Dreßler
Premiere: 20. März 2014,
besucht wurde die Generalprobe

Was kam da 2011 nicht alles zusammen, um den Film „Ziemlich beste Freunde“ (wie das französische Original „Intouchables“ im deutschen Sprachraum hieß), zu einem überdimensionalen Erfolg zu machen. Die Regisseure Olivier Nakache und Éric Toledano hatten das Buch von Philippe Pozzo di Borgo verfilmt, einem reichen Mann, der nach einem Unfall beim Paragliding im Rollstuhl sitzt – als „Tetraplegiker“, und das ist, wie man gleich lernt, ein Mensch, der vom Hals abwärts zwar nicht bewegungslos, aber gänzlich ohne Gefühl ist. Pozzo hatte einen schwarzafrikanischen Pfleger gefunden, der ihn offenbar durch seine unbefangene Wesensart aus einer Depression herausholte.

Der Film – preisgekrönt, für den Auslands-„Oscar“ eingereicht und nicht nur in Frankreich ein riesiger Publikumserfolg – spielte nun auf der Klaviatur der „schwierigen“ Themen, Behinderung, Farbige, soziale Abgründe, aufgehoben durch Frechheit und Naivität. Die Spekulation war penetrant, aber sie ging auf. Und weil das Theater offenbar so arm an Stücken ist, dass man ununterbrochen Filme auf die Bretter holen muss (in Wien laufen derzeit auch die „Kalender Girls“), kommt nun in den Kammerspielen auch „Ziemlich beste Freunde“ an die Reihe. Weil doch zuletzt – auch mit dem Team: Michael Gampe / Regie und Michael Dangl / Hauptdarsteller – das Stotterer-Drama „The King’s Speech“ vor eineinhalb Jahren so überaus erfolgreich war. Auch eine Behinderung. Aber nicht ganz so peinlich kalkuliert.

Nun hat der Film, man mochte ihn mögen oder nicht, die beiden gegensätzlichen Charaktere perfekt ausgearbeitet, Philippe, den reichen Mann im Rollstuhl, ohne Perspektive, und Driss, den einigermaßen kriminellen Nordafrikaner, im Grunde auch ohne Perspektive, der den Job als Pfleger des Querschnittgelähmten eigentlich nicht will, aber dann doch annimmt. Die Dramatisierung von Gunnar Dreßler wirkt dagegen in der Figurencharakteristik gänzlich ausgedürrt, so dass auch ein so „griffiger“ Regisseur wie Michael Gampe wenig retten kann.

Ziemlich beste Freunde_MichaelDangl_NikolausOkonkwo
Foto: Barbara Zeininger

Und für Michael Dangl erweist sich der Rollstuhl zwar zwischendurch auch als Thron, aber das Kreuz und Quer von Tragödie und (schlecht) aufgesetzten Pointen wirkt nur peinlich, auch wenn der sehr „arabisch“ wirkende Nikolaus Okonkwo (Wikipedia nennt ihn einen „Afro-Deutschen“, was es alles gibt) flott und lebendig als unsentimentaler Rüpel durch das Geschehen braust. (Omar Sy im Film war Schwarzafrikaner, was die Geschichte auch ein wenig geschärft hat.)

In einem dürftigen Bühnenbild (Erich Uiberlacker, Kostüme Birgit Hutter) ist auch die Handlung im Vergleich zum Film logischerweise eingeschrumpft, alles läuft beiläufig, vorhersehbar und nicht sonderlich interessant ab. Silvia Meisterle hat die einzige große Frauenrolle und holt viel daraus heraus, für Alexandra Krismer gibt es eine Charge, die thematisch an „Kunst“ erinnert (als sie Philippe ein abstraktes Gemälde verkaufen will – sieht aus wie ein geschütteter Nitsch, vielleicht einer der unter der Hand verkauften? Es gilt die Unschuldsvermutung), und bei der Generalprobe wurde der erkrankte Ljubiša Lupo Grujčić (der in zwei Szenen einen „konventionellen“ Pfleger im Gegensatz zu dem unkonventionellen Driss zeigen soll) vom Regisseur ersetzt.

Es ist ein Abend, der an allen Ecken und Enden zu wünschen übrig lässt. Will man sich diese Geschichte schon unbedingt antun – dann ist in diesem Fall eine DVD zielführender und auch billiger…

Renate Wagner

 

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