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WIEN / Kammerspiele: FRÜHSTÜCK BEI TIFFANY

05.12.2014 | Theater

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Alle Fotos: Barbara Zeininger

WIEN / Kammerspiele der Josefstadt:
FRÜHSTÜCK BEI TIFFANY nach Truman Capote
Bühnenfassung von Richard Greenberg
Österreichische Erstaufführung
Premiere: 4. Dezember 2014,
besucht wurde die Generalprobe

„SSKM“ heißt der Jugend-Spruch – selber schuld, kein Mitleid. Selbst schuld, wenn man nach einer Kammerspiele-Produktion deprimiert heimkommt, auf der Suche in alten Video-Bändern fündig wird, sich „Frühstück bei Tiffany“ einschiebt und den Audrey-Hepburn-Film von 1961 ansieht, inszeniert von Blake Edwards, dem Komödienmeister mit der leichten Hand.

Holly Golightly war in der Gestalt von Audrey Hepburn eine Zauberfee, so hinreißend zart und dabei köstlich stylish, wie nur sie es sein konnte. Selbstironie blitzte aus den großen Augen, und trotz einiger tragischer Aspekte hat die Filmgeschichte wenige sanfte romantische Komödien dieser Art.

Wenn uns das Theater in der Josefstadt in den Kammerspielen nun eine ganz andere Holly-Geschichte vorsetzt, so wurde in der Vorberichterstattung immer betont, dass Truman Capote angeblich die Verfilmung nicht schätzte, weil sie „zu romantisch“ war. Aber Tatsache ist doch, dass er selbst zusammen mit dem versierten Komödienautor George Axelrod das Drehbuch nach seinem Kurzroman von 1958 schrieb und dass ein großer Teil seines Weltruhms (neben „Kaltblütig“) auf diesen Film und nichts anderes zurückgeht.

Eine andere Tatsache wird in den Kammerspielen bewiesen: Wenn man den Roman (wie hier in der Bühnenfassung Richard Greenberg) als Sozialdrama (um nicht ehrlich zu sagen: penetrante Sozialschnulze) präsentiert, ist er völlig uninteressant. Natürlich, man hat in Ruth Brauer-Kvam eine hervorragende Schauspielerin, die eine Holly Golightly der anderen Art spielen kann: Man glaubt ihr ohne weiteres, dass sie einst als stehlendes Waisenkind herumzog, von einem Pferdedoktor „gerettet“ wurde und diesem davonlief, um in New York das Leben zu führen, das sie in den Illustrierten gesehen hatte – aber nichts anderes wurde als eine bedauernswerte Nutte mit einem Borderline-Bewusstsein zwischen Realität und ihren Lebenslügen, immer in Letztere umkippend. Die Hepburn konnte den „guten Stall“, aus dem sie stammte, nie wegspielen. Ruth Brauer liefert eine tragische Studie von White Trash auf dem Weg in die Halbwelt. Auf Hollys Zauber warten wir vergeblich.

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Manche Elemente des Films fehlen ganz, nicht nur Figuren (die reiche verheiratete Dame, die den Dichter Paul aushält, der köstliche japanische Mieter im New Yorker Haus, den Mickey Rooney so brillant „schmierte“), auch ganze Szenen: Auf der Bühne kann man den großen Ausflug zu Tiffany nicht unternehmen (von den Straßen New Yorks wollen wir nicht reden). Ja, und im Kino gibt es ein Happyend im Regen, Holly findet den verstoßenen Kater wieder und fällt ihrem Freund in die Arme, eine Umarmung zu dritt, während „Moon River“ erklingt…

Warum weinen wir um diese Romantik, die – wie man uns strafend sagt – ja so „verlogen“ war? Gegenfrage: Was bringt’s, wenn man das Schöne hässlich macht? Welche ach so lobenswerte, ach so politisch korrekte „Wahrhaftigkeit“ ist im Gegensatz zur „Traumwelt“ der Traumfabrik zu erzielen? Nur, dass eine Geschichte unter den Händen zerbröselt, wenn sie nichts weiter bringt als das tausendfach durchgekaute Elend, dessen Aussagekraft für einen Theaterabend gering scheint.

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Hier erzählt der Dichter (der keine reiche Freundin mehr hat) immer wieder ins Publikum gewandt Hollys Geschichte (und man muss sich eigentlich immer vergegenwärtigen, dass dieser Christian Nickel einst Steins fabelhafter Faust war – und dass er jetzt offenbar froh sein muss, solche Rollen spielen zu dürfen? Traurig). Barmann Joe Bell, den man aus dem Film auch nicht kennt, ist hier sein Gesprächspartner (und mit Martin Zauner höchst luxuriös besetzt, dafür, dass er nur wenige Szenen und kaum den Umriß einer Rolle hat). Sie denken aus der Distanz von gut zehn Jahren, Mitte der Fünfziger, an Holly zurück, die seither verschwunden und nicht wieder aufgetaucht ist.

DSC5448_RuthBrauerKvam Ukulele DSC5799_RuthBrauerKvam am Stuhl

Und dann tritt sie auf – von Michael Gampe, der auch so etwas sehr verlässlich inszeniert, aber doch sehr auf vordergründigen Kitsch gestylt: Allein, wie sie da mit ihrer Ukulele und dem Männerhut einsam auf ihrem Koffer sitzt, ist diese Holly eine Verlorene der Großstadt, die später eigentlich nicht mehr von sich erzählt, als dass sie locker von Hand zu Hand geht. Der Untergang ist vorgezeichnet, man geht ihn erschöpft durch viele hektische Szenen mit.

Mögen Nickel und Zauner runde Figuren auf die schäbige Drehbühne von Erich Uiberlacker stellen (die Kostüme von Birgit Hutter tun Ruth Brauer-Kvam gut), der Pferdedoktor, der Holly einst gerettet hat, ist eine Kitsch-Charge, die von Alexander Strobele mit triefender „Verhaltenheit“ präsentiert wird, so penetrant, wie Christoph Zadra den schäbigen brasilianischen Liebhaber oder Siegfried Walther den geilen alten Lebemann spielt. Und Nicolaus Hagg, irgendwie von Reichenau und der Volksoper zur Josefstadt gekommen, gibt den Milliardär, Nazi-Sympathisanten und Psychopathen Rusty Trawler wie aus dem Handbuch. Aber man hat kaum Lust, Michael Gampe hier Vorwürfe zu machen – was fängt man mit so einer Vorlage an?

Viele lange Gesichter im Zuschauerraum. Man sollte Erwartungen nicht mutwillig enttäuschen, nicht mit einem Titel locken und dann „Ätsch“ sagen. Das tut nicht gut.

Renate Wagner

 

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