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WIEN / Kammeroper: ORLANDO

21.05.2013 | Oper


Fotos: Barbara Zeininger

WIEN / Kammeroper des Theaters an der Wien:
ORLANDO von Georg Friedrich Händel
Premiere: 13. Mai 2013,
besucht wurde die Vorstellung am 21. Mai 2013

Das Theater an der Wien hat sich die Kammeroper „geschnappt“, das kann man wohl als Behauptung so hinstellen, aber man hat es offenbar nicht leichtfertig getan. Da steckt schon Methode dahinter, nicht nur jene eines „jungen Ensembles“, sondern auch die alternativer Betrachtungsweisen. Es können auch lockere sein.

Denn an sich ist Händels „Orlando“ von 1733 eine Opera seria, mit einem großen Krieger als Helden, der unpraktischerweise aus Liebe wahnsinnig wird, was an sich eine schwergewichtige Sache ist. Jens-Daniel Herzog hat die Oper 2007 in Zürich (man kann’s auf Video ansehen) ins Irrenhaus versetzt und in eine Welt des Krieges gestellt. Das war sehr überzeugend. Aber was Regisseurin Stefania Panighini nun in der Ausstattung von Federica Parolini auf der kleinen Bühne der Kammeroper macht, hat durchaus auch seinen Reiz.

Keine Haupt- und Staatsaktion um Feldherren und Fürstlichkeiten (eigentlich haben wir da sogar eine Königin von China auf der Bühne!), keine historisch-literarische Last durch „Orlando Furioso“, sondern Händel light. Die Dekoration ist ein Gartenpavillon mit vielen, vielen Pflanzentöpfen, Zoroastro darf nicht nur der Vertraute von Orlando sein, sondern wirklich ein Zauberer wie im Kindertheater, und im übrigens geht es bei dem übrigen Quartett um ein Quid pro quo der Liebe, wo nicht jeder bekommt, was er will.

Orlando liebt Angelica, diese liebt Medoro, der seinerseits auch von Dorinda geliebt wird, aber die Gefühle von Angelica erwidert. Also gibt es ein Paar, das sich liebt und bekommt, nämlich Angelica und Medoro, und zwei Enttäuschte, Abgewiesene, die am Ende nicht einmal zusammengeführt werden (was die einfache Lösung wäre), weil ja Orlando im Original wieder der große Feldherr werden muss. Nachdem er aus Liebe übergeschnappt ist – und dann, beides mit Hilfe von Zoroastro, wieder aus seinem Wahn „aufwacht“.

Darauf beschränkt die Regisseurin ihre Geschichte: Amour fou, mit einiger Ironie dargestellt, aber wahrscheinlich wäre der Abend nichts weiter Besonderes, hätte man sich nicht für eine knallfarbige Punk-Ausstattung entschieden, die das Geschehen gewissermaßen irrational macht, was sehr gut zu dieser Sicht der Geschichte passt…

Rubén Dubrovsky leitet das Bach Consort Wien mit dem schlanken Klang, den das Haus verlangt. Striche hat es wohl gegeben, aber an die drei Stunden Spieldauer sind es immer noch, die allerdings schnell vorübergehen. Auch, weil die Sänger als Darsteller Spaß machen: Der Counter-Tenor Rupert Enticknap läuft mit irrem Blick umher und lässt eine Stimme hören, die noch nicht die ausgeprägte schneidende Qualität vieler Kollegen hat, sondern stellenweise fast „normal“ klingt. Çigdem Soyarslan mit grasgrünem Haar, das ihr etwas Nixenhaftes gibt, muss sich mit der entsetzlich hohen Tessitura der Angelica herumschlagen, tut das aber tapfer und mit gutem Ergebnis. Anna Maria Sarra, der zweite Sopran, hat eine so bunte, in allen Regenbogenfarben schillernde Frisur, von der man nicht den Blick wenden kann – und weil die Haare so „fedrig“ wirken, ist sie eine Papagena wie aus dem Bilderbuch: Sie trägt nicht nur possierlich ihren Mini spazieren, sondern singt auch sehr ordentlich. Gaia Petrone lässt in der Rolle des von allen geliebten Medoro einen schönen, klangvollen Mezzo hören. Und schließlich schreitet der Bass Igor Bakan als Zauberer einerseits gewaltig-gewichtig, andererseits humorvoll herum und bändigt seine Stimme zu Händel.

„Hohe Schule“ der alten Musik singen sie alle nicht, aber so ist der Abend schließlich auch nicht gemeint. Das hier ist eine richtig leicht und heiter gemeinte Alternative zum sonst schweren und düsteren Händel’schen „Orlando“, und das Publikum wirkte am Ende nicht nur echt vergnügt, sondern war auch enorm applausfreudig. Und das bei der bestens gefüllten bereits fünften Aufführung.

Renate Wagner

 

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